Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

20.09.2021

04:00

Standortvergleich

Steuern, Bürokratie, Infrastruktur: Wo Deutschland als Standort schwächelt

Von: Martin Greive, Julian Olk

Deutschland liegt einem IW-Ranking zufolge als Industriestandort noch auf Platz vier. Unter der Großen Koalition hat das Land jedoch in wichtigen Bereichen nachgelassen.

Die Regierungszeit der großen Koalition hat den Standort Deutschland im internationalen Vergleich zurückgeworfen. dpa

Die Regierungszeit der großen Koalition hat den Standort Deutschland im internationalen Vergleich zurückgeworfen.

Berlin In ihrer letzten Bundestagsrede Anfang September lobte Angela Merkel (CDU) sich selbst. Die Große Koalition habe viel für den Wohlstand in Deutschland getan, so die Bundeskanzlerin. Sie habe ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, bei der Digitalisierung „deutliche Fortschritte“ gemacht und die Investitionen seit 2005 verdoppelt. „Wir haben viel gemacht, und das war gut so“, sagte Merkel.

Ökonomen kommen allerdings zu einer ganz anderen Bilanz als die Kanzlerin. Die Regierungszeit der Großen Koalition seit 2013 hat den Standort Deutschland im internationalen Vergleich zurückgeworfen. Dies geht aus einem unveröffentlichten Standortindex des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, der dem Handelsblatt vorliegt.

Das arbeitgebernahe Wirtschaftsinstitut hat anhand von 61 Indikatoren die industrielle Standortqualität der 45 Länder untersucht. Die meisten der Indikatoren beziehen sich dabei auf das Jahr 2019, weil in vielen Bereichen keine neueren Daten vorliegen. Vorn im Ranking liegen ausschließlich Industriestaaten. Malaysia belegt als bestes Schwellenland Platz 15, China kommt auf Rang 22.

Deutschland hat sich im Ranking von Platz drei im Jahr 2013 auf Platz vier verschlechtert. Nun liegt es noch hinter dem Siegerland Schweiz, den USA und den Niederlanden. In der Untersuchung heißt es jedoch: „Der insgesamt positive Rangplatz darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit 2013 die bisherigen Schwächen des Standorts Deutschland noch ausgeprägter wurden.“

So sei Deutschland gegenüber Wettbewerbern, egal ob Industrie- oder Schwellenländern, in einigen Punkten „weiter abgerutscht“. Insbesondere Länder, die in früheren Rankings nicht so gut platziert waren, hätten „deutlich aufholen können“, weil Deutschland stagnierte.

Grafik

Deutschlands größte Stärke ist die global aufgestellte Wirtschaft mit ihrer klaren Fokussierung auf Kunden und Absatzmärkte. In dem Bereich „Marktpositionierung“ belegt Deutschland innerhalb des IW-Rankings Platz eins unter allen Staaten. Auch mit seiner guten Infrastruktur kann der Standort punkten. Hier liegt die Bundesrepublik auf dem zweiten Rang.

Wo Deutschland nachlässt

Doch schon bei der Infrastruktur zeigt sich, dass die Stärken Deutschlands schwinden. Mängel gibt es insbesondere bei der digitalen Infrastruktur, heißt es in der IW-Studie. So liege Deutschland etwa bei der Breitbandversorgung nur im unteren Mittelfeld.

Auch bei den Themen Bürokratie und Regulierung hat Deutschland Boden verloren. Der versprochene Bürokratieabbau sei seit 2013 „nicht gelungen“, heißt es im IW-Ranking. So ist etwa der Zeitaufwand für Steuerzahlungen gleichgeblieben, um nur ein Beispiel zu nennen.

Beim staatlichen Ordnungsrahmen, dem vorhandenen Know-how und den Innovationspotenzialen liegt Deutschland so gerade noch unter den besten zehn Ländern. Daneben kämpft Deutschland mit zwei großen Standortnachteilen. Der eine Nachteil sind die hohe Steuern.

Die Belastung für Unternehmen ist hierzulande mit rund 30 Prozent international mit am höchsten, entsprechend schlecht schneidet Deutschland im Ranking ab. Und auch bei der Einkommensteuer liegt Deutschland nur im Mittelfeld.

Ein weiterer Nachteil sind die im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten, und das nicht nur im Vergleich zu Schwellenländern, sondern auch zu anderen Industriestaaten. Insbesondere die Lohnzusatzkosten in Form von Sozialbeiträgen sind im internationalen Vergleich hierzulande hoch. Daneben leiden die deutschen Unternehmen noch unter hohen Stromkosten, die nach wie vor zu den höchsten innerhalb der EU zählen, während die Preise in anderen Ländern gefallen sind.

Grafik

„Die Investitionsbedingungen haben sich gerade in einer Zeit zumindest teilweise verschlechtert, in der die Notwendigkeit von Investitionen zur Sicherung des künftigen industriebasierten Wohlstands deutlich gestiegen ist“, heißt es warnend in der IW-Studie.

Andere Untersuchungen liefern ähnliches Urteil

Andere Untersuchungen kommen mit Blick auf Deutschland zu einem ähnlichen Befund wie das IW. Beim „Ease-of-Doing-Business-Index“ der Weltbank, der die Geschäftsfreundlichkeit eines Landes misst, rangierte Deutschland 2020 auf Rang 22 von 190  Nationen – und damit zwei Plätze weiter hinter als 2013 beim Start der Großen Koalition. Beim Aufwand, ein Unternehmen aufzubauen, ist Deutschland etwa seit 2013 um 20 Plätze abgerutscht. Die einstige Gründernation landete nur auf Platz 126 – hinter Ländern wie Guinea, Djibouti und Mali.

Insbesondere bürokratische Hemmnisse erschweren laut Weltbank die Geschäftstätigkeit in Deutschland. Die Auswirkungen langer Plan- und Genehmigungsverfahren bei Bauvorhaben haben sich laut Weltbank bei der Gründung von Firmen hierzulande noch verschlimmert.

Der Weltbank-Index entsteht aus der jährlichen Befragung von 12.500 Experten und Ökonomen. Der Report der Weltbank ist allerdings nicht unumstritten, 2021 gab es aufgrund von Unregelmäßigkeiten in den Daten von Schwellenländern keine Erhebung.

Doch auch laut dem „Länderindex Familienunternehmen“, den das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für die Stiftung Familienunternehmen erstellt, hat Deutschland unter der Großen Koalition kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Während die Bundesrepublik 2012 noch Platz zwölf belegte, reichte es 2020 nur noch für Rang 17 von 21 Ländern.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×