US-Präsident Joe Biden hat zwar einiges erreicht, doch es gibt noch immer viele Probleme. Fünf davon werden das zweite Jahr der Regierung besonders bestimmen.
US-Präsident Joe Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris
Biden und Harris auf dem Weg zur historischen Ebenezer-Kirche.
Bild: AP
Washington US-Präsident Joe Biden setzte in dieser Woche ein ungewöhnliches Zeichen. Gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Kamala Harris reiste er in die Südstaaten-Metropole Atlanta, um für eine Reform des Wahlrechts zu werben. Biden wollte mit seiner Rede in der historischen Ebenezer-Kirche ein Zeichen für das demokratische System setzen. Denn in den vergangenen Monaten verhängten einige republikanische Bundesstaaten Gesetze, die Briefwahlen erschweren und die Hürden für die Stimmabgabe erhöhen. Die amerikanische Demokratie, das ist auch die Lehre des Aufstands vom 6. Januar 2021, ist angreifbar geworden.
Eigentlich, so könne man meinen, haben die USA gerade größere Sorgen. Die Kliniken füllen sich mit Covid-Patienten, die Inflation sorgt für hohe Preise, Millionen Menschen kündigen ihren Job oder melden sich krank.
Der Alltag in den USA ist für die konsumverwöhnten Amerikaner, die „Convenience“ und schnelle Verfügbarkeit lieben, umständlich geworden. Dass sich Biden trotzdem einen Tag Zeit nahm, um das Thema Wahlrecht in den Fokus zu rücken, zeigt, dass das Weiße Haus die angespannte Stimmung im Land ernst nimmt.
Die Polarisierung der Politik ist nur eines von vielen Problemen, die Biden in seinem zweiten Amtsjahr beschäftigen werden. Zwar hat er einiges erreicht: Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, die Löhne sind gestiegen, die Wirtschaft hat sich erholt und die Aktienmärkte brechen Rekorde. Mehr als eine Billion US-Dollar fließen bald in moderne Infrastruktur. Und doch scheint Biden von positiven Nachrichten wie diesen kaum zu profitieren, seine Zustimmungswerte sind im Keller.
Bidens US-Demokraten droht im Herbst ein Desaster, wenn die wichtigen Kongresswahlen anstehen. Dann müssen sie ihre ohnehin knappen Mehrheiten auf dem Capitol Hill verteidigen - kaum jemand glaubt daran, dass ihnen das gelingt. „Die Demokraten brauchen ein Wunder, um Wahlverluste im November abzuwenden“, stellte die Beratungsfirma Morning Consult fest. „In fast allen Bereichen hat der Präsident an Vertrauen verloren.“ Diese Probleme prägen Bidens kommenden Monate:
Teile der US-Regierung warnen vor Kollateralschäden, sollten die geplanten harten Sanktionen gegen Russland verhängt werden. Sie könnten, so eine Analyse des US-Finanzministeriums, europäische Volkswirtschaften und die USA in Mitleidenschaft ziehen, etwa durch noch höhere Gaspreise und Handelsblockaden. Auch Bidens Ruf als internationaler Krisenmanager könnte immens leiden, sollten die Gespräche scheitern.
Der US-Präsident hat außenpolitisch kaum Erfolge vorzuweisen: Der Abzug aus Afghanistan endete im Desaster, die Iran-Verhandlungen scheinen festgefahren, ebenso wie die Handelsgespräche mit China. Vorsorglich schraubt Washington die Erwartungen herunter. „Sollte Russland den diplomatischen Weg verlassen, wäre es offensichtlich, dass es Moskau nie ernst meinte“, sagte die US-Verhandlungsführerin Wendy Sherman nach der Auftaktrunde.
In den USA herrscht Schnelltest-Mangel, die Stäbchen für Mondpreise im Internet verschachert. Die Gesundheitsbehörde CDC veröffentlichte widersprüchliche Quarantäne-Regeln, die Direktorin Rochelle Walensky musste mehrfach zurückrudern. „Die Regierung hat das Vertrauen der Menschen verloren, die eigentlich Unterstützer von Schutzmaßnahmen sind“ , sagte Céline Gounder, Expertin für Infektionskrankheiten, dem Portal „Axios“.
Leana Wen, Professorin an der George Washington University, spricht von einer „echten Vertrauenskrise“. Immerhin entwickelt sich die medizinische Behandlung von Covid weiter: Die US-Regierung will 5,3 Milliarden US-Dollar in die Herstellung eines neuen Pfizer-Medikaments pumpen. Noch im Januar sollen 250.000 Dosen verfügbar sein.
Zwischen den Jahren befanden sich viele Teile der USA bereits in einer Art unfreiwilligem Teil-Lockdown, Airlines stornierten tausende Flüge und Städte wirkten wieder verwaist wie zu Beginn der Pandemie. Die Bank Goldman Sachs senkte ihre Wachstumsprognose für die nächsten drei Quartale, weil das Zwei-Billionen-Dollar-Paket „Build Back Better“ im Kongress klemmt.
Am Mittwoch werden neue Zahlen zur Inflation veröffentlicht, wahrscheinlich zeigen sie eine Inflationsrate von sieben Prozent. Laut Morning Consult dürften Bidens Demokraten bei den Kongresswahlen im November die Rechnung bekommen. „Amerikaner zahlen nicht gerne drauf, das werden sie die Politik wissen lassen“, heißt es in einer Analyse.
Noch in dieser Woche könnte der US-Senat, eine von zwei Kammern im Kongress, über neue Sanktionen gegen Nord Stream 2 abstimmen. Sie wären umfassend, rückwirkend und so konzipiert, dass der Präsident kein Veto einlegen kann. Deutschland bliebe nicht verschont. Die Republikaner, versammelt um den republikanischen Senator Ted Cruz, brauchen für einen Beschluss die Stimmen von zehn Demokraten.
Die Demokraten im Senat versuchen nun, einen alternativen Gesetzentwurf einzubringen, der Deutschland aussparen und Biden weiter ein Vetorecht einräumen würde - sie wollen ihrem Präsidenten eine Blamage ersparen.
Ob das gelingt, ist unklar. Erschwert wird der Konflikt dadurch, dass die deutsche Bundesregierung nicht mit einer Stimme spricht. Beim Antrittsbesuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Washington wurden die Differenzen innerhalb der Ampel deutlich.
„Einheit ist der Weg nach vorne“, beschwor Biden zum Amtsantritt. Doch wenn er am 1. März im Kongress seine Rede zur Lage der Nation hält, wird von Einheit nicht viel zu sehen sein. Schließlich lebt in vielen Regionen der USA die wohl größte amerikanische Verschwörungstheorie der Moderne weiter: dass Donald Trump aufgrund einer manipulierten Wahl um seinen rechtmäßigen Sieg gebracht wurde.
Fast drei Viertel der republikanischen Anhänger , so eine Umfrage der University of Massachusetts, zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Wahlen. Aufs Land gerechnet entspricht das einem Drittel der US-Amerikaner. Bei den Kongresswahlen im November bewerben sich mehr als 160 Republikaner auf Ämter und Mandate, die den Sieg von Biden leugnen. Viele von ihnen werden von Trump persönlich unterstützt, einige auch vom deutschstämmigen Investor Peter Thiel. Beim Jahrestag zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar trat die Spaltung des Landes offen zutage.
Keine guten Aussichten für Biden und die Demokraten im wichtigen Wahljahr. Bidens Partei will jetzt, so erzählt ein politischer Stratege am Telefon, an der Glaubwürdigkeit des Präsidenten arbeiten: Die Prioritäten liegen auf Wirtschaft und der Bekämpfung der Inflation - doch auch „unserer wichtigsten gesellschaftlichen Werte“, so der Stratege, will Biden verteidigen. Auftritte wie die Rede in Atlanta, abseits der politischen Tagesroutine, könnten also noch häufiger auf dem Terminplan des Präsidenten stehen.
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