Deutschland will offenbar nur Leopard-Panzer liefern, wenn die USA ihrerseits Kampfpanzer in die Ukraine schicken. Die US-Regierung reagiert abwartend, hält sich aber Optionen offen.
Leopard-2-Panzer
An diesem Freitag beraten die westlichen Alliierten der Ukraine im rheinland-pfälzischen Ramstein über weitere Lieferungen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet ein Signal, dass es „mehr schwerere Waffen und mehr moderne Waffen“ für die Ukraine gibt.
Bild: dpa
Washington Die USA lehnen derzeit die Lieferung von US-Kampfpanzern an die Ukraine ab, auch wenn die deutsche Bundesregierung einen europäischen Alleingang vermeiden will. US-Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl sagte am Mittwoch in Washington, der gängige amerikanische Panzer M1 Abrams sei ein „sehr kompliziertes“ Rüstungsgut. Er sei teuer, erfordere eine schwierige Ausbildung und verbrauche mit seinem Turbinenantrieb sehr viel Treibstoff. „Es ist in der Wartung nicht das einfachste System.“
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wolle den Ukrainern keine Waffen liefern, „die sie nicht reparieren können, die sie nicht unterhalten können und die sie sich langfristig nicht leisten können, weil das nicht hilfreich ist“, sagte Kahl weiter. Es gehe nicht darum, was „symbolisch wertvoll ist, sondern darum, was der Ukraine auf dem Schlachtfeld wirklich hilft“.
Zugleich schloss Kahl nicht völlig aus, dass Washington der Ukraine in Zukunft Abrams-Panzer liefern könnte. Die USA seien „noch nicht so weit“, sagte er.
Zuletzt hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe im Gespräch mit US-Präsident Joe Biden mögliche deutsche Panzerlieferungen an eine Bedingung geknüpft. So habe der Bundeskanzler in einem Telefonat mit Biden am Dienstag gesagt, Deutschland würde nur Leopard-Panzer liefern, wenn die USA ihrerseits Kampfpanzer vom Typ Abrams bereitstellten. US-Medien wie das „Wall Street Journal“ bestätigten die Informationen.
Doch die Zeichen mehren sich, dass die USA diesen Schritt für den Moment nicht gehen wollen. Biden-Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte am Mittwoch, jedes Land müsse bei Rüstungslieferungen an die Ukraine seine „eigenen souveränen Entscheidungen“ treffen. Ähnlich äußerte sich US-Außenminister Antony Blinken.
Am Freitag, so berichteten der Fernsehsender CNN und die Zeitung „Politico“ übereinstimmend, werde die US-Regierung ein neues, 2,5 Milliarden Dollar schweres Waffenpaket für die Ukraine ankündigen. Die Tranche beinhalte zusätzliche Artillerie, Munition und gepanzerte Stryker-Kampffahrzeuge. Jedoch seien keine taktischen Langstrecken-Raketensysteme oder Panzer vorgesehen. Auf beides drängt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski.
In der US-Regierung, so „Politico“, sehe man deutsche Leopard-Panzer als am sinnvollsten für den Einsatz in der Ukraine an, da sie pflegeleichter als Abrams-Panzer seien. Als Vorteil wird gesehen, dass eine Reihe europäischer Länder das Gerät bereits besitzt und die Panzer deshalb schneller zur Verfügung gestellt werden könnten.
Die Erwartung in Washington sei, dass die Bundesregierung zumindest anderen Ländern die Weitergabe der in Deutschland produzierten Leopard-Panzer erlaube. „Der Verteidigungsminister wird die Deutschen dazu drängen“, zitierte das Magazin einen hochrangigen US-Beamten aus dem Pentagon.
Verteidigungsminister Austin kommt am Donnerstag zu einem Gespräch mit dem neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Berlin zusammen. Austin twitterte am Mittwochabend nach seiner Landung in Deutschland, er werde auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt treffen. Am Freitag steht dann ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz an. Dabei dürfte die Lieferung westlicher Kampfpanzer eine große Rolle spielen.
>> Lesen Sie auch unseren Kommentar: Scholz kann die Lieferung von Kampfpanzern verzögern, verhindern kann er sie nicht mehr
Russland war vor fast elf Monaten in die Ukraine einmarschiert. In Kiew fürchtet man eine Winteroffensive Moskaus, in der Russland die ukrainische Hauptstadt einzunehmen drohe.
Scholz hat sich bisher gegen die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ausgesprochen. Als Argument nannte er, dass es keinen deutschen Alleingang geben dürfe. Inzwischen haben allerdings Polen und weitere EU- und Nato-Staaten signalisiert, eigene Leopard-Panzer entsenden zu wollen. Das dürften sie aber nur mit Genehmigung des Herstellerlandes Deutschland.
Der Export von modernen, im Westen hergestellten Panzern wäre eine signifikante Kursänderung. Für die Biden-Regierung ist jede neue militärische Lieferung ein heikler Balanceakt. So wollen die USA zum Beispiel keine Waffen mit größerer Reichweite, die Ziele tief in Russland erreichen könnten, in die Ukraine schicken. Denn das könnte die USA und ihre Verbündeten in einen direkten Konflikt mit Wladimir Putin reißen. „Das würde die Nato zersprengen“, so drückte es Biden aus, als er sich vor Weihnachten mit Selenski traf.
John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, befürwortete am Mittwoch den Einsatz von Panzern in der Ukraine. „Wir glauben, dass die Bereitstellung moderner Panzer die Fähigkeit der Ukrainer erheblich unterstützen und verbessern wird, in Zukunft effektiver zu kämpfen“, sagte er. Dabei bezog er sich aber explizit auf europäische Panzer.
Seit Ausbruch des Kriegs haben die USA über 100 Milliarden US-Dollar an Hilfen für die Ukraine genehmigt, darunter für Kampffahrzeuge, Militärtrucks, minenresistente Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem Patriot. Teile der US-Republikaner, die seit Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus halten, drohen mit einer Blockade weiterer Ukrainegelder.
Allerdings gibt es auch genügend Republikaner, denen die aktuellen Ukrainehilfen nicht weit genug gehen: „Die Regierungen von Biden und Scholz sollten dem Beispiel unserer britischen und osteuropäischen Verbündeten folgen“, schrieben die Republikaner Mike McCaul und Mike Rogers am Mittwoch. Sie sitzen dem Außen- und dem Verteidigungsausschuss im Repräsentantenhaus vor.
Leopard-2-Panzer und andere „Langstrecken-Präzisionsmunition“ müssten „unverzüglich genehmigt werden“, forderten sie. Beide Republikaner verglichen das Zögern in der Panzerfrage mit dem Scheitern des Westens, rechtzeitig vor Putins Invasion die umstrittene deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen.
Mit Agenturmaterial
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (6)