Die Wirtschaft wird mit teureren Vorprodukten konfrontiert, auch als Folge verstärkter Lagerhaltung. Schaukeln sich nun Löhne und Preise gegenseitig auf?
Stahlproduktion
Nach einem kleinen Rücksetzer zum Jahreswechsel sind die Preise wieder auf einen neuen Rekordwert geklettert.
Bild: dpa
Berlin Probleme in den Lieferketten und die erhöhte Nachfrage infolge des Auffüllens von Lagern lassen die Kosten für die deutschen Unternehmen weiter steigen. Nachdem vor allem die gestiegenen Energiepreise die Wirtschaft belastet haben, verteuern sich jetzt zunehmend auch Vorprodukte.
Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage des Familienunternehmer-Verbands, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach haben sich die Einkaufspreise für Vorprodukte im April um 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verteuert, gaben die knapp 800 befragten Unternehmen an. Bei den Rohstoffen lag das Plus bei 46 Prozent.
Die Unternehmen fürchten darüber hinaus, dass die Preissteigerungen sich weiter verstetigen könnten. Insbesondere das Aufkommen einer Lohn-Preis-Spirale könne das aus ihrer Sicht auslösen - eine Gefahr, die 89 Prozent der Unternehmen als „groß“ oder „sehr groß“ bezeichnen.
Das Phänomen beschreibt eine Entwicklung, bei der die Arbeitnehmer zum Ausgleich des Kaufkraftverlusts infolge der gestiegenen Preise höhere Löhne fordern. Das wiederum lässt die Kosten der Unternehmen steigen, die diese in Form von Preisanhebungen an ihre Kunden weiterreichen.
Bislang ist eine solche Lohn-Preis-Spirale allerdings nicht abzusehen. Die meisten Ökonominnen und Ökonomen rechnen damit, dass der Kaufkraftverlust durch das Lohnwachstum nicht kompensiert werden kann. Die Bundesregierung erwartet 2022 ein Wachstum der Arbeitnehmerentgelte von 5,1 Prozent, was durch die prognostizierte Inflationsrate von 6,1 Prozent übertroffen würde. Doch die Historie hat gezeigt, dass sich eine solche Entwicklung auch plötzlich einstellen kann.
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„Es steht außer Zweifel, dass höhere Lohnforderungen kommen werden, wenn die Inflation längere Zeit so hoch bleibt“, sagte Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied bei der Europäischen Zentralbank, kürzlich im Handelsblatt. Zwar sei ein gegenseitiges Aufschaukeln von Löhnen und Preisen noch nicht abzusehen, doch Schnabel erklärte: „Wir dürfen nicht erst reagieren, wenn eine Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist.“
Erste Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale kommen aus der Stahlindustrie. Der Vorstand der IG Metall hat am Sonntag bekannt gegeben, Lohnsteigerungen von 8,2 Prozent bei der anstehenden Stahl-Runde zu fordern. Die Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale sind auch deshalb ernst zu nehmen, weil in diesem Jahr weitere große Tarifrunden anstehen.
Bereits begonnen hat die regionale Forderungsdiskussion für die anstehende Tarifrunde der rund 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Mitte Juli will der IG-Metall-Vorstand die Forderung beschließen, die Verhandlungen starten im September. „Angesichts der stark steigenden Preise und der weiterhin teils hohen Gewinne erwarten die Kolleginnen und Kollegen dauerhaft mehr Geld“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
In der Chemie-Industrie hatten sich die Tarifparteien Anfang April auf eine einmalige „Brückenzahlung“ verständigt, wollen aber im Oktober wieder über eine dauerhafte Lohnerhöhung verhandeln. Ende des Jahres steht zudem noch die Tarifrunde für die rund 2,7 Millionen Beschäftigten von Bund und Gemeinden an.
Dieser Artikel erschien zuerst am 08.05.2022 um 19:30 Uhr.
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