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02.02.2023

13:32

Konjunktur

Deglobalisierung eine Mär? Deutsche Exporte 2022 mit Rekordergebnis

Von: Julian Olk

Waren „made in Germany“ im Gesamtwert von gut 1564 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr ins Ausland geliefert. Doch die Zahl ist mit einer doppelten Krux verbunden.

Die meisten deutschen Exporte gingen zum Jahresende in die USA. dpa

Containerhafen

Die meisten deutschen Exporte gingen zum Jahresende in die USA.

Berlin Viele Mahner und Warner hatten in den vergangenen Monaten schon das Ende der Globalisierung herbeigerufen. Zunächst die Coronakrise und erst recht der Ukrainekrieg würden zeigen, dass das Geflecht des internationalen Handels an seine Grenzen gestoßen sei.

Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Donnerstag veröffentlicht hat, sprechen aber eine vollkommen andere Sprache – zumindest auf den ersten Blick. Deutschlands Exporteure haben im Gesamtjahr 2022 ein Rekordergebnis erzielt. Mit 1564 Milliarden Euro wurde noch nie ein so hoher Wert an Waren ins Ausland geliefert wie im abgelaufenen Jahr. Die bisherige Bestmarke von 2021 wurde um 14 Prozent übertroffen.

Auch bei den Importen zeigt die Kurve steil nach oben. Waren im Wert von 1488 Milliarden Euro führte die deutsche Wirtschaft 2022 ein, ein Plus von 24 Prozent zum Vorjahr. „Der in dieser Zeit so oft ausgerufene Tod der Globalisierung findet einfach nicht statt“, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo).

Doch wie passen diese Zahlen damit zusammen, dass der russische Angriff auf die Ukraine weltweit Verunsicherung ausgelöst sowie Lieferketten beeinträchtigt hat und gerade zu Beginn von 2022 noch Nachwirkungen der Coronapandemie zu spüren waren?

Wichtig bei den Zahlen des Statistikamts ist, dass sie von den sich verändernden Preisen für die Exporte und Importe beeinflusst werden – erst recht wenn sich die Preise enorm ändern, wie sie es 2022 getan haben.

Schlechte Entwicklung beim Außenhandel im Dezember

In fast allen Bereichen sind die Preise im vergangenen Jahr gestiegen, vor allem aber die für Energie. Weil Deutschland einen großen Teil seines Energiebedarfs aus dem Ausland decken muss, sind vor allem die Importzahlen verzerrt.

Aber auch der Exportwert wäre ohne die Preisrally 2022 bedeutend geringer ausgefallen. Preisbereinigte Zahlen veröffentlicht das Statistische Bundesamt nicht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schätzt, dass sich die deutschen Ausfuhren im vergangenen Jahr zwei Prozentpunkte schwächer als der globale Handel entwickelt haben. „Die Exportbilanz des Jahres fällt weniger gut aus, als es scheint“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner.

Der zweite Haken an den Zahlen ist, dass sich der Außenhandel zuletzt alles andere als gut entwickelt hat. Im Dezember brachen die Exporte zum Vormonat um 6,3 Prozent ein, die Importe gaben um 6,1 Prozent nach. Konjunkturanalyst Oliver Rakau von Oxford Economics erklärt: „Real fiel die Handelsbilanz nahe an die Tiefststände des letzten Jahres.“

Ökonomen zum Einbruch der Exporte

Alexander Krüger, Chefvolkswirt Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank

Auf dem bisher erreichten hohen Niveau war klar, dass es auch mal einen Rücksetzer geben wird. Dies zeigt, dass die Weltwirtschaft noch nicht rund läuft und Vorsicht geboten ist. Abnehmende Materialengpässe und die gewachsene Zuversicht unter Exporteuren halten den Blick aber aufwärtsgerichtet. Potenzial schlummert vor allem in der Autoindustrie und dem Export nach China.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

Um die Weltwirtschaft ist es nicht gut bestellt. Bestes Zeugnis hierfür legen die deutschen Exporte ab. Die Ausfuhren erodieren im Dezember. Der Krieg in der Ukraine, die hohen Energiepreise und ansteigende Zinsen vermiesen den Unternehmen die Investitionslaune. Leidtragender ist die deutsche Exportwirtschaft. Autos, Maschinen und Chemie sind die zentralen Exportgüter Deutschland, die äußerst konjunktursensitiv sind. Hustet die Weltwirtschaft, hat Deutschland eine handfeste Erkältung. In den kommenden Monaten sollten die deutschen Ausfuhren zunächst aber noch von den wieder besser funktionierenden Lieferketten profitieren können. Der Auftragsbestand ist noch immer hoch und wartet auf Abarbeitung, was sich in weiterer Folge auch positiv auf die Ausfuhren auswirken sollte.

Mit Blick auf die anderen EU-Staaten gingen die Ausfuhren um vier Prozent und die Importe um 4,8 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück. Der Rückgang insgesamt basierte vor allem aber auf dem eingeschränkten Handel mit den USA. Dorthin wurden zehn Prozent weniger Waren ausgeführt als im November.

Damit nahmen die Exporte in die Vereinigten Staaten auf einen Wert von 12,3 Milliarden Euro ab. Das könnte sich allerdings zeitnah wieder bessern, die konjunkturelle Entwicklung in den USA hat sich zuletzt robuster als erwartet gezeigt.

Letztlich scheinen Sorgen vor einem starken Einbruch des Welthandels und einem noch weiter unter Druck gesetzten deutschen Geschäftsmodell erst einmal unbegründet. „Auch preisbereinigt sind die Zahlen wirklich stark im Vergleich zu vielen Befürchtungen“, sagt Ökonom Felbermayr.

Der Ökonom sieht kein Ende der Globalisierung. AFP/Getty Images

Gabriel Felbermayr

Der Ökonom sieht kein Ende der Globalisierung.

Vor allem die größten Hindernisse für den Handel, die globalen Lieferengpässe, bauen sich zwar langsam, aber stetig ab. Im Januar berichteten bei einer Ifo-Umfrage 48,4 Prozent der befragten Unternehmen von Materialengpässen. Im Dezember waren es noch 50,7 Prozent.

Einem Boom ist der deutsche Außenhandel damit dennoch nicht nahe. Die Bundesregierung rechnet mit einem schwierigen Jahr für die deutschen Exporteure. Die „verhaltene Entwicklung der Weltwirtschaft“ dämpfe die Aussichten der deutschen Exporteure auf den internationalen Absatzmärkten zunächst.

Die Ausfuhren dürften 2023 nur noch um 2,2 Prozent wachsen, wie aus der jüngsten Konjunkturprognose der Regierung hervorgeht. Von einer Deglobalisierung ist das aber noch immer weit entfernt.

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