Der serbische Präsident wird weitere fünf Jahre im Amt sein. Für Brüssel ist das ein Problem: Aleksandar Vucic sucht die Nähe von autoritären Herrschern und Rechtspopulisten.
Aleksandar Vucic
Beitritts- und Wackelkandidat.
Bild: action press
Brüssel Es ist nichts, was Brüssel überrascht. Und dennoch bereitet es den Spitzen der Europäischen Union Sorgen: der Ausgang der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in Serbien. Dabei ging Präsident Aleksandar Vucic erneut als klarer Sieger hervor und wird nun weitere fünf Jahre an der Spitze des Westbalkanstaats stehen. Er erhielt rund 60 Prozent der Stimmen, wie aus einer fast vollständigen Auszählung der staatlichen Wahlbehörden hervorging. Eine Stichwahl ist damit nicht nötig.
Seine Partei, die Serbische Fortschrittspartei, erzielte 43 Prozent der Stimmen, verfehlte also die absolute Mehrheit. Sie ist somit auf einen Koalitionspartner angewiesen. Es wird die Sozialistische Partei Serbiens sein, die wie Vucics Partei ebenfalls nationalistisch ausgerichtet ist.
Vucic ist russland- und chinafreundlich und macht zusätzlich gerne Stimmung gegen die EU, obwohl er sich offiziell als proeuropäisch gibt.
Für Brüssel ist das in vielerlei Hinsicht ein Problem. Mit der Hilfe Russlands destabilisiert Serbien gezielt sein Nachbarland Bosnien-Herzegowina, den fragilsten Staat des ehemaligen Jugoslawien. Den europäischen Sanktionen gegen Russland aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine wollte sich Belgrad nicht anschließen. Zudem lehnt das Land die Nato ab und sucht stattdessen lieber die militärische Kooperation mit Russland.
Des Weiteren pflegt der serbische Präsident intensive Kontakte mit Peking. Vucic sprach zu Beginn der Coronapandemie offiziell von einer „immerwährenden serbisch-chinesischen Freundschaft“, wohingegen man sich auf die EU nicht verlassen könne.
Kritiker sagen Vucic einen autokratischen Führungsstil nach. Er höhle die Pressefreiheit aus, kontrolliere den Umfang der Berichterstattung über ihn. Oppositionsparteien haben keinen Zugang zu den reichweitenstarken Fernsehsendern.
Außerdem mache er keine Anstalten, die mangelnde Rechtsstaatlichkeit seines Landes anzugehen. In Bezug auf die Wahl gab es Vorwürfe von Manipulation, wie zum Beispiel Einschüchterungsversuchen.
Das ist besonders pikant, da Serbien ein EU-Beitrittskandidat ist. Vor einigen Jahren hatte es von dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in Aussicht gestellt bekommen, Mitte der Zwanzigerjahre EU-Mitglied werden zu können.
Seit Jahren geht es mit der serbischen EU-Integration aber nicht mehr voran, denn entscheidende Reformen blieben aus – wohl aufgrund des Unwillens Vucics.
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In den jährlichen Fortschrittsberichten sendete die Kommissionen zwar immer wieder Mahnungen in Richtung Belgrad, ansonsten wird über die Zustände in Serbien jedoch weitgehend geschwiegen. Denn von sich wegstoßen möchte man Serbien auch nicht: Ein europäisch orientiertes Serbien ist im strategischen Sicherheitsinteresse.
Dies wissen auch andere Mächte und versuchen ihr Bestes, Serbien an sich zu binden und dem europäischen Einfluss zu entziehen. China investiert zielgerichtet in strategische Infrastruktur und Schlüsselindustrien, sodass das Land beispielsweise mittlerweile die Kontrolle über die serbische Stahlindustrie hat. Für Peking auch ein langfristiges Kalkül: Sollte Serbien EU-Mitglied werden, bedeutet dies auch für China mehr Einfluss in Brüssel.
Es gibt massive, von Russland gesteuerte, Fake-News-Kampagnen gegen die EU, sodass die Mehrheit der Serben der Meinung ist, ein Großteil der Wirtschaftshilfen würden aus Russland kommen. Dabei stehen EU-Gelder für mehr als drei Viertel der ausländischen Investitionsvolumina, der russische Anteil ist dagegen sehr gering. Generell ist, seitdem Vucic regiert, die EU-Skepsis in Serbien so deutlich gestiegen wie in keinem anderen Balkanland.
„Jeder in Brüssel weiß, dass Serbien so kein EU-Mitglied werden kann, aber offiziell sagen will es keiner“, lautet die Einschätzung eines Brüsseler Experten für Erweiterungspolitik.
Ähnlich wie bei der Türkei setze man wohl auf die Strategie des „Tür-offen-Haltens“. Die Beitrittsverhandlungen mit Ankara sind de facto eingefroren, offiziell abbrechen möchte man sie jedoch nicht, um nicht eine vollständige Abkehr des Landes von Europa zu provozieren.
Dennoch gibt es für die Europäer einen kleinen Hoffnungsschimmer bei den Parlamentswahlen: Erstmals gibt es in der Volksvertretung wieder eine richtige Opposition. Die Mehrheit der Oppositionsparteien hatte die vorherige Wahl aus Protest gegen Vucics autokratisches Verhalten boykottiert, sodass das Parlament für den serbischen Präsidenten zu einer reinen Abnick-Institution wurde.
Nun erzielte das Oppositionsbündnis „Vereint für den Sieg Serbiens“, bestehend aus linken bis rechtskonservativen Parteien, 13 Prozent der Stimmen. Zum ersten Mal ist außerdem mit „Morao“ auch eine grüne Partei im Parlament vertreten.
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