Rezessionsangst? Nicht in Griechenland. Der Tourismus beschert dem einstigen Krisenstaat ein starkes Wirtschaftswachstum. Einen weiten Weg hat das Land trotzdem vor sich.
Strand auf Kreta
In guten Jahren steuert der Tourismus mehr als 20 Prozent zur griechischen Wirtschaftsleistung bei.
Bild: IMAGO/NurPhoto
Athen Ob Mykonos oder Santorini, Paros oder Kos: In den griechischen Tourismus-Hotspots muss man derzeit lange suchen, bis man ein freies Bett findet. „Wir sind bis in den September hinein voll ausgebucht“, berichtet Andreas Papadopoulos, der auf Paros ein kleines Drei-Sterne-Hotel betreibt.
Griechenland-Urlaub ist in diesem Sommer gefragt wie nie. Hellas lässt die Tourismusflaute der Coronajahre 2020 und 2021 hinter sich. Marktbeobachter erwarten für 2022 einen neuen Reiserekord.
Davon profitieren nicht nur Hoteliers, Tavernenwirte, Andenkenhändler und Autovermieter, sondern die griechische Wirtschaft insgesamt. In guten Jahren, wie diesem, steuert der Tourismus mehr als 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Ratingagenturen und internationale Banken setzen deshalb jetzt ihre Wachstumsprognosen für Griechenland herauf.
Eine Rezession, wie sie anderen EU-Ländern wegen des Ukrainekrieges und der Energiekrise drohen könnte, dürfte den Griechen dank des Urlauberandrangs erspart bleiben.
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Auf den 14 wichtigsten griechischen Regionalflughäfen, die seit 2017 vom deutschen Airport-Betreiber Fraport geführt werden, wurden im Juli 5,13 Millionen Passagiere gezählt. Das waren 14 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. In den ersten sieben Monaten des Jahres lagen die Verkehrszahlen 4,2 Prozent über dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019.
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Damals kamen 31,3 Millionen ausländische Gäste nach Griechenland. Weitere 2,6 Millionen besuchten das Land als Kreuzfahrtschiffpassagiere. Marktbeobachter erwarten im Vergleich zu 2019 für dieses Jahr einen Anstieg bei den Besucherzahlen um fünf Prozent. Größter Markt für die griechische Tourismuswirtschaft bleibt Deutschland. Aber Amerika wird immer wichtiger.
Daten für Juni und Juli zeigen einen Anstieg der Besucher aus den USA um 50 Prozent gegenüber 2019 – eine Folge verbesserter Flugpläne: Die drei großen amerikanischen Fluggesellschaften Delta, American und United bieten in diesem Sommer täglich neun Nonstop-Flüge von US-Städten nach Athen an, mehr als je zuvor.
Die Gäste aus den USA sind in Griechenland gern gesehen, weil sie besonders spendabel sind. Sie geben – Flug- und Hotelkosten nicht gerechnet – pro Kopf 1010 Euro aus, gegenüber 627 Euro im Durchschnitt vonseiten der anderen ausländischen Besucher.
2019 beliefen sich die Einnahmen aus dem Tourismus nach Berechnungen der griechischen Zentralbank auf 18,2 Milliarden Euro. Andreas Andreadis, CEO der Hotelgruppe Sani/Ikos und früherer Präsident des griechischen Tourismusverbandes SETE, erwartet für dieses Jahr einen Anstieg auf 20 Milliarden.
Der Tourismusboom wird der griechischen Wirtschaft in diesem Jahr einen starken Wachstumsschub bescheren. Bereits 2021 verzeichnete Griechenland mit einem Plus des BIP von 8,3 Prozent eine der höchsten Wachstumsraten in der EU. Nur in Malta, Irland und Kroatien legte die Wirtschaftsleistung noch stärker zu.
Für 2022 prognostiziert die EU-Kommission Griechenland in ihrer jüngsten Vorhersage ein Plus von vier Prozent. Andere Analysten sind weitaus optimistischer. Die Schweizer Großbank UBS hob jetzt ihre Wachstumsprognose für Griechenland von vier auf 5,7 Prozent an. Auch die Ratingagentur Moody’s setzt in ihrem Basisszenario für Griechenland ein Plus von 5,7 Prozent an.
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Ein stärkeres Wachstum erwartet die Agentur in der EU nur für Malta und Irland. Andere Analystenschätzungen bewegen sich in einer Größenordnung von sechs Prozent. Auch 2023 dürfte Griechenland auf dem Wachstumspfad bleiben. Die EU-Kommission erwartet für das kommende Jahr ein Plus von 2,4 Prozent, die Ratingagentur Scope setzt 2,5 Prozent an.
Griechenland braucht nachhaltiges Wachstum, wenn es seinen Schuldenberg abtragen will. Die Staatsschuldenkrise erreichte im Coronajahr 2020 mit 206,3 Prozent vom BIP einen neuen Rekord.
Nach Berechnungen des griechischen Finanzministeriums wird die Quote in diesem Jahr auf 180,2 Prozent zurückgehen und im Jahr 2025 mit 146,5 Prozent auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren fallen.
Beim Schuldenabbau hilft außer dem Wirtschaftswachstum auch die Inflation, denn durch die Teuerung verringert sich der reale Wert der Schulden. Außerdem hat Griechenland in den beiden vergangenen Jahren bereits Hilfskredite des Internationalen Währungsfonds aus den Jahren der Schuldenkrise vorzeitig zurückgezahlt.
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Das Land hat allerdings noch einen weiten Weg vor sich. Das zeigen die jüngsten Hochrechnungen der EU-Kommission zur Schuldentragfähigkeit. Danach wird die Schuldenquote frühestens im Jahr 2040 unter die Marke von 100 Prozent des BIP fallen. Die Vorgabe des EU-Stabilitätspaktes, der eine Quote von höchstens 60 Prozent vorsieht, wird das Land erst nach 2050 erfüllen.
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