Wie kam es zur Pandemie? Hat China etwas zu verheimlichen? Fragen und Antworten zu dem WHO-China-Bericht über den Ursprung des Corona-Erregers.
Peter Ben Embarek
Embarek, Mitglied des WHO-Teams, erläutert mögliche Übertragungswege des Coronavirus.
Bild: AP
Genf Vom 14. Januar bis zum 10. Februar 2021 befanden sich internationale Gesundheitsexperten auf einer Untersuchungsmission in China. Das Team aus Virologen, Immunologen, Zoologen und anderen Spezialisten fahndete mit chinesischen Kollegen in Wuhan nach dem Ursprung des Corona-Erregers (Sars-CoV-2). Den Auftrag erteilten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und China. Nach etlichen Verzögerungen veröffentlichten die Spezialisten die „gemeinsame WHO-China Studie“. Die USA und andere Länder bezweifeln die Unabhängigkeit des Projekts. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Der gemeinsame Bericht der Weltgesundheitsorganisation und Chinas nennt als „wahrscheinliche bis sehr wahrscheinliche“ Ursprungsvariante eine Übertragungskette von Tieren wie Fledermäusen über andere Tiere zum Menschen. Als weniger wahrscheinlich erachten die Experten eine direkte Übertragung vom Tier auf den Menschen ohne Zwischenwirt oder einen Transport des Erregers in tiefgekühlter Kost.
Die These, nach der das Virus aus einem Labor stammt, verwerfen sie als „extrem unwahrscheinlich“. Die Labortheorie, nach der das Virus durch einen Unfall oder absichtlich aus einem Labor entweichen konnte, hatte lange Zeit große Unterstützung erfahren. Auch Mitglieder der Regierung des Ex-US-Präsidenten Donald Trump verbreiteten diese Ansicht.
Nein. Der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, betonte nach der Lektüre des Berichts, dass „alle Hypothesen“ über den Ursprung des Corona-Erregers noch auf dem Tisch lägen. „Weitere Untersuchungen sind erforderlich, möglicherweise durch zusätzliche Missionen mit Spezialisten. Ich bin bereit, sie zu schicken.“
Das Spezialistenteam will weiter nach dem Ursprung des Erregers suchen und möglicherweise noch einmal nach Wuhan und anderen Orten in China aufbrechen. „Wir haben erst an der Oberfläche gekratzt“, erklärte Teamleiter Peter Ben Embarek. WHO-Generaldirektor Tedros hob hervor, dass die Ermittlungen noch einige Zeit in Anspruch nehmen könnten. „Wir schulden es der Welt, dass wir den Ursprung finden. Dann können wir gemeinsam Schritte einleiten, um das Risiko einer Wiederholung zu senken.“
Dem Team gehören international renommierte Experten für Virologie, Epidemiologie, Immunologie sowie andere Bereiche an, aus Deutschland kommt Fabian Leendertz, Veterinärmediziner und Experte für Zoonosen beim Robert Koch-Institut. Daneben stellte aber auch China Fachleute bereit, die mitarbeiteten. Die Unabhängigkeit der chinesischen Spezialisten wird von westlichen Regierungen angezweifelt.
Warum fordern die USA, Japan, Australien, Großbritannien und zehn andere Länder jetzt eine weitere Untersuchung?
Die 14 Länder bezweifeln, dass China an einer unabhängigen, transparenten und gründlichen Aufklärung interessiert ist. Sie betonen, dass die Veröffentlichung der Studie „signifikant“ verschoben wurde. Zudem hätten die Spezialisten bei ihrer Erkundung in China keinen Zugang zu wichtigen Informationen gehabt. US-Außenminister Antony Blinken sagte laut Nachrichtenagentur AP sogar über den Bericht, dass die „Regierung in Peking offenbar half, ihn zu schreiben“. Die 14 Länder verlangen eine weitere Untersuchung; diese müsse „frei von Einmischungen und unzulässiger Einflussnahme“ sein.
Die Bundesregierung verweist auf eine Erklärung der EU, die in eine ähnliche Richtung geht, aber weniger scharf formuliert ist. Es gab unter den EU-Staaten eine Diskussion über ein abgestimmtes Vorgehen mit den USA. Am Ende entschieden sich die meisten Mitgliedstaaten allerdings dafür, es bei der EU-Erklärung zu belassen.
Ein Grund dafür ist, dass die Europäer die Eigenständigkeit ihrer Chinapolitik unterstreichen wollen. In der Sache gibt es mit den Amerikanern aber keinen Dissens. Auch Brüssel und Berlin fordern, dass die Herkunft des Virus allein auf wissenschaftlicher Grundlage und frei von politischer Einmischung untersucht wird. Dazu ist China bisher nicht bereit.
Ja. Die Weltgesundheitsversammlung der WHO-Mitglieder hatte im Mai 2020 die Einsetzung der Untersuchungskommission beschlossen. Die endgültige Zustimmung gab das Reich der Mitte erst nach monatelangem Feilschen mit der WHO. Dann versuchten Chinas Behörden, die Einreise zu verzögern. Die Hinhaltetaktik verärgerte sogar den WHO-Generaldirektor Tedros, jenen Tedros also, der sonst China ungerne kritisiert.
Während ihres Aufenthalts in China vom 14. Januar bis zum 10. Februar wurden die internationalen Spezialisten überwacht. Die Spannungen zwischen Chinesen und den Gästen entluden sich, so heißt es, in lautstarken Wortgefechten. Der Leiter des Teams, Peter Ben Embarek, räumt ein: „Wir hatten nicht vollen Zugang zu den Rohdaten, wie wir wollten.“ Auch beklagt er sich über politischen Druck, der aber nicht nur aus China gekommen sei.
Das Außenministerium in Peking weist alle Vorwürfe zurück und behauptet, China habe eine verantwortungsvolle Einstellung gezeigt. Eine „Politisierung“ behindere die Kooperation und fordere weitere Menschenleben.
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