Die demokratischen Kandidaten Joe Biden und Kamala Harris wollen Trump aus dem Weißen Haus jagen. Ihre Versprechen in der Wirtschaftskrise sind geprägt vom linken Parteiflügel – und unbezahlbar.
Joe Biden und Kamala Harris
Das Demokraten-Duo könnte die USA wieder einen – doch ihre Pläne könnten das Budget stark belasten.
Bild: Reuters
Washington In den Stunden nach der Verkündung war die Euphorie im Lager der US-Demokraten groß. Die frisch nominierte Vize-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sei die „ideale Partnerin” für Donald Trumps Herausforderer Joe Biden, schrieb Ex-Präsident Barack Obama. Biden pries Harris als „furchtlose Kämpferin”, Harris hob Biden als den Politiker hervor, der „das amerikanische Volk einen” könne.
Tatsächlich ist die Kandidatur von Kamala Harris für die Vizepräsidentschaft ein historischer Moment. Die 55-jährige Senatorin aus Kalifornien ist die erste schwarze Frau, die jemals für eine der beiden großen Parteien als „Running Mate” antritt. Harris vertritt mit Kalifornien den bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA und ist eine überregional bekannte Politikerin mit Einwanderungshintergrund.
Sie ist charismatisch und erfahren, ihr Name auf dem Ticket der Vize-Präsidentschaft gab dem Wahlkampf neuen Schwung: Bidens Kampagne verzeichnet seit der Bekanntgabe einen „extrem hohen” Spendenfluss. Sollten Biden und Harris die Wahlen gewinnen, wäre Harris eine realistische Anwärterin auf die Präsidentschaft im Jahr 2024. Denn Biden, mit 77 Jahren der älteste Präsidentschaftskandidat, hat angedeutet, dass er womöglich nur eine Amtszeit absolvieren wird.
Kommende Woche wird das Tandem auf dem Parteitag der Demokraten auftreten und sich offiziell zum Spitzenduo küren lassen. Auch wenn die Nominierung wegen der Corona-Pandemie vorwiegend virtuell abgehalten wird, dürften die Demokraten ein Ziel mit voller Kraft ins Land rufen: Donald Trump muss raus aus dem Weißen Haus.
Doch bis zur Wahl am 3. November sind es noch knapp drei Monate, viele Wähler legen sich erst spät fest. Sobald sich die Euphorie um Harris gelegt hat, werden die Demokraten an ihren politischen Ideen gemessen werden – und auch daran, wie realistisch diese umzusetzen sind. Sollte Biden die Wahlen gewinnen, würde er – ähnlich wie Obama im Jahr 2009 – mit einem Rekorddefizit, vielleicht sogar einer Rezession konfrontiert sein.
In Zeiten, in denen sich die Schulden der USA wegen der Corona-Krise vervierfachen, treten die Demokraten mit teuren Ausgabenplänen an. Schon jetzt werden Biden und Harris von den Republikanern als Treiber für Steuererhöhungen und Regulierung gebrandmarkt. Unter ihnen würden die USA in ein zweites Venezuela verwandeln werden.
Trump bezeichnete Harris am Dienstag als „gemeinste, schrecklichste und respektloseste Senatorin”. Auch für Liz Cheney, Chefin der Republikaner-Versammlung im Repräsentantenhaus, ist Harris eine „radikale Linke, die Steuern erhöhen, Waffen wegnehmen und staatliche Eingriffe explodieren lassen wird”.
Zwar gehören sowohl Biden als auch Harris zum moderaten Lager ihrer Partei. Doch vor allem ihre Wirtschaftsversprechen sind geprägt vom Einfluss des linken Flügels, der durch prominente Vertreter wie Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Alexandra Ocasio-Cortez am Programm beeinflusst wurde.
Im Mittelpunkt des Konzepts steht der Klimawandel: Biden sieht in ihm die „größte Bedrohung für unsere Sicherheit” und fordert eine „Revolution”, um dessen Folgen zu mindern. Bidens Zwei-Billionen-Dollar-Plan verspricht Millionen neuer Jobs durch eine grüne Energiewende. Als Präsident will er die Weichen für eine neutrale CO2-Bilanz bis 2050 stellen.
Dafür sorgen sollen breite Standards für grüne Energie, hohe Investitionen in energieeffiziente Gebäude und eine halbe Million staatlich geförderter Elektroauto-Ladestationen. Außerdem will er Trumps Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig machen. Trump hatte in den vergangenen Jahren praktisch alle Vorschriften der Obama-Regierung zur Bekämpfung des Klimawandels ausgehebelt.
Biden will die Handelspolitik als Instrument gegen den Klimawandel nutzen, indem er Zölle auf CO2-intensive Produkte erhebt. Der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies sagte er, er wolle zudem Ländern, die umweltfreundliche Maßnahmen umsetzen, Schulden erlassen. International würde Biden seine Ziele vorantreiben, indem er die G20 dazu bringt, die Subventionen für fossile Brennstoffe weltweit zu reduzieren. Überhaupt dürften die USA mit einem Präsidenten Biden zum Multilateralismus zurückkehren.
Zwar zeigen sowohl er als auch Harris protektionistische Tendenzen: Beide wollen erklärtermaßen erst dann neue Handelsabkommen abschließen, wenn diese zu „größeren Investitionen” in Jobs und Infrastruktur führen. Biden sieht ebenso wie Harris in China einen Aggressor, vor dem sich die westliche Welt wirtschaftlich und handelspolitisch schützen muss. Doch im Gegensatz zu Trump sind beide Politiker auf internationalen Austausch bedacht.
Auch Harris hat sich im Wahlkampf dem Klimaschutz verpflichtet, geprägt von Waldbränden in ihrer Heimat Kalifornien. Als Generalstaatsanwältin von Kalifornien untersuchte sie den Einfluss des Öl-Konzerns ExxonMobil auf den Klimawandel. Im Kongress arbeitete sie mit Ocasio-Cortez an einem Gesetz, dass einkommensschwache Gemeinden vor Naturkatastrophen schützen soll.
Auch im Fall eines Wahlsiegs brauchen Biden und Harris für die meisten ihrer Ziele Unterstützung im US-Kongress. Auch die Finanzierung ist bislang nur zum Teil geklärt. Biden hatte sich in der Vergangenheit für höhere Unternehmenssteuern ausgesprochen und eine Vermögenssteuer nicht ausgeschlossen.
Insgesamt sollen Bidens Vorschläge für eine Steuerreform binnen zehn Jahren zwischen 3,2 und 4 Billionen US-Dollar einbringen, errechnete die Expertengruppe Tax Policy Center. „Aber selbst diese Schätzungen liegen weit unter den Gesamtkosten von sechs Billionen US-Dollar, die Biden für Gesundheitsversorgung, Klimawandel, Infrastruktur, Bildung und Kinderbetreuung veranschlagt”, schrieb der Analyst Marc Joffe für das Portal „The Hill”. Sowohl Bidens Plan als auch die Trump-Regierung, die massive Schulden anhäuft, „werfen die Frage auf, ob sich unsere von der Pandemie geschrumpfte Wirtschaft überhaupt neue Ausgaben leisten kann”.
Aktuell erweckt Biden den Eindruck, Geld sei kein Problem, nicht nur beim Klimaschutz. In der Corona-Krise werde er „alles tun, was nötig ist“, um Tests und die Behandlung des Virus auszuweiten, die Wirtschaft zu fördern und die USA gegen künftige Pandemien zu wappnen, sagte er. Harris spricht sich sogar für ein staatliches Grundeinkommen in Höhe von 2000 US-Dollar während der Corona-Krise aus.
Harris hat weniger übergreifende Wirtschaftsvisionen, dafür steht sie aber umso mehr für zielgerichtete Maßnahmen, die Schwarze und US-Bürger mit niedrigem Einkommen unterstützen sollen. In der Corona-Krise hat sie diese Themen vorangetrieben: So fordert Harris einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde und will die Gewerkschaften stärken, was in Teilen der USA als Jobkiller betrachtet wird.
„Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und Kündigungsschutz müssen die Kernthemen der US-Wirtschaft sein”, sagte sie kürzlich. Im Lager der Republikaner wird man sich in den kommenden Wochen auf die Schwächen des demokratischen Wirtschaftskonzept konzentrieren. „Biden übergibt die Kontrolle über unsere Nation an den radikalen Mob”, sagte Trumps Kampagnen-Leiterin Katrina Pearson. „Er will Steuern erhöhen und Jobs in der Energiebranche vernichten”.
Zumindest an der Wall Street verfängt die Drohung des sozialistischen Schreckgespenstes bislang nicht. Dort wurde die Kür von Kamala Harris positiv aufgenommen. Harris ist gut vernetzt und erfahren beim Einsammeln von politischen Spenden. Als sie sich im vergangenen Jahr auf die Präsidentschaftskandidatur bewarb, bekam sie Gelder aus der Filmbranche, von Immobilien-Investoren und aus der Finanzwelt.
In der Partei gilt sie als weniger links als ihre damaligen Mitbewerber Bernie Sanders und Elizabeth Warren, aber als links genug, um deren Anhänger nicht zu verprellen. Das könnte im Wahlkampf nützlich sein. Biden liegt seit Monaten in nationalen Umfragen vor Trump. Allerdings profitierte Biden bislang mehr von Trumps Schwäche als von seiner eigenen Stärke. In den verbleibenden Wochen bis zur Wahl könnten sich Biden und Harris aufteilen und ergänzen: Er als solide, einende Stimme einer gespaltenen Nation, sie als kämpferische, energiegeladene Aktivistin.
In den am härtesten umkämpften Bundesstaaten, den Swing States, wird vieles von der Mobilisierung abhängen. Trump gewann 2016 mit teilweise haarscharfen Vorsprüngen in Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin, was auch daran lag, dass viele demokratische Anhänger zu Hause blieben.
Dass Frauen stets Frauen wählen, ist kein Automatismus, wie man an der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton sah. Aber in der wichtigen Wählergruppe der Frauen in Vorstädten könnte Harris punkten. Schwarze Wählerinnen sind für die Demokraten besonders wichtig: Sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass die Partei 2017 einen Senatssitz im tiefroten Alabama gewann, und mit ihrer Hilfe gewannen die Demokraten 2018 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus zurück.
Harris kann eine glaubwürdige Stimme für die afroamerikanische Community sein. „Harris kann Trump und seinen Vize Mike Pence in einer Reihe von Themen demontieren. Sie bringt ein Maß an Empathie, Humor und Intellekt mit, das schwer zu kontern ist”, schreibt die Denkfabrik Brookings.
Der Test darüber, ob Harris tatsächlich stark mobilisieren kann, steht allerdings noch aus. Ihr Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur lief schlecht. Kritiker warfen ihr eine dilettantische Kampagne vor, und zu oft mäanderte sie zwischen linken und zentristischen Positionen hin und her – bis die Wähler nicht mehr wussten, wofür Harris steht. Noch vor den Vorwahlen in Iowa schied Harris weit abgeschlagen aus dem Rennen.
Doch die breite Unterstützung für ihre Kandidatur aus der Partei zeigt, dass die Demokraten weniger gespalten antreten als 2016. Der Wunsch, Trump zu besiegen, scheint wie ein Klebstoff zu wirken, der die verschiedenen Flügel der Partei zusammenhält.
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