Mit der Blockade des fertig verhandelten Gesetzes zu Verbrennungsmotoren hat die Bundesregierung in der EU für Irritationen gesorgt. Nach der Einigung will Lindner nun die KfZ-Steuer reformieren.
Verbrenner
Der Auspuff eines Autos mit Dieselmotor. Autos mit E-Fuels dürfen auch nach 2035 weiterfahren.
Bild: dpa
Berlin/Brüssel Nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor hat sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt. Danach können auch nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. „Damit eröffnen wir für die Bevölkerung wichtige Optionen in Richtung einer klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing am Samstag in Berlin. Die Autoindustrie begrüßte die Einigung, Klimaschützer und Ökonomen sprachen dagegen von einem „faulen Kompromiss“.
Europaparlament und EU-Staaten hatten sich eigentlich schon im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Deutschland bestand allerdings darauf, dass grundsätzlich alle Autos mit Verbrennungsmotoren einbezogen werden, die mit sogenannten E-Fuels betrieben werden. Das sind Kraftstoffe, die mit Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid erzeugt werden.
Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde von Deutschland zunächst verhindert. Seitdem verhandelten EU-Kommission und Bundesregierung über einen Kompromiss.
Nach der jetzt gefundenen Lösung sollen grundsätzlich alle mit E-Fuels betriebenen Autos zugelassen werden können. Für die Umsetzung wurden laut Wissing konkrete Verfahrensschritte und ein Zeitplan verbindlich fixiert. „Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist“, sagte er.
Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll nun kommenden Dienstag stattfinden. Neben Deutschland standen dem Vorhaben ursprünglich auch andere Länder wie Italien, Österreich und Polen kritisch gegenüber. Mit der deutschen Zustimmung gilt es aber als sehr wahrscheinlich, dass die notwendige Mehrheit erreicht wird.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will nun auch die Besteuerung von Kraftfahrzeugen reformieren. Autos, die mit E-Fuels betankt werden, sollten künftig geringer besteuert werden als die derzeit mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden.“ Das Finanzministerium werde dazu ein Konzept vorlegen.
>> Lesen Sie auch: Wissing und seine FDP senden mit ihrer E-Fuels-Extrawurst ein fatales Signal – ein Kommentar
„Es wird noch dauern, bis wir solche Fahrzeuge auf der Straße sehen und E-Fuels im Tank haben“, sagte Lindner. „Aber für die Menschen und die Wirtschaft wird es eine wichtige Planungsgröße sein, dass die E-Fuels günstiger besteuert werden als fossile Kraftstoffe.“
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte den Verbrenner-Kompromiss. „Man hätte hier nicht opponieren sollen, das hat in Europa hauptsächlich Vertrauen verspielt“, sagte die Energieökonomin dem Handelsblatt. Zudem könne am Ende die Hoffnung der Konsumenten und Konzerne, dass der Verbrenner doch nicht tot sei, noch Blüten treiben. „Die Menschen könnten weiter Verbrenner kaufen in der Hoffnung auf günstige E-Fuels“, erklärte sie. „Das könnte es der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben.“
Verkehrsminister Volker Wissing
Die EU und die Bundesregierung haben sich auf ein Verbrenner-Aus geeinigt. Deutschland wird Vertrauensbruch vorgeworfen.
Bild: IMAGO/Chris Emil Janßen
Ob mit E-Fuels betriebene Autos in der Praxis tatsächlich eine Chance haben, gilt außerdem noch als völlig offen. Grimm wies mit Blick auf die nun angestrebte Zulassung sogenannter „grüner Verbrenner“ nach 2035 auf die aufwendige und teure Herstellung von synthetischen Kraftstoffen auf Basis von Wasserstoff hin. „Szenarien, in denen E-Fuels eine günstige Alternative für die Mobilität darstellen, sind 2035 kaum vorstellbar, selbst wenn man optimistisch auf die Preisentwicklungen für Wasserstoff schaut“, sagte die Wissenschaftlerin.
„Wir brauchen ohnehin einen massiven Hochlauf von Wasserstoff und darauf basierenden Energieträgern, der noch nicht annähernd in Sicht ist“, sagte Grimm weiter. Der klimafreundliche Wasserstoff werde dann aber „in großen Mengen“ in der Industrie, in der Schwermobilität, dem Schiffsverkehr und im Stromsektor benötigt. „Eine attraktive Option für den Pkw wird es kaum geben, preislich nicht und auch die Mengenszenarien dürften das nicht hergeben“, betonte die Ökonomin.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nennt als Argument gegen solche Antriebe die hohen Kosten für die Herstellung der Kraftstoffe und die „gruselige Energiebilanz“ – bei der Herstellung wird extrem viel Strom verbraucht.
Zu den negativen Auswirkungen der Regelungen zählt Dudenhöfer, dass sie zur Verunsicherung der Industrie bei der Umstellung auf Elektromotoren führen könne. „Chinesen und US-Amerikaner werden durch die neuen Investitionsverunsicherungen den Abstand zur europäischen Industrie beim Elektroauto vergrößern“, sagt er.
Die Präsidentin des deutschen Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, reagierte dennoch positiv auf den Kompromiss. Zwar bleibe E-Mobilität die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. E-Fuels seien jedoch eine wichtige Erweiterung.
Von Greenpeace hingegen kam scharfe Kritik. „Dieser faule Kompromiss untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa“, sagte der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation, Benjamin Stephan, in Berlin. Die „dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität“ werde mit der Einigung verwässert. Stephan warf Bundeskanzler Olaf Scholz vor, die „rücksichtslose Erpressung der EU“ durch die FDP nicht gestoppt zu haben.
Das ungewöhnliche Blockade-Manöver Deutschlands in der EU geht vor allem auf die FDP-Minister Wissing und Christian Lindner zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ die beiden allerdings um des Koalitionsfriedens willen gewähren.
Die Grünen reagierten am Samstag erleichtert, dass nun endlich ein Kompromiss gefunden wurde. „Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke. „Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt.“
Es wird allerdings befürchtet, dass sich künftig auch andere EU-Mitglieder ein Beispiel an Deutschland nehmen und bei Streitfragen bereits gefundene Lösungen wieder aufschnüren könnten. Insofern ist noch nicht absehbar, welchen langfristigen Schaden der Streit in der Europäischen Union angerichtet hat.
Erstpublikation: 25.03.2023, 10:49 Uhr (zuletzt aktualisiert: 26.03.2023, 09:37 Uhr).
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)