Die meisten US-Bürger sind sieben Monate vor den Zwischenwahlen unzufrieden mit dem Präsidenten. Er steht in ihren Augen so schlecht da wie Trump zur gleichen Zeit seiner Amtszeit.
Joe Biden mit US-Demokraten
Die US-Inflation erreichte im Februar 7,9 Prozent, und viele Wähler geben dafür der Regierung die Schuld.
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New York US-Präsident Joe Biden bekommt in diesen Kriegswochen viel Lob für seine Rolle in der Außenpolitik: „Der neue Anführer des Westens“ und „Europas bester Mann“ wird er in den Medien genannt. Das transatlantische Verhältnis ist seit der russischen Invasion so lebendig wie seit Jahrzehnten nicht. Auf seiner Europareise hat Biden trotz einiger Patzer gepunktet. „Der Westen ist nun stärker und vereinter, als er das je gewesen ist“, sagte er.
Auch das Verhältnis der USA zu Deutschland war lange nicht mehr so gut. Die Zusage der Bundesregierung, die Militärausgaben zu erhöhen, fällt in Bidens Amtszeit. Barack Obama und Donald Trump hatten darauf vergeblich gedrängt.
Doch all das hilft nicht in der Heimat: Viele US-Bürger hadern mit ihrem Präsidenten.
Sieben Monate vor den Zwischenwahlen am 8. November geben laut mehreren Umfragen nur etwas mehr als 41 Prozent der Befragten an, zufrieden mit dem Präsidenten zu sein. Mehr als 53 Prozent sind unzufrieden mit seiner Arbeit. Zu Beginn seiner Amtszeit sah es fast genau umgekehrt aus.
Für Biden ist das kein gutes Omen. Der damalige US-Präsident Trump kam im April 2018 vor den Midterms auf ähnlich schlechte Umfragewerte – und verlor im darauf folgenden November die Mehrheit im Senat. Genau das droht den Demokraten, die derzeit nur eine hauchdünne Mehrheit in der wichtigen Kammer haben.
Ursula von der Leyen, Joe Biden beim EU-Gipfel
Die meisten Amerikaner stehen zwar bei dem Krieg klar auf Seiten der Ukraine, wie Umfragen zeigen. Aber mit Außenpolitik werden nur ganz selten Wahlen gewonnen.
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Die meisten Amerikaner stehen zwar bei dem Krieg klar aufseiten der Ukraine, wie Umfragen zeigen. Aber mit Außenpolitik werden nur ganz selten Wahlen gewonnen. Letztlich interessiert die meisten Amerikaner, was in den USA passiert. Dort bestimmen vor allem die gestiegenen Benzinpreise und Lebenshaltungskosten die Diskussion.
Nach einer Umfrage der Quinnipiac University sagten im März 30 Prozent der Befragten, dass die Inflation das wichtigste Problem für die Nation sei, gefolgt von der russischen Invasion in die Ukraine (14 Prozent) und der Einwanderung (neun Prozent).
Die Inflation erreichte im Februar 7,9 Prozent, und viele Wähler geben dafür der Regierung die Schuld. Die Benzinpreise sind von weniger als zwei Dollar pro Gallone (3,8 Liter) im April 2020 während der Coronapandemie auf zuletzt 4,30 Dollar gestiegen. In einzelnen Staaten liegt der Preis sogar bei mehr als sechs Dollar.
„Die hohen Benzinpreise sind das Ergebnis des Green New Deal“, kritisierte der Republikaner Ted Cruz diese Woche mit Blick auf die Umweltpolitik der Regierung Biden. Doch nicht nur die Wut der Bürger beim Tanken schlachten die Republikaner im bereits begonnenen Wahlkampf aus. Auch die jüngsten Enthüllungen über den Sohn des Präsidenten, Hunter Biden, kommen ihnen entgegen.
Auf einmal sind die Beratergeschäfte von Hunter Biden wieder in aller Munde, und auch Medien, die den Demokraten nahestehen, wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ haben zuletzt Artikel über dessen Probleme mit dem Fiskus und seinem Wirken in der Ukraine sowie in China veröffentlicht. Gegen Hunter Biden wird mittlerweile von der Staatsanwaltschaft in einer Steuersache ermittelt. Dabei soll es auch um die ausländischen Einkommen des Präsidentensohns gehen.
Angefangen hat alles mit einem Computer: Der heute 52-jährige Präsidentensohn hatte seinen Laptop im April 2019 ausgerechnet zu einem glühenden Trump-Anhänger zur Reparatur gebracht. Dieser fand dort jede Menge E-Mails, die seinem Eindruck nach brisant waren und Hunter Biden und seinem Vater schaden könnten. Der Computerspezialist brachte den Laptop zum FBI und hatte eigentlich damit gerechnet, dass der Sohn des ehemaligen Vizepräsidenten nun verhaftet wird. Doch es geschah nichts.
Deshalb spielte der Computerspezialist die E-Mails Trump nahestehenden Medien wie der „New York Post“ und Fox News zu, die darüber berichteten. Aber andere große Zeitungen ließen ihre Finger davon, weil sie, wie sie heute sagen, nicht wussten, ob die E-Mails authentisch waren. Der damalige Justizminister William Barr hatte die Daten vor den Wahlen nicht offiziell freigegeben.
Bis heute ist unklar, ob Hunter Biden wirklich gegen Gesetze verstoßen hat. Klar scheint dagegen den meisten Beobachtern, dass er den Namen seines in der Außenpolitik versierten Vaters gut genutzt hat, um an lukrative Beratungsverträge zu kommen. Einer davon kam von dem ukrainischen Gaskonzern Burisma, wo er in den Aufsichtsrat einzog.
Hunter Biden, ein Jurist, hatte im April 2014 den lukrativen Posten angetreten, nur einen Monat nach der Annexion der ukrainischen Krim durch Russland. Joe Biden, damals Vize von US-Präsident Barack Obama, war ein klarer Unterstützer der Ukraine – und Hunter Biden selbst hatte weder besondere Ukraine-Expertise noch Erfahrung im Gassektor vorzuweisen. Erst wenige Monate vorher war er wegen Kokainkonsums aus der Navy-Reserve entlassen worden, in die er ohne Militärausbildung gekommen war.
Auch sonst ist Hunter Biden eher für sein ausschweifendes Leben mit Drogen und wechselnden Partnerinnen bekannt. In den Klatschspalten landete er etwa, weil ihm seine Ex-Frau bei der Scheidung vorwarf, Geld in Stripclubs und für Kokain zu verschwenden. Als sein älterer Bruder Beau Biden 2015 starb, begann er eine Beziehung mit dessen Witwe, heiratete dann jedoch überraschend eine andere Frau.
Hunter Biden mit Frau, Joe Biden mit Jill Biden
Hunter Biden scheint den Namen seines in der Außenpolitik versierten Vaters Joe Biden gut genutzt zu haben, um an lukrative Beratungsverträge zu kommen.
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Aber nicht nur mit Hunter Biden und Inflation punkten die Republikaner derzeit in der Bevölkerung. Sie werfen den Demokraten und sogar dem US-Militär immer wieder vor, „woke“ zu sein, sich also mehr um die Rechte von LGBT-Menschen oder die Entfernung historischer Statuen zu kümmern als um die wirklich dringenden Probleme der Menschen. Das Thema illegale Einwanderung dient vor allem in Grenzstaaten wie Texas dem Stimmenfang.
Biden selbst hat innenpolitisch zuletzt nicht allzu viel vorweisen können. Er hat zwar im Herbst sein eine Billion Dollar schweres Infrastrukturpaket mit den Stimmen beider Parteien durchgesetzt. Aber seitdem fällt die Bilanz ernüchternd aus. Sein groß angelegter Build-Back-Better-Plan für ein sozialeres und klimafreundlicheres Amerika ist im Dezember an dem Veto des demokratischen Senators Joe Manchin gescheitert.
Seitdem versucht Biden, zumindest Teile davon zu retten und unter einem neuen Namen zu verkaufen. Manchin hat angedeutet, dass er bei den Preisen für Medikamente und den Klimamaßnahmen durchaus dafür stimmen würde.
Aber mindestens die gleiche Summe sollte zur Bekämpfung der Inflation und zur Senkung des Defizits genutzt werden. „Die Hälfte des Geldes sollten wir nutzen, um die Inflation zu bekämpfen und das Defizit zu reduzieren“, sagte er jüngst gegenüber Journalisten. „Für die andere Hälfte können wir ein Zehn-Jahres-Programm nehmen, das jetzt die höchste Priorität hat. Derzeit scheint das die Umwelt zu sein“, sagte er. Konkret liegt jedoch noch nichts auf dem Tisch.
Die Demokraten müssen sich beeilen, wenn sie ihre Mehrheit in beiden Häusern noch vor November nutzen wollen. Wenn die Umfragen sich bewahrheiten, werden sie nach den Zwischenwahlen keine Chance mehr dafür haben.
Wie reagiert Biden? Seitdem er von seinem Trip nach Europa zurückgekehrt ist, hat er den Krieg in der Ukraine zwar nicht aus dem Augen gelassen. Erst diese Woche hat er weitere Sanktionen gegen Russland erlassen – unter anderem gegen die erwachsenen Kinder von Wladimir Putin.
Aber er widmet sich wieder auffällig stark innenpolitischen Themen. Am Freitag nutzte er die starken Arbeitsmarktdaten, um seine wirtschaftliche Bilanz zu feiern. „In meiner Amtszeit hat unser Aufschwung mehr als 7,9 Millionen Jobs geschaffen. Amerikaner sind wieder zurück im Job“, erklärte er: „Rekord-Arbeitsplätze. Rekordsenkung der Arbeitslosigkeit. Rekord-Lohnzuwächse“.
Am Dienstag holte er sich mit dem ehemaligen Präsidenten Obama ein wenig Glanz aus anderen Zeiten ins Weiße Haus, um die Verlängerung der unter Obama eingeführten Krankenversicherung unter dem Affordable Care Act zu verkünden. Am gleichen Tag verlängerte er die Stundung der Rückzahlung der Studentenkredite bis Ende August.
Am Mittwoch sprach er vor der Bau-Gewerkschaft, einer Basis, die den Demokraten immer mehr abhandenkommt. Und im Abgeordnetenhaus hat am gleichen Tag der Energieausschuss sechs CEOs der Ölkonzerne vorgeladen, um sie über die jüngsten Preisanstiege zu befragen. Um außer Putin weitere Schuldige an dem hohen Benzinpreis auszumachen. Nur nicht die Demokraten.
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