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07.01.2023

10:09

Urnengänge 2023

Spanien vor der Wahl: wirtschaftlich stabil, politisch verkeilt

In Umfragen führt seit Monaten die konservative Opposition, dabei ist die Wirtschaft stabil und Erneuerbare bieten Zukunftspotenzial. Doch die politischen Gräben haben sich vertieft.

Ende des Jahres 2023 wählen die Spanier ein neues Parlament. Laut Umfragen könnten die regierenden Sozialisten und Linkspopulisten von der Opposition abgelöst werden. dpa

Spanisches Parlament

Ende des Jahres 2023 wählen die Spanier ein neues Parlament. Laut Umfragen könnten die regierenden Sozialisten und Linkspopulisten von der Opposition abgelöst werden.

Madrid Würde allein die Lage der Wirtschaft die im Jahr 2023 anstehenden Wahlen in Spanien entscheiden, müssten sich die regierenden Sozialisten keine Sorgen machen. Die Inflation in Spanien war im November die niedrigste in der EU. Der Arbeitsmarkt hält sich nach einer Reform vergleichsweise stabil und auch eine Rezession droht der viertgrößten Volkswirtschaft der EU nach Ansicht der Experten im kommenden Jahr nicht.

Das Problem ist die Politik – wieder einmal. Zwar ist es dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez gelungen, seine Minderheitsregierung mit den Linkspopulisten von Unidas Podemos am Leben zu halten. Nach drei Neuwahlen hat das Spanien gerade in der Coronakrise eine dringend benötigte politische Stabilität verschafft.

Sánchez hat sich die Stimmen für seine Mehrheit allerdings mit teils sehr umstrittenen Zugeständnissen an katalanische und baskische Separatisten gesichert. Seine Kritiker werfen ihm deshalb vor, alles zu tun, um an der Macht zu bleiben. Der Graben zwischen den Sozialisten und Konservativen hat sich in den vergangenen drei Jahren noch weiter vertieft.

Eine Vorentscheidung über die künftige spanische Regierung fällt bereits Ende Mai bei den Kommunal- und Regionalwahlen. „Wer dort gewinnt, hat anschließend immer auch die nationalen Wahlen gewonnen“, sagt Ignacio Lago, Politologe von der Universität Pampeo Fabra in Barcelona.

In Umfragen für die Wahl zum nationalen Parlament Ende des Jahres würde die konservative Partido Popular (PP) mit der rechtsradikalen Vox die Mehrheit erhalten. Allerdings verringerte sich deren Vorsprung zuletzt.

Experte: Das Zweiparteiensystem in Spanien kehrt zurück

Lago geht davon aus, dass junge Parteien wie Vox und die Linkspopulisten von Unidas Podemos bei den nationalen Wahlen Sitze verlieren werden. „Das Zweiparteiensystem kehrt nach Spanien zurück“, ist er sicher.

Vox ist aus der Krise mit den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern hervorgegangen, die aber inzwischen an Bedeutung verloren haben. Unidas Podemos entstand aus der Wirtschaftskrise 2008, die ebenfalls überwunden ist. Weder die Pandemie noch die Energiekrise haben Spanien ähnlich hart getroffen.

Zwar ist Spaniens Wirtschaft mit seiner wichtigen Tourismusbranche in der Pandemie stärker eingebrochen als die aller anderen Industrienationen – um 10,8 Prozent. Kurzarbeit hat aber einen krassen Einbruch am Arbeitsmarkt verhindert. Die Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds kommen in Spanien zwar nur schleppend in der realen Wirtschaft an. Sie sichern dem Land perspektivisch aber Milliardenhilfen für Investitionen und Reformen.

Der spanische Premierminister tritt im Jahr 2023 wieder zur Wahl an. Reuters

Pedro Sanchez

Der spanische Premierminister tritt im Jahr 2023 wieder zur Wahl an.

Die Energiekrise wiederum trifft Spanien weniger stark, weil das Land kaum Gas aus Russland bezogen hat, sondern eine Pipeline zum Gaslieferanten Algerien besitzt. Zudem hat Spanien die größten Kapazitäten der EU, um per Schiff geliefertes Flüssiggas nutzbar zu machen.

Spanische Zentralbank rechnet mit 4,6 Prozent Wirtschaftswachstum für 2022

Die spanische Zentralbank rechnet damit, dass Spaniens Wirtschaft in diesem Jahr um 4,6 Prozent wächst und im kommenden um 1,3 Prozent. Selbst eine technische Rezession, also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt, erwartet sie für Spanien nicht.

Gleichwohl liegt Spaniens Wirtschaftsleistung anders als die der übrigen EU-Länder immer noch unter dem Niveau von vor der Pandemie. Mit einer Rückkehr zum Vorkrisen-Niveau rechnen Experten erst im Jahr 2024.

Entspannung zeichnet sich dagegen bereits jetzt auf dem Arbeitsmarkt ab. Dort hat eine Reform die exzessive Nutzung von Zeitverträgen in Spanien unterbunden. Dazu gehört, dass künftig auch Saisonarbeiter, etwa Beschäftigte im Tourismus, einen unbefristeten Vertrag erhalten, der außerhalb der Saison nur ruht.

Nach Angaben der spanischen Zentralbank ist die Zahl der Zeitverträge in Spanien durch die Arbeitsmarktreform im November im Vergleich zum Vorjahr um 13,5 Prozentpunkte gesunken. Das wiederum könne den Konsum um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte angestoßen haben. Der hatte sich nach der Pandemie zunächst nur zögerlich erholt.

Grafik

„Die Reform führt dazu, dass Unternehmen bei sinkenden Auftragseingängen erst mal andere Optionen wählen und etwa die Arbeitsstunden kürzen, statt Zeitverträge auslaufen zu lassen“, sagt Rafael Doménech, Chefökonom der spanischen Bank BBVA.

Sánchez will sein Land zu Europas Drehscheibe für grünen Wasserstoff machen

Perspektivisch hat Spanien zudem ideale Voraussetzungen, um von erneuerbaren Energien zu profitieren. Mit seinen vielen Sonnenstunden und freien Flächen für Solar- und Windenergie lässt sich grüne Energie dort billiger herstellen als anderswo. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez will sein Land deshalb zum Mittelpunkt für grünen Wasserstoff in Europa machen.

„Spanien hat dabei ohne Zweifel einen Wettbewerbsvorteil“, sagt Ramón Mateo, Direktor der Beratung beBartlet. So besitze das Land anders als etwa Afrika nicht nur Sonne, sondern auch weltweit führende Energiekonzerne, die über die nötige Technologie und das Know-how verfügen.

Zudem ist eine Reihe industrieller Nutzer in Spanien angesiedelt, etwa aus der Keramik- oder Stahlindustrie. „Sie schaffen eine kritische Masse an Abnehmern für grünen Wasserstoff, sodass sich Investitionen in diese neue Technologie lohnen“, so Mateo. „Im zweiten Schritt kann Spanien dann exportieren.“

Zwar sieht auch Doménech große Chancen für Erneuerbare. Sie seien jedoch kein Selbstläufer. „Damit Investoren – egal ob in- oder ausländische – in Spanien investieren brauchen sie Planungssicherheit“, mahnt er. Madrid aber habe Investoren in diesem Jahr mit Übergewinnsteuern für Energiekonzerne und Banken verunsichert. Einige Investoren würden bereits über alternative Standorte nachdenken.

Dabei gebe es beim Pro-Kopf-Einkommen noch eine große Schere zwischen Spanien und den Ländern Nordeuropas. „Und die Erfahrung zeigt, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Landes immer vom Wachstum der privaten Investitionen stammt – deshalb ist die Investitionssicherheit so wichtig.“

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