Heinrich Oberreuter glaubt nicht, dass der Druck der SPD-Spitze Altkanzler Schröder in der Russlandfrage zum Einlenken bringen wird. Einen Parteiausschluss hält er für „Augenblickssymbolik“.
Gerhard Schröder und Wladimir Putin
Seit seiner Kanzlerschaft (1998 bis 2005) ist Gerhard Schröder (l.) eng mit Wladimir Putin befreundet.
Bild: dpa
Berlin Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter rechnet nicht damit, dass der frühere Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder der Forderung der SPD nachkommt, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen aufzugeben. „Die Erklärung liegt in Selbstverliebtheit, daraus folgender Sturheit und Einsichtsunfähigkeit“, sagte Oberreuter dem Handelsblatt.
Nach der SPD-Spitze hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Vor-Vorgänger dazu aufgefordert, seine Posten zu räumen. Die Heidelberger Sozialdemokraten beantragten Schröders Parteiausschluss. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundes- und Vorsitzende der Saar-SPD, Anke Rehlinger, schrieb auf Twitter: „Bleibt Schröder auf Putins Gehaltsliste, kann er nicht in der SPD bleiben. Punkt.“
Oberreuter attestierte Schröder Politikunfähigkeit, weil er „seine persönlichen Interessen und Maßstäbe über alles stellt“. Gleichwohl hält er von einem möglichen Parteiausschluss wenig. „Ein Ausschluss würde nichts daran ändern, dass historisch Partei und Person miteinander verwoben bleiben“, sagte er. „Ein Parteiausschluss wäre eine Art Augenblickssymbolik.“
Herr Oberreuter, wie ist diese bisher so unverbrüchliche Treue Schröders zu russischen Staatsunternehmen und zum russischen Präsidenten Putin zu erklären?
Die Erklärung liegt in Selbstverliebtheit, daraus folgender Sturheit und Einsichtsunfähigkeit.
Beobachten wir gerade den Abstieg eines Staatsmannes a. D. – auch mit Blick auf das politische Vermächtnis des Altkanzlers?
Das politische Vermächtnis ist ohnehin differenziert. Wo es respektabel ist, nämlich bei der Sanierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt, hatte er seine Partei nicht hinter sich. Den Einstieg in den Irakkrieg musste er eigentlich nicht verweigern, weil ihn damals niemand verlangte. Aber im Wahlkampf wurde das zu einer nützlichen Chimäre. Die Priorität finanzieller Eigeninteressen vor nüchterner politischer Urteilsbildung entzieht dem Staatsmann Schröder die Basis. Fragt sich aber, ob Schröder je wirklich einer sein wollte von seinem egozentrischen Ausgangspunkt aus.
Sie sagten es: Zum Irak-Krieg hatte Schröder einst eine klar ablehnende Haltung. Den Krieg in der Ukraine kritisiert er nun zwar, aber ohne von einer Invasion zu sprechen oder Putin direkt zum Stopp der Aggression aufzufordern. Warum findet der Altkanzler hier keine klareren Worte?
Klare Worte findet er nicht aufgrund seiner persönlichen Verflechtungen. Im Grunde ist politikunfähig, wer seine persönlichen Interessen und Maßstäbe über alles stellt.
Heinrich Oberreuter
Oberreuter attestierte Schröder Politikunfähigkeit, weil er „seine persönlichen Interessen und Maßstäbe über alles stellt“.
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Nun wenden Freunde und Partner sich reihenweise von Schröder ab. Wird ihn das beeindrucken?
Wer die meisten anderen für nicht ebenbürtig hält, wird nicht sehr beeindruckt sein, wenn sie sich von ihm abwenden.
Wie würden Sie Schröder charakterisieren? Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) schreibt über ihn: „Er war bei manchen beliebt und von vielen respektiert, aber immer wieder umstritten - auch weil er es gerne mal darauf anlegte.“
Das Urteil der SZ ist milde. Der Hinweis auf das Spiel mit Provokationen trifft zu.
Glauben Sie, dass es der SPD gelingt, Gerhard Schröder hinter sich zu lassen? Die ersten Genossen haben schon Parteiausschlussverfahren angestoßen.
Warum immer gleich nach Parteiausschluss rufen? Es gibt sicher eine Reihe von SPDlern, die die Dinge ähnlich sehen. Man sollte in einer Partei auch Gegensätze aushalten, selbst wenn sie scharf sind. Ein Ausschluss würde nichts daran ändern, dass historisch Partei und Person miteinander verwoben bleiben. Ein Parteiausschluss wäre eine Art Augenblickssymbolik. Anders wäre es bei Kriegstreiberei, zu der Schröder sich nicht hinreißen lässt.
Kann der Umgang der Partei mit dem Altkanzler auch zur Führungsfrage werden, wenn es nicht gelingt, Schröder zur Räson zu bringen oder sich von ihm zu lösen?
Zur Führungsfrage wird das sicher nicht. Die Führung der SPD war über Jahrzehnte nicht so effizient und stabil wie gegenwärtig - von der äußeren Bedrohungskrise geradezu erzwungen. Wer könnte in nächster Zeit gegen Scholz agieren? Schröder und sein potenzielles Umfeld ganz sicher nicht. Andere auch nicht.
Gerhard Schröders enge Bindung an Wladimir Putins Russland gilt schon lange als eine Belastung für die SPD. Wäre ein möglicher endgültiger Bruch mit der Partei so was wie der Schlusspunkt einer Entfremdung, die schon lange im Gange war?
Natürlich wäre ein endgültiger Bruch grundsätzlich ein Schlusspunkt. Egozentriker und Kollektive entfremden sich grundsätzlich immer. Grundsätzlich. Denn es ist unübersehbar, dass es im thematischen Kern der Auseinandersetzung durchaus die Sympathie für Nord Stream 2 bei Parteivertretern gibt. Putins kriegerische Aggression lässt sie verstummen.
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Wann hat Schröders Entfremdung von der SPD eingesetzt und also auch sein Ansehen in der Partei Schaden genommen?
Die Entfremdung hat ihre Ursache schon in der „Basta“-Politik und speziell in der ungeliebten, aber zutreffenden Arbeitsmarktreform. Mit der ganz natürlich schwächer gewordenen Einbindung in die Aktualitäten der Partei ist sie gewachsen, geradezu ins Unermessliche mit der zur Schau gestellten Priorität persönlicher Interessen. Die Nord-Stream-Entscheidung in der Schlussphase seiner Amtszeit mag ein Indikator sein, auch wenn die Differenzen dazu nicht die schon seit Längerem gewachsenen Dimensionen erreicht hatten.
Wie ist Ihre Prognose: Wie wird die Sache mit Schröder, Russland und SPD ausgehen?
Prognosen sind gewagt, vielleicht ohnehin unerheblich, weil dieser buchstäbliche Nebenkriegsschauplatz keine umwerfende Bedeutung besitzt. Ob es bleibt, wie es ist, ob es einen Parteiausschluss gibt oder ob Schröder selber geht, ist vor der Geschichte eigentlich egal. Alle Beteiligten sollten sich in dieser Situation nicht selbst überschätzen.
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