Gerhard Schröder hat bisher eine klare Distanzierung von Wladimir Putin vermieden. Seine Mitarbeiter im Berliner Büro wollen seinen Kurs nicht mehr mittragen. Auch Geschäftspartner trennen sich von Schröder.
Gerhard Schröder
Der Altkanzler gerät in der Ukrainekrise zunehmend unter Druck.
Bild: imago/localpic
Berlin Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verliert seinen langjährigen Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk. Nach mehr als 20 Jahren kehre Funk seinem Chef den Rücken, berichteten das Nachrichtenportal „The Pioneer“ und die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ am Dienstag. Auch drei weitere Mitarbeiter des SPD-Politikers gäben ihren Posten auf.
Funk bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters, „dass die vier Mitarbeiter in dem Büro gebeten haben, wieder in anderen Funktionen zu arbeiten“. Zu den Gründen wollte er sich nicht äußern.
Laut „Pioneer“ soll die Haltung des früheren Bundeskanzlers zum Überfall Russlands auf die Ukraine ausschlaggebend gewesen sein. Funk soll demnach Schröder zu einer Distanzierung zu Russlands Präsident Wladimir Putin geraten haben. Von der SPD-Spitze war Schröder am Wochenende aufgefordert worden, seine Posten in russischen Unternehmen aufzugeben.
Laut „Spiegel“ schickte Parteichef Lars Klingbeil in der Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstag abermals eine Warnung an den Altkanzler. „Der Ball liegt bei Gerhard Schröder“, soll Klingbeil laut Teilnehmern der Sitzung demnach gesagt haben. „Die Uhr tickt.“
Zuvor habe der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer die Causa Schröder angesprochen. „Wir brauchen Klarheit wegen Gerhard Schröder“, wird der Europapolitiker zitiert. Die Debatte in der Partei sei völlig eindeutig. Schröder müsse seine Jobs sofort abgeben.
Der Altkanzler, der als langjähriger Freund Putins gilt, ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft. Außerdem hat der Sozialdemokrat Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream 1 und Nord Stream 2 – beide Erdgasleitungen durch die Ostsee verbinden Russland und Deutschland.
Die noch ausstehende Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ist inzwischen von der Bundesregierung auf Eis gelegt. Schröder ist zudem kürzlich für den Aufsichtsrat des staatlichen russischen Gaskonzerns Gazprom nominiert worden.
Zuletzt hatte der Altkanzler in einem Beitrag auf dem sozialen Netzwerk „LinkedIn“ den russischen Angriffskrieg verurteilt und gefordert, dass dieser „schnellstmöglich beendet werden“ müsse. Allerdings mit der Einschränkung, dass Fehler „auf beiden Seiten“ gemacht worden seien. Wörter wie „Angriff“ oder „Invasion“ vermied Schröder in seiner Stellungnahme. Auch Putin selbst erwähnte er nicht.
Davor war der Altkanzler aufgefallen, weil er vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine in seinem Podcast „Die Agenda“ ukrainische Forderungen nach Waffenlieferungen als „Säbelrasseln“ kritisierte.
Der Podcast wird nun angesichts der aktuellen Lage auf Eis gelegt, sagte Schröders ehemaliger Regierungssprecher Béla Anda der „Bild"-Zeitung. Anda hatte die Beiträge in dem Format zusammen mit Schröder regelmäßig aufgenommen.
Dem „Pioneer“-Bericht zufolge hat Schröders bisheriger Büroleiter Funk ein Recht auf Rückkehr ins Bundeskanzleramt. Ob das Kanzleramt dem Altkanzler neues Personal genehmigt, sei offen.
Für Personalausgaben im Büro von Schröder sind im vergangenen Jahr 407.000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Das geht aus einer Antwort des Kanzleramts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Ausgaben beträfen die Bezahlung der Mitarbeiter in Schröders Büro.
Nach Angaben der Bundesregierung ist für die Büroleiterstelle eine Besoldung von B6 vorgesehen, also rund 10.400 Euro im Monat. Die anderen Mitarbeiter verdienen – je nach Berufserfahrung – zusammen monatlich zwischen 13.700 und 19.400 Euro.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff sprach sich dafür aus, Schröder die Amtsausstattung zu entziehen. Man solle sich zwar grundsätzlich davor hüten, ehemaligen Kanzlerinnen und Kanzlern aufgrund unliebsamer Entscheidungen staatliche Privilegien vorzuenthalten, sagte Roloff dem Handelsblatt. „In diesem besonderen Fall hat Gerhard Schröder jedoch aus meiner Sicht inzwischen sein Recht auf Amtsausstattung verwirkt, indem er sich nicht von Kriegstreiber und Völkerrechtsbrecher Putin distanziert.“
Zu etwaigen neuen Mitarbeitern für Schröder sagte Roloff: „Das Kanzleramt wird hier sicherlich eine sinnvolle Entscheidung treffen.“
Die CDU-Politikerin Gitta Connemann forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Handeln auf. Er „darf die Hand nicht weiter über Altkanzler Schröder halten – Parteifreund hin oder her“, sagte die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion dem Handelsblatt. Die Bundesregierung dürfe die frei werdenden Stellen in Schröders Büro nicht nachbesetzen. „Die Amtsausstattung ist einzustellen. Das kann der deutsche Steuerzahler erwarten.“
Schröder sage sich nach wie vor nicht von Kriegstreiber Putin los und lasse sich seine Dienste von russischen Staatsunternehmen bezahlen. Die Büromitarbeiter des Altkanzlers hätten Haltung gezeigt und ihm den Rücken gekehrt. „So geht Anstand“, sagte Connemann.
Die CSU begrüßte die Abkehr der Schröder-Mitarbeiter vom Altkanzler. „Die Büromitarbeiter zeigen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mehr Rückgrat als Herr Schröder“, sagte der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Sebastian Brehm. „Herr Schröder hat mit seinem bisherigen Festhalten an den lukrativen Posten von Putins Gnaden jeden moralischen Kredit verspielt. Es ist jetzt an der Zeit, dass auch die SPD Konsequenzen zieht.“
Brehm sprach sich zudem dafür aus, die frei werdenden Plätze im Schröder-Büro nicht neu zu besetzen. „Es ist angesichts der Haltung Schröders im Krieg gegen die Ukraine jetzt der richtige Zeitpunkt, dessen Altkanzler-Büro aufzulösen“, sagte der CSU-Politiker.
Die Ausstattung der ehemaligen Bundeskanzler ist nicht durch Gesetz geregelt. Die Finanzmittel stammen aus dem Etat des Bundeskanzleramts und werden dann auf der Grundlage einer Vorlage des Kanzleramts vom Haushaltsausschuss bewilligt.
„Wer sich einem Kriegstreiber mit Haut und Haaren verschreibt, kann keine Amtsausstattung vom deutschen Steuerzahler erwarten“, sagte Connemann. „Leistungen gebühren nur ehemaligen Kanzlern, die für das frühere Amt arbeiten und der Würde des Amtes entsprechend auftreten. Alles andere ist unerträglich.“
Am Dienstagabend wurde bekannt, dass sich der Schweizer Verlag Ringier von Schröder als Berater trennt, seit 2005 war er als Berater für das Unternehmen tätig. Schröder legte außerdem sein Mandat als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Herrenknecht AG am Dienstag nieder. Seit 2016 hatte er das Amt inne. In beiden Fällen trennte man sich „im Einvernehmen“, wie aus den Mitteilungen der Unternehmen hervorgeht.
Die Herrenknecht AG hatte den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine scharf kritisiert: „Martin Herrenknecht sowie die Herrenknecht AG stehen voll hinter der Haltung der deutschen Bundesregierung zum russischen Krieg gegen die Ukraine, welcher von Präsident Wladimir Putin ausgeht“, hatte Herrenknecht gegenüber „WELT“ erklärt.
Konsequenzen drohen Schröder auch im sportlichen Bereich: Der Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund erwägt nach Informationen des TV-Senders Welt, dem Altkanzler die Ehrenmitgliedschaft zu entziehen. Auch der Deutsche Fußballbund (DFB) prüft die Ehrenmitgliedschaft des Altkanzlers.
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