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21.07.2022

10:47

Wettbewerb der Systeme

„Neue Achse des Bösen“ – Israel warnt vor Russland, Iran und Nordkorea

Von: Pierre Heumann

Kremlchef Putin sucht demonstrativ die Nähe zum Iran. Israel befürchtet nun eine neue Blockbildung im Mittleren Osten. Droht eine Konfrontation?

Wladimir Putin und Ebrahim Raisi via REUTERS

Staatschefs Putin, Raisi in Teheran

Experten sehen eine Zweiteilung des Nahen Ostens.

Tel Aviv Wladimir Putins Reise wirkt nach: Dienstagabend hatte sich Russlands Präsident in Teheran mit seinen Kollegen aus dem Iran und der Türkei getroffen – jetzt wird der Gipfel in Israel intensiv analysiert. Russlands demonstrative Freundlichkeit gegenüber dem Iran sei eine Warnung an alle US-Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten, hieß es allenthalben.

Die Zweiteilung des Mittleren Ostens werde damit zementiert, argumentiert etwa die russische Wissenschaftlerin Ksenia Svetlova, die an der Hebräischen Universität von Jerusalem regionale Außenpolitik lehrt. Es gebe jetzt „eine Achse USA-Israel-Saudi-Arabien und eine Achse Russland-Iran-Belarus-Nordkorea“. Letztere bezeichnet sie als „die neue Achse des Bösen“. Ihre künftige Dynamik werde Israel bedrohen, befürchtet Svetlova.

Der Dreiergipfel wird von Svetlova auch als klare Kampfansage an Joe Biden verstanden. Von Jerusalem und Dschiddah aus hatte der US-Präsident Israel und die arabischen Länder in der letzten Woche aufgefordert, sich gegen den zunehmenden russischen, chinesischen und iranischen Einfluss zu wehren.

Israel und die USA treibt vor allem die drohende atomare Bewaffnung des Iran um. Die USA würden in letzter Instanz nicht davor zurückschrecken, Gewalt anzuwenden, um einer nuklearen Bedrohung durch den Iran zu entgehen, hatte der US-Präsident gesagt.

Die USA setzen für ein Vorgehen gegen den Iran auf einen geeinten Nahen Osten und eine engere Zusammenarbeit zwischen Israel und den arabischen Nachbarn. Frühere Rivalen hätten diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen, betonte Biden – ein Verweis auf die Annäherung mehrerer arabischer Staaten an Israel unter den sogenannten Abraham-Abkommen. Saudi-Arabien erkennt Israel weiter nicht an, kündigte jüngst aber die Öffnung des Luftraums für Flüge von und nach Israel an.

Die diplomatischen Bemühungen der USA im Nahen Osten stoßen in Teheran auf Proteste. dpa

Iraner verbrennen Flaggen Israels und der USA

Die diplomatischen Bemühungen der USA im Nahen Osten stoßen in Teheran auf Proteste.

Ein Kernthema von Bidens Präsidentschaft ist der Wettbewerb der Systeme, er ist überzeugt, dass Demokratien autoritären Regimen überlegen sind. In Israel wurde vor allem dieses Statement Bidens mit Wohlwollen aufgenommen: „Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das Russland oder China füllen können.“

Politologin Svetlova bewertet Putins Reise nach Teheran als Antwort auf diese neue Nahost-Diplomatie Bidens. Putin habe dem US-Präsidenten zeigen wollen, dass er nicht isoliert sei und an einem machtpolitischen Gegengewicht zu dieser möglichen neuen Allianz arbeite.

Auch die Atommacht Nordkorea hatte kürzlich auf die verstärkten diplomatischen Initiativen der USA in der Region reagiert. Man werde die eigene militärischen Schlagkraft erhöhen, hieß es in Pjöngjang.

In Israel stießen aber auch die wirtschaftlichen Themen des Teheraner Dreigipfels auf Interesse. Konkret: der milliardenschwere Gasdeal zwischen Russland und dem Iran, der schon vor Beginn des Gipfels angekündigt worden war. Damit solle betont werden, dass die iranisch-russische Zusammenarbeit im Energiebereich besser funktioniere als jene zwischen den Saudis und den USA, glaubt der Iran-Experte Maciej Wojtal.

Russland ist wirtschaftlich zu schwach, um Iran zu stabilisieren

Der Chef der Investmentfirma Amtelon Capital weist allerdings darauf hin, dass es sich lediglich um eine Absichtserklärung handelt. Bereits vor vier Jahren habe Moskau in Aussicht gestellt, sich intensiv in der iranischen Gas-Industrie zu engagieren. „Aber nichts dergleichen geschah“, so Wojtal. Putin wolle vor allem kundtun, dass er im Iran investiere, während sich alle anderen zurückhielten.

Wojtal wertet die Ankündigung deshalb vor allem als „politisches Statement“. Putin könne den Iran ohnehin wirtschaftlich kaum unterstützen, da beide Länder ähnliche Produkte herstellten und faktisch Konkurrenten seien.

Der US-Präsident hört Mohammed bin Salman während des Golf-Kooperationsrates zu. Der saudische Prinz ist per Video zugeschaltet. dpa

Biden in Saudi-Arabien

Der US-Präsident hört Mohammed bin Salman während des Golf-Kooperationsrates zu. Der saudische Prinz ist per Video zugeschaltet.

Der bilaterale Handel belaufe sich derzeit auf jährlich zwei Milliarden Dollar, zwei Prozent des gesamten iranischen Außenhandels. Im Januar hatte Irans Präsident Raisi von einer Verfünffachung gesprochen. Nützlich könne der Iran für Russland allerdings als Drehscheibe zur Umgehung von Sanktionen sein. „Russland benutzt die iranische Infrastruktur, um in Ländern wie Pakistan oder Indien zu verkaufen“, sagt Wojtal.

Militärisch gebe es zwischen Russland und dem Iran ebenfalls kaum Kooperationsmöglichkeiten, sagt der israelische Nahostanalyst Ehud Yaari. Zwar möchte Putin im Iran Drohnen kaufen, und Teheran träumt davon, mit russischer Technik seine Kampfjets und Panzer auszurüsten. Doch das sei unrealistisch, sagt Yaari.

Moskau brauche seine Rüstungsindustrie für den Krieg in der Ukraine. Und Teheran sei nicht in der Lage, genügend Drohnen zu liefern, da die Ajatollahs dazu in Fabriken investieren müssten. Vor allem aber: Iranische Drohnen fliegen mit Motoren aus Europa, die wegen der Sanktionen nicht zu beschaffen sind.

Israel gilt als Weltmarktführer für Drohnentechnologie. Seit mehr als zehn Jahren nutzt Israel Drohnen etwa, um Ziele im Gazastreifen anzugreifen.

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