Auch in Deutschland wurde das neue Coronavirus BA.2.75 bereits nachgewiesen. Es breitet sich laut einem Wissenschaftler aber außerhalb von Indien nicht so rasch aus wie befürchtet. Ein Überblick.
Positiver Corona-Test
BA.2.75 wurde inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. Das neue Coronavirus gilt hierzulande aber noch als selten.
Bild: IMAGO/Lobeca
Berlin Das Coronavirus hat mit BA.2.75 eine weitere Omikron-Variante hervorgebracht. Wissenschaftler weltweit befürchteten zunächst, dass sich die Sublinie, auch „Centaurus“ genannt, möglicherweise schnell ausbreiten könnte. Doch das scheint laut einem Experten nicht eindeutig der Fall zu sein.
Mehrere Erbgutveränderungen von BA.2.75 haben Forscher vor einigen Wochen aufhorchen lassen. Noch aber ist unklar, ob BA 2.75 zu schwerwiegenderen Covid-Erkrankungen führt als andere Omikron-Varianten. Alle wichtigen Fragen und Antworten zu BA.2.75 im Überblick.
BA.2.75 wurde zuerst in mehreren Bundesstaaten Indiens entdeckt. Die neue Mutation ist inzwischen in zehn weiteren Ländern aufgetaucht. Darunter sind auch Deutschland, Australien, Großbritannien, die USA und Kanada.
In Deutschland wurde BA.2.75 zwar bereits nachgewiesen, gilt aber noch als selten. In den Covid-19-Wochenberichten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist zur Virusvariante BA.2.75 bisher nichts zu finden. In Deutschland ist laut RKI-Daten klar die Omikron-Variante BA.5 vorherrschend. Die Anteile in Stichproben wuchsen zuletzt von Woche zu Woche. Hintergrund für die verstärkte Verbreitung ist unter anderem, dass Omikron Mutationen aufweist, die der Abwehr von Geimpften und Genesenen besser entkommen.
Zwar nehme BA.2.75 in Indien nach wie vor zu und scheine dort einen klaren Übertragungsvorteil zu haben, sagte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Leiter einer Forschungsgruppe für Evolution von Viren und Bakterien.
Außerhalb Indiens sei das Bild aber nicht so klar, erläuterte Neher. Indien habe bislang keine ausgeprägte Welle durch die Sublinie BA.5 gehabt, daher sei die dortige Situation nicht ohne weiteres mit dem Rest der Welt vergleichbar.
Neher betonte, es sei nach wie vor möglich, dass sich BA.2.75 weltweit ausbreite. „Aber Daten der vergangenen zwei Wochen haben gezeigt, dass die Variante nicht ganz so schnell wächst wie anfangs vermutet.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kommentierte Erkenntnisse zu Nachweisen des Erregers auf Twitter mit den Worten: „Es sieht in den Daten bisher nicht danach aus, als ob die Variante BA.2.75. sich durchsetzen könnte.“ Dies sei eine gute Nachricht, wenn auch vorläufig.
Die Subvariante BA.2.75 bewerten Wissenschaftler insgesamt aber noch zurückhaltend. Matthew Binnicker zufolge ist es noch zu früh für viele Schlussfolgerungen. Es sähe jedoch so aus, als ob die Übertragungsraten, insbesondere in Indien, eine Art exponentiellen Anstieg zeigten, erklärte der Direktor der klinischen Virologie an der Mayo Clinic in Rochester.
Die Tatsache, dass BA.2.75 bereits in vielen Teilen der Welt selbst bei geringerer Virusüberwachung entdeckt wurde, sei ein früher Hinweis auf die schnelle Ausbreitung, meint Shishi Luo. Sie ist Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten bei Helix, einer US-Firma für Virussequenzierung.
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bezeichnet BA.2.75 seit dem 7. Juli 2022 als „Variante unter Beobachtung“. Das bedeutet, sie könnte stärker ansteckend sein und wird mit schwereren Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht. Die Belege dafür sind jedoch schwach oder konnten noch nicht erbracht werden.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überwacht BA.2.75 verstärkt. Ihre Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan sagte allerdings, es gebe bisher zu wenige Proben, um die Gefährlichkeit einschätzen zu können.
Die Sublinie der Omikron-Variante besitzt möglicherweise ein verändertes Erbgut. Darauf weist eine Zahl von neuen Mutationen hin. Damit unterscheidet sich BA.2.75 nach Angaben der Wissenschaftler von Omikron-Vorgängern. Es wäre möglich, dass sie sich dadurch nicht nur effizienter an Zellen binden, sondern auch leichter an Antikörpern vorbeimogeln könnte.
Der Virologe Tom Peacock vom Imperial College in London erklärt auf Twitter genauer, dass der Erreger mehrere Mutationen am sogenannten Spike-Protein aufweise, mit dem das Virus menschliche Zellen angreift.
Einzeln betrachtet lasse keine der Veränderungen wirklich aufhorchen, aber wenn alle zusammen auftauchten, sei es eine andere Sache, schreibt der Wissenschaftler. Peacock identifizierte 2021 als Erster die Omikron-Variante als potenziell gefährlich. Er und weitere Forscher schränken in einer Twitter-Diskussion allerdings ein, dass die bisherigen Einschätzungen noch sehr spekulativ seien.
Die vorhandenen Impfstoffe und Booster schützen laut der Experten auch bei BA.2.75 noch am besten gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung. Die Variante BA.2.75 sei eine Erinnerung daran, dass sich das Coronavirus ständig weiterentwickelt und ausbreitet, sagt Shishi Luo. „Wir würden gern zum Leben vor der Pandemie zurückkehren, aber wir müssen immer noch vorsichtig sein. Wir müssen akzeptieren, dass wir jetzt mit einem höheren Risiko leben als früher,“ so die Wissenschaftlerin der US-Firma Helix.
In Labortests (PCR) müsste laut Experten auch BA.2.75 nachweisbar sein. Es gebe keinen Hinweis, dass BA.2.75 nicht per PCR detektiert werden könne, schreibt die Schweizer Virologin Isabella Eckerle auf Twitter. Auch Richard Neher von der Universität Basel erklärte, bei PCR-Tests schienen ihm Nachweisprobleme unwahrscheinlich zu sein, da diese Tests typischerweise mehrere Zielgene besäßen.
Mit Agenturmaterial
Erstpublikation: 13.7.2022, 14:37 Uhr (zuletzt aktualisiert: 21.07.22, 16:40 Uhr).
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