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24.03.2020

17:40

Verschiebung wegen Corona

Zurück in die Zukunft: Olympische Spiele 2020 finden 2021 statt

Von: Martin Kölling, Michael Brächer, Diana Fröhlich

Lange haben sich Japan und das IOC gegen eine Verschiebung der Sommerspiele gewehrt, nun ist sie alternativlos. Das bringt logistische Probleme mit sich.

Coronavirus

Olympische Spiele in Tokio werden auf 2021 verschoben

Coronavirus: Olympische Spiele in Tokio werden auf 2021 verschoben

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Zürich, Tokio, Düsseldorf Am Ende kam die Verschiebung der Olympischen Spiele ganz schnell. Kaum hatte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe am Dienstag sein Ferngespräch mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), abgeschlossen, wendete er sich mit einer klaren Botschaft an die Reporter. Das IOC stimme „zu 100 Prozent“ damit überein, das größte Sportfest der Welt wegen der globalen Coronakrise um maximal ein Jahr auf den Sommer 2021 zu vertagen.

Für die Olympischen Spiele geht es damit zurück in die Zukunft: Sie sollen weiter „Tokyo 2020“ heißen, aber erst im Jahr 2021 stattfinden. Die Verschiebung der Spiele bedeutet für das Gastgeberland Japan und das IOC zwar einen wirtschaftlichen Schlag, doch angesichts der rapiden Ausbreitung des Coronavirus und des wachsenden Drucks von Athleten und Sportverbänden führte an dem Schritt kein Weg mehr vorbei.

Dabei hatte IOC-Präsident Thomas Bach bis zuletzt dafür gekämpft, dass die Spiele trotz Corona wie geplant stattfinden – und dafür scharfe Kritik geerntet. Während Großevents wie Formel-1-Rennen oder die Fußball-EM verschoben wurden, hielt Bach an den Olympiaplänen fest. „Wir arbeiten mit vollem Engagement auf den Erfolg dieser Spiele mit der Eröffnungsfeier am 24. Juli hin“, sagte er noch vor wenigen Wochen.

Doch zu diesem Zeitpunkt waren längst diverse nationale Vorentscheidungen wegen des Coronavirus abgesagt worden. Auch immer mehr Sportler und Verbände forderten eine Verschiebung. Es sei „unverantwortlich und gefühllos“, an den Plänen für 2020 festzuhalten, sagte etwa die kanadische Eishockey- und Softballspielern Hayley Wickenheiser, die selbst im Olympischen Komitee sitzt. Als dann auch noch Kanada und Australien entschieden, in diesem Sommer erst gar keine Athleten zu den Spielen zu schicken, galt die Verschiebung als so gut wie ausgemacht.

Schwierige Terminsuche

Jetzt ist sie amtlich, auch wenn der genaue Ersatztermin noch nicht feststeht. Schließlich kämen 11.000 Athleten aus 206 Ländern zusammen, erklärte IOC-Chef Bach. Dazu die Fans, die Sponsoren, die Verbände und so weiter. „Es gibt so viele Puzzlestücke. Das braucht Zeit“, so der IOC-Chef.

Das IOC muss nun Fernsehrechte und den globalen Sportkalender neu aushandeln, die Gastgeber müssen Sportstätten und Hotels neu organisieren. Ein besonderes Problem ist das olympische Athletendorf, das in Eigentums- und Mietwohnungen umgewandelt werden soll. Viele Wohnungen sind bereits verkauft worden. Nun würde sich der Einzug der Besitzer um ein Jahr verschieben.

Der traditionelle Fackellauf hat Japan bereits erreicht, die Spiele werden nun jedoch verschoben. dpa

Olympisches Feuer

Der traditionelle Fackellauf hat Japan bereits erreicht, die Spiele werden nun jedoch verschoben.

Doch die Märkte dürften sich über die Verschiebung freuen, meint Daisuke Karama, Chef-Marktökonom der japanischen Großbank Mizuho. Er mache sich zwar Sorgen, dass der genaue Zeitpunkt der Spiele noch vage sei. „Aber damit wird für die Finanzmärkte vorerst eine Unsicherheit aus dem Weg geräumt.“

Die meisten Investitionen hat Japan ohnehin längst getätigt. Das offizielle Budget für die Spiele lag bei umgerechnet rund 11,4 Milliarden Euro. Ein Bericht des Rechnungshofs von 2019 lässt allerdings eher auf eine Summe jenseits der 20 Milliarden Euro schließen. Bei einer ersatzlosen Streichung der Spiele hätten die Investitionen gar keinen Werbeeffekt entfaltet.

Nun meint Hiroshi Ugai, der Volkswirt von JP Morgan Japan, dass der Einfluss auf das Wachstum „nicht signifikant ist, weil viele Ausgaben schon getätigt worden sind“. Er geht davon aus, dass der Volkswirtschaft durch die Verschiebung 1,1 Billionen Yen (9,2 Milliarden Euro) entgehen könnten. Das entspricht 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Er senkte daher seine Wachstumsprognose für 2020 auf minus 1,5 Prozent und erhöhte sie für 2021 dementsprechend auf 1,5 Prozent.

Erleichterung in der Sportwelt

Auch für Martin Schulz, Volkswirt am Fujitsu Research Institute, geht der ausbleibende Geldsegen in der Coronakrise unter. Er rechnet mit Einbußen von 0,1 bis maximal 0,2 Prozent des BIP, vor allem durch das Ausbleiben der eingeplanten 600.000 Olympia-Besucher. Doch schon jetzt fehlen dem Land wegen der globalen Reisebeschränkungen pro Monat drei Millionen Touristen. „Der größere Schaden ist psychologisch“, sagt Schulz.

Die Regierung wollte mit den Olympischen Spielen nach 30 Jahren Stagnation den Startschuss für eine neue Ära der Innovation geben. „Dieser Optimismus bleibt nun aus.“ Dafür hoffen viele Japaner, dass die Menschheit in Tokio den Sieg über das Coronavirus feiern wird.

Grafik

In der Sportwelt wurde die Verschiebung an diesem Dienstag mit großer Erleichterung aufgenommen. Sie sei ein „richtiger und enorm wichtiger Schritt für den internationalen Sport und die gesamte Weltgemeinschaft“, heißt es etwa beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Das hilft vor allem den Athleten, indem es den Trainings- und Qualifikationsdruck in dieser schwierigen Phase nimmt.“

Der DOSB hatte schon vor der Entscheidung des IOC für eine Verschiebung um ein Jahr plädiert. Auch viele Athleten zeigten sich erleichtert: Die Verschiebung sei unter den gegebenen Umständen das beste Szenario, twitterte etwa die kanadische Eishockeyspielerin Wickenheiser. „Macht eine Pause, kümmert euch um euch und eure Familien“, riet sie den Sportlern. „Eure Zeit wird kommen.“

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