Der Ministerrat der Europäischen Weltraum-Agentur berät über hochfliegende Projekte. Es gilt, die knappen staatlichen Mittel sinnvoll aufzuteilen.
Ariane-Rakete in Kourou
Europas teures Prestigeprojekt.
Bild: CAMERA PRESS/Heathcliff O'Malley / Telegraph
Berlin Die kommerzielle Raumfahrt erlebt einen Boom. Für Grundlagenforschung, große Missionen zum Mond etwa, und für die Sicherheit der Satelliten-Infrastruktur sind staatlich koordinierte Raumfahrtprogramme allerdings weiterhin unverzichtbar. Die USA werden daher die Nasa nicht abschaffen. Und in Europa gewinnt ihr Pendant, die Europäische Weltraum-Agentur Esa mit Sitz in Paris, derzeit an Bedeutung.
Airbus-Space-Manager Andreas Hammer beschreibt es so: Elon Musk will aus Eitelkeit auf den Mars, Jeff Bezos plant, im All Kolonien zu bauen, aber Staaten haben darüber hinausreichende Interessen für das Wohl ihrer Bürger. Das reicht bis zur Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen: Es gilt zu verhindern, militärisch aus dem All heraus angegriffen zu werden.
Beim Esa-Ministerrat ab 27. November in Sevilla wird es darum gehen, die knappen Mittel unter den Schwerpunktbereichen Erdbeobachtung und Navigation, Sicherheit, Forschung und Raketen sinnvoll aufzuteilen. „Wir haben mehr Ideen als Mittel“, sagt Walther Pelzer, Chef des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums DLR.
Zwar fordert Esa-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner eine Erhöhung der Programmmittel. Aber auch der deutsche Finanzminister ist dazu nicht bereit. Statt einer Milliarde Euro bewilligte er für 2020 der Esa 855 Millionen Euro. Für die Pflichtprogramme gibt es dort einen Verteilschlüssel, der die Höhe der Beiträge eines jeden Mitgliedslandes bestimmt; er richtet sich nach dem Bruttoinlandsprodukt. Im Durchschnitt zahlt jeder Bürger der 22 Mitgliedsländer acht Euro, die Deutschen mit elf Euro etwas mehr. Zusätzlich zu den Esa-Pflichtprogrammen gibt es freiwillige Projekte.
Diskussionen wird es um das Fortbestehen des Raketenprogramms Ariane geben. Weltraumkoordinator Thomas Jarzombek wirft den Herstellern der Großrakete, den Firmen Airbus und Safran, immer noch zu hohe Kosten vor. Dabei wird die neue Ariane 6, die Ende 2020 startklar sein soll, nur noch halb so viel kosten wie die Ariane 5 – und technologisch erheblich besser sein. „Die ganze Struktur des Ariane-Programms ist schwierig und zu unwirtschaftlich“, urteilt Jarzombek dennoch.
Gewichtigeren Einfluss als die Deutschen haben bei der Esa aber die Franzosen, die fest zur Ariane stehen: Sie tragen 28 Prozent zum diesjährigen Jahresbudget der Esa-Staaten von 4,2 Milliarden Euro bei, die Deutschen nur 22 Prozent. Verzichten auf die Ariane will aber auch Jarzombek nicht. „Wir brauchen sie für die Sicherheit“, räumt er ein.
Bisher, so warnen Militärs, sind die Satelliten, die inzwischen für funktionierende Logistikketten und Telekommunikationssysteme unverzichtbar sind, im All vollkommen ungeschützt. Sollte es Angriffe geben, müssten die Europäer in der Lage sein, Ersatz ins All zu schaffen.
Auf Transportraketen anderer Anbieter will man sich da nicht verlassen müssen, auch wenn diese zahlreich sind. Schließlich wurde das Ariane-Programm einst gestartet, weil sich in den 1970er-Jahren die USA weigerten, den ersten kommerziellen europäischen Satelliten ins All zu tragen. Marco Fuchs, Vorstandschef des Bremer Satellitenbauers OHB und Vizechef des Branchenverbands BDLI fordert daher, um die Ariane zu sichern, dass alle institutionellen Starts aus Europa mit der Großrakete stattfinden müssten.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel haben in Toulouse ein neues deutsch-französisches Projekt verabredet, das die Esa umsetzen soll: einen Forschungsroboter, der zum Mond und wieder zurück fliegen kann. Weiterverfolgen wollen die Europäer auch das Projekt Weltraumstation ISS.
Es glaube eigentlich niemand, dass es vor 2030 beendet wird, sagt Pelzer: „Auf dem Weg zum Mond haben wir gelernt, wie wichtig die ISS im niedrigen Orbit ist.“ Das ESM-Modul für den Antrieb des US-Raumschiffs Orion und die Versorgung der Astronauten beim geplanten US-Flug zum Mond ist ebenfalls ein Esa-Programm.
Im Ministerrat wird zudem eine Ausweitung des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus Thema sein. Im Umweltbereich werden Satelliten immer wichtiger, um Klimaschäden, größere Verschmutzungen oder Brandrodungen schnell in ihrem Ausmaß zu erkennen. Die Esa debattiert auch über den Aufbau eines Frühwarnsystems vor Sonnenstürmen und Asteroiden.
Die Europäer wollen sich an der Nasa-Mission Hera beteiligen, einem Zukunftsprojekt, das dazu dienen soll, Asteroiden, die Richtung Erde stürzen, von der Flugbahn abzulenken. „Das ist dann schon ein wenig wie in einem Bruce-Willis-Film“, sagt Fuchs.
Die Europäer wollen zudem Wege finden, Weltraumschrott zu beseitigen und künftig möglichst zu vermeiden. Denn die Zahl der Satelliten im All wächst exponentiell. Die Gefahr von Kollisionen durch Schrott als auch durch den Zusammenstoß von Satelliten nimmt zu. Erst kürzlich näherte sich ein Satellit von Elon Musk gefährlich nahe einem Esa-Satelliten, beschreibt Wörner.
Das war der Auslöser dafür, dass die Esa die Industrie auffordere, Möglichkeiten zum Einfangen von Schrott aufzuzeigen. Sie wolle dafür die Finanzierung übernehmen. Genau das könnte ein neuer Weg sein, den die Agentur künftig häufiger beschreiten dürfte: Er dürfte effizienter sein, statt ein Programm erst komplett zu planen und erst im Anschluss die Aufträge zu vergeben.
Um die Zahl der Satelliten nicht weiter ins Unendliche zu steigern, lässt die Esa zudem an Satelliten arbeiten, die von der Erde aus neu programmierbar sind. Bei den Satelliten für das neue 5G-Telekommunikationssystem soll dies Realität werden.
Was allerdings auch die Esa längst registriert hat: Der große Newspace-Boom in den USA begann, als die Nasa ihre Mittel kürzte. So wird auch in Europa längst diskutiert: Weniger staatlich und dafür mehr privat zu finanzieren ist auch eine Option.
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