Schiffe können weiterhin Getreide aus ukrainischen Häfen in alle Welt bringen. Darauf haben sich Vertreter der Kriegsparteien, der Türkei und der UN geeinigt.
Istanbul, New York, Genf, Kiew Es ist ein kleines Zeichen der Hoffnung – für die Ukraine und die Welt. Die Kriegsparteien Russland und Ukraine sowie die Türkei verlängern das Getreideabkommen um 120 Tage. Hätte eine der drei Parteien ihren Ausstieg angekündigt, wäre die Schwarzmeer-Getreide-Initiative am Samstag ausgelaufen. Bis zuletzt war unsicher, ob Russland weiter an Bord bleibt.
Moskau wollte mit der Hinhaltetaktik seine Macht demonstrieren, gab aber schließlich nach. Jetzt können in Zeiten von Hungersnöten und hoher Preise die Frachtschiffe mit Agrarprodukten weiter die Ukraine verlassen – und damit die weltweite Nahrungskrise eindämmen.
Entsprechend gelöst gab sich UN-Generalsekretär António Guterres, als er am Donnerstag eine Erklärung verbreiten ließ: „Ich begrüße die Vereinbarung aller Parteien, die Schwarzmeer-Getreide-Initiative fortzusetzen, um die sichere Schifffahrt bei der Ausfuhr von Getreide, Nahrungsmitteln und Düngemitteln aus der Ukraine zu erleichtern.“
Russland und die Ukraine hatten sich am 22. Juli in Istanbul unter Vermittlung der UN und der Türkei auf zwei Abkommen über das Ende der russischen Blockade ukrainischer Häfen und den Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer verständigt.
Allein am Mittwoch (16. November) verließen laut dem Gemeinsamen Koordinationszentrum der Schwarzmeer-Getreide-Initiative mit Sitz Istanbul acht Frachtschiffe die Ukraine. An Bord befanden sich 277.114 Tonnen Getreide und andere Agrarprodukte. Bestimmt ist die Fracht unter anderen für Äthiopien, China und Italien. Insgesamt stachen im Rahmen der Initiative von Anfang August bis Mitte November 462 Frachtschiffe mit mehr als elf Millionen Tonnen ukrainischer Landwirtschaftsprodukte in See.
Insgesamt läuft die Initiative nach Angaben hochrangiger UN-Funktionäre fast störungsfrei. Die Schiffe transportieren die Waren über geschützte Korridore und werden von Inspekteuren der UN, der Türkei, der Ukraine und Russlands kontrolliert. Damit soll der Schmuggel von Waffen, anderen Gütern und Personen unterbunden werden.
Vor dem Einmarsch der Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 24. Februar gehörte die Ukraine zu den größten Agrarausfuhrländern der Welt: Das Land im Osten Europas exportierte jährlich rund 45 Millionen Tonnen Getreide, größtenteils auf dem Seeweg. Nach der Invasion der Kreml-Truppen brachen die Lieferungen jedoch drastisch ein. Russland blockierte und besetzte Häfen des von ihm überfallenen Nachbarlandes. Die Ukraine verminte Gewässer.
Die Folge: Weltweit kam es zu Lieferengpässen, Nahrungsmittel wurden knapp, Preise stiegen sprunghaft an. Die Hungerkrisen im globalen Süden verschärften sich. Ein funktionierendes Getreideabkommen aber vermehrt das Angebot und dämpft die Preise, wie Studien der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO zeigen.
Trotz der Weiterführung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative warnen Diplomaten vor allzu großem Optimismus: Das Putin-Regime kündige internationale Abkommen nach Belieben auf: Noch im Oktober hatte Moskau einseitig die Getreide-Übereinkunft mit der Ukraine ausgesetzt. Später traten die Russen zwar dem Pakt wieder bei – doch das Hin und Her zeugt von der Willkür im Kreml.
>>Lesen Sie hier: Das Abkommen mitten im Krieg nutzt vor allem Russland
Gleichzeitig bemängelt Russland, dass es selbst nicht störungsfrei Dünger und Lebensmittel ausführen könne. Die westlichen Sanktionen machen den Russen Schwierigkeiten, etwa beim Versichern der Fracht oder im Zahlungsverkehr.
Auf einen reibungslosen Export russischer Agrargüter hatten sich Moskau und die UN aber im Juli in Istanbul in einem zweiten Abkommen geeinigt, einem „Memorandum of Understanding“. Die Russen sehen die Schwarzmeer-Getreide-Initiative und das Memorandum als ein Paket.
UN-Generalsekretär Guterres bestätigte dies indirekt: „Die Vereinten Nationen setzen sich auch dafür ein, die verbleibenden Hindernisse für die Ausfuhr von Nahrungsmitteln und Düngemitteln aus der Russischen Föderation zu beseitigen.“ Moskau wird auf den störungsfreien Export seiner Produkte pochen – und behält eine abermalige Aussetzung des Getreideabkommens in der Hinterhand.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×