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26.05.2023

07:43

USA

„Wir wollen nicht wie Deutschland enden“ – DeSantis’ holpriger Wahlkampfstart

Von: Annett Meiritz

PremiumDer Trump-Herausforderer Ron DeSantis hat mit Unterstützung von Elon Musk seine US-Präsidentschaftskampagne gestartet. Der Auftakt war von Pannen geprägt – und von Attacken gegen Europa. 

Der Gouverneur von Florida gilt als größte Konkurrenz für Donald Trump. via REUTERS

Ron DeSantis

Der Gouverneur von Florida gilt als größte Konkurrenz für Donald Trump.

Washington Der Wahlkampf des Mannes, der Präsident der Vereinigten Staaten werden will, begann mit einer Rückkopplung. Ein Fiepen, ein Schallgeräusch, dann kam lange nichts. Mehr als 500.000 Nutzer strömten am Mittwochabend auf die Audioplattform Twitter Spaces, um den Kampagnenstart des Republikaners Ron DeSantis zu verfolgen.

Es war der erste Auftritt des Gouverneurs von Florida, nachdem er seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft bekannt gegeben hatte. Für diese Premiere hatte er sich ein besonderes Format ausgesucht, einen Twitter-Livestream mit CEO Elon Musk

Die Plattform kollabierte, noch bevor die Sendung starten konnte. Nach der Diagnose Serverzusammenbruch ging es in einem anderen Twitter-Raum weiter, doch der Schaden war bereits angerichtet: „Stunde der Amateure“ und „Desaster“ titelte Fox News, größter US-Kabelsender. Als DeSantis noch am selben Abend bei Fox News zugeschaltet wurde, wurde er erst mal verspottet: „Also wir brechen nicht zusammen, auch nicht bei einem Millionenpublikum“, lästerte Moderator Trey Gowdy.

Wohl noch nie war der Start einer US-Präsidentschaftskampagne so chaotisch. Allerdings war das verpatzte Twitter-Experiment nur ein Ausschnitt von DeSantis’ Versuch, das Kandidatenfeld der Republikaner aufzumischen.

Ex-Präsident Donald Trump bewirbt sich erneut auf das höchste Amt und ist in Umfragen der Favorit seiner Partei. Nach jetzigem Stand hätte Trump deshalb wohl die besten Chancen, erneut zum Kandidaten der Republikaner nominiert zu werden. Dann würde er im November 2024 gegen Joe Biden antreten – wie schon bei den Wahlen 2020. DeSantis will dieses Szenario verhindern und selbst Kandidat werden.

Nach seinem Wahlkampfauftakt drängten sich zwei Fragen auf: Warum macht er, was er tut – und kann er damit erfolgreich sein?

US-Wahlen 2024

Wahlkampfstart auf Twitter: Holpriger Einstieg für DeSantis

US-Wahlen 2024: Wahlkampfstart auf Twitter: Holpriger Einstieg für DeSantis

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Das Gespräch mit Musk auf Twitter wirkte, als es schließlich begann, unstrukturiert. DeSantis hielt einen Monolog darüber, warum er Bücher über Transgender-Kinder und Jugendliche in Schulen für gefährlich hält. Als er fertig war, sagte Moderator David Sacks, ein republikanischer Großspender und Musk-Vertrauter: „That’s great.“ Irgendwann redeten alle Teilnehmer über Bitcoin. 

Die großen Themen Inflation, Steuern, Einwanderung oder Gesundheit kamen nur am Rande vor. Musk sagte: „Twitter war teuer, aber die Meinungsfreiheit ist unbezahlbar“, ansonsten ließ er kaum etwas von sich hören.

Außerhalb des Plauder-Spaces ging die Politik weiter: Vor genau einem Jahr waren in der texanischen Stadt Uvalde 19 Kinder bei einer Massenschießerei an einer Schule ums Leben gekommen. Und im Schuldenstreit drohte die Ratingagentur Fitch am Mittwoch damit, den USA die Topnote AAA zu entziehen. Beide Ereignisse spielten bei Musk und DeSantis keine Rolle. 

„Wir wollen nicht wie Deutschland enden“

Einen deutlich professionelleren Eindruck machte DeSantis bei Fox News. Hier zeigte der Präsidentschaftsbewerber eine entschlossene, angriffsfreudige Seite, die man bei Auftritten von ihm häufiger erlebt. „Joe Biden tut nichts, um dieses Land zu retten“, wütete DeSantis auf Fox News und versprach, er werde als Präsident die unvollendete Flüchtlingsmauer von Donald Trump fertig bauen.

Der Gouverneur sieht sich im „Krieg gegen den Wokismus“. AP

Proteste gegen Ron DeSantis in Miami, Florida.

Der Gouverneur sieht sich im „Krieg gegen den Wokismus“.

„Niemand hat das Recht, ohne Erlaubnis in unser Land zu kommen. Einwanderung muss unserem Land nützen, und wenn jemand das nicht leisten kann, kann er nicht herkommen“, so DeSantis. 

Der Frage, ob die USA die Ukraine finanziell unterstützen sollten, wich er aus. „Ich will eine Einigung, ich will Frieden. Ich will nicht, dass die USA irgendwann mit unseren Truppen in einen Krieg mit Russland oder der Ukraine verwickelt werden.“

Dass unter DeSantis weniger entspannte Zeiten für das transatlantische Verhältnis drohen, machte der Gouverneur deutlich: „Wir wollen Energie-Unabhängigkeit“, sagte der Republikaner und kritisierte Bidens Subventionen für Green Tech. „Wir wollen nicht wie Deutschland enden. Dort haben sie keine vernünftige Stromversorgung, und die Energiepreise klettern.“  

Noch scheint sich DeSantis nicht entscheiden zu können, ob er als Präsidentschaftsbewerber eher auf die amerikanischen Kulturkämpfe abzielen wird oder auf Wirtschaftsfragen oder beides. Sein roter Faden ist der, wie er es nennt, „Krieg gegen den Wokismus“. Linke Identitätspolitik bezeichnete DeSantis als „brennende Mülleimer des Wokismus“ und „Virus für das Gehirn“.

Der Begriff „woke“ steht im Englischen sinngemäß dafür, dass sich Menschen Vorurteilen wie Rassismus oder Sexismus bewusst sind. Im öffentlichen Diskurs wird „Wokismus“ inzwischen eher als Schimpfwort oder spöttisch benutzt. Linke und progressive Akteure, so Kritiker, würden es mit Bemühungen um Toleranz und Antidiskriminierung übertreiben und der gesamten Gesellschaft ihre Weltsicht aufzwingen.

Seinen Bundesstaat Florida hatte DeSantis zuletzt nach rechts gerückt. Kürzlich erließ DeSantis’ Regierung ein Abtreibungsverbot nach sechs Wochen Schwangerschaft, so weit geht bislang nur eine Handvoll Bundesstaaten. Auch ließ Florida geschlechtsangleichende Operationen für Menschen unter 18 Jahren verbieten und lockerte das Waffenrecht.

2022 ließ DeSantis in Grundschulen die Diskussion über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität verbieten und legte sich deshalb mit Disney an, als der Konzern das Gesetz kritisierte. Mittlerweile hat Disney den Gouverneur wegen mutmaßlicher Geschäftsschädigung verklagt. 

Der Twitter-CEO äußerte sich ebenfalls in dem Twitter-Space. AP

Elon Musk

Der Twitter-CEO äußerte sich ebenfalls in dem Twitter-Space.

Im Twitter-Space und auf Fox News bekam DeSantis viel Raum für seine Kritik an sozial verantwortlichen Investments, in der Geschäftssprache Umwelt-, Sozial- und Governance-Investitionen (ESG) genannt. 

All das sind Themen, mit denen DeSantis zwar viele US-Republikaner begeistern dürfte, aber auf die er als Präsident politisch wenig Einfluss haben würde. Im Gespräch mit Fox News räumte er ein: Der Fall Disney sei „sehr speziell“, als Präsident könne er wohl nicht gegen einzelne Unternehmen vorgehen. Ähnlich verhält es sich mit Bildung und Abtreibung, die Gesetze dazu liegen überwiegend in der Hand der US-Bundesstaaten. 

Späte Rache an den Corona-Schutzmaßnahmen

Kein anderes Thema ist DeSantis aber so wichtig wie die Aufarbeitung von Covid-19. Die Pandemie mag zwar vorbei sein, aber im US-Wahlkampf 2024 spielt sie eine Rolle – denn viele Republikaner, und auch Teile des demokratischen Lagers, sind im Rückblick von Maskenmandaten, Lockdowns und Impfpflichten frustriert.

DeSantis verknüpft seine Kritik an den Schutzmaßnahmen mit Attacken gegen politische Institutionen: Die Seuchenschutzbehörde CDC etwa müsse „gesäubert“ werden, forderte DeSantis im Twitter-Space, und Lockdowns seien nichts anderes als „Autoritarismus“. Diese Form von Anti-Eliten-Kritik kennt man von Trump, sie wird nun von DeSantis weitergeführt. 

Dennoch will sich der 44-Jährige als jüngere, gebildetere, verlässliche Alternative zu Trump etablieren – und zugleich einen Teil der republikanischen Basis anziehen, die an Trump zweifeln könnte. „Regieren ist kein Entertainment“, sagte DeSantis an Trump gerichtet. 

Weggefährten berichten, dass sich DeSantis nur mit einem kleinen Kreis von Beratern umgibt, allen voran mit seiner Frau Casey, einer früheren Fernsehmoderatorin und PR-Profi. Das Team, so heißt es in DeSantis’ Umfeld, sei nicht sehr erfahren mit der großen Bühne der Präsidentschaftswahlen, vieles werde noch improvisiert.

Am Ende eines durchwachsenen Abends versuchten DeSantis’ Leute, die technischen Pannen ins Positive zu drehen. „Er hat das Internet buchstäblich zum Beben gebracht“, teilte seine Kampagne mit. „Das Weiße Haus ist als Nächstes dran.“

Erstpublikation: 25.5.2023, 4.15 Uhr

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