Wenn Mitarbeiter an Start-ups beteiligt werden, fällt in Deutschland Lohnsteuer an. Lindner will das wohl ändern – und löst in Teilen der Start-up-Szene Diskussionen aus.
Christian Lindner
Sein Eckpunktepapier für neue Regeln bei der Besteuerung von Mitarbeiteranteilen gleicht fast dem Forderungskatalog der Branche.
Bild: Reuters
Düsseldorf Die neuen Steuerpläne für die Start-up-Branche von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sorgen für Debatten – bei den Fraktionen im Bundestag, aber auch in der Gründerszene. „Hätte es dieses Gesetz schon gegeben, hätte ich wahrscheinlich einen siebenstelligen Betrag an Steuern gespart in der Vergangenheit“, sagt der frühere Start-up-Manager Philipp Klöckner in seinem szenebekannten Podcast „Doppelgänger Tech Talk“ und kritisiert damit mangelnde Steuergerechtigkeit.
Anfang des Jahres hat Lindner in einem bisher unveröffentlichten Eckpunktepapier Vorschläge für neue „Regelungen zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ vorgelegt, das dem Handelsblatt vorliegt. Seine Vorschläge würden de facto zu einer Steuersenkung für Mitarbeitende führen, die direkt an einem Start-up beteiligt werden.
Im Kern geht es bei Linders Vorstoß darum, unter welchen steuerlichen Bedingungen Start-ups ihre Mitarbeiter der Firma beteiligen können. Darüber wird seit Jahren diskutiert. Bisherige Reformen waren aus Sicht der Branche nicht ausreichend.
Der Hintergrund: Es ist internationale Praxis, dass Beschäftigte Optionen erhalten, die sie etwa bei einem Börsengang in Firmenanteile wandeln können. Deutsche Start-ups beklagen aber seit Jahren eine Benachteiligung durch die sogenannte „Dry Income“-Problematik.
Gemeint ist, dass Start-up-Mitarbeitende hierzulande nach geltendem Steuerrecht unter Umständen schon Steuern auf ihre Optionen zahlen müssen, bevor sie diese zu Geld machen können. Statt echten Anteilen (Employee Stock Options, kurz: ESOP) geben die Unternehmen deshalb komplexe virtuelle Beteiligungen (VSOP) aus, bei denen das Problem nicht auftritt, weil sie erst beim Verkaufszeitpunkt versteuert werden müssen.
Damit will Lindner jetzt aufräumen. Die Rahmenbedingungen für ESOP sollen so gut werden, dass keine Firma mehr auf die virtuellen Beteiligungen zurückgreift. Sie könnten sogar besser werden als von der Szene erhofft.
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Konkret sieht Lindners Eckpunktepapier die „Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 Prozent für alle Besteuerungstatbestände“ vor. Das könnte eine Steuerreduzierung von 17 oder gar 20 Prozent bedeuten. Denn momentan fällt für Mitarbeitende mit virtuellen Anteilen der persönliche Lohnsteuersatz an. Der dürfte bei vielen Betroffenen dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent oder der Reichensteuer entsprechen.
Auch bei ESOP kommt zumindest noch teilweise der Lohnsteuersatz zur Anwendung. Konkreter: Auf den Wert der zugeteilten Anteile zahlen Mitarbeitende Einkommensteuer. Wenn sich der Wert dieser Anteile im Laufe der Zeit steigert, wird auf diesen Zugewinn lediglich Abgeltungsteuer fällig, also eine Abgabe von 25 Prozent.
Dass die Steuer auf den Gesamtbetrag sinken könnte, gab es bis zu Lindners Vorschlag nicht.
Will Lindner nun, dass Mitarbeitende im Start-up-Sektor auf Lohnbestandteile weniger Steuern zahlen als andere Beschäftigte? Das Bundesfinanzministerium wollte sich auf Handelsblatt-Nachfrage dazu nicht äußern. Fest steht: Andere Interpretationsmöglichkeiten lässt das Papier kaum zu.
Warum ich als privilegierter Tech-Mensch einen niedrigeren Steuersatz haben soll, verstehe ich bis heute nicht. Start-up-Gründer Philipp Klöckner
Klöckner, der in verschiedenen Managementpositionen für Idealo.de und die Start-up-Schmiede Rocket Internet tätig war, sagt: „Warum ich als privilegierter Tech-Mensch einen niedrigeren Steuersatz haben soll, verstehe ich bis heute nicht.“ Außer ihm will sich aus der Tech-Szene aber kaum jemand laut darüber beschweren.
Intern wird in der Branche auch intensiver diskutiert, ob es überhaupt richtig ist, die Anteile als Lohn darzustellen: In vielen Fällen springe dabei am Ende gar nichts heraus. Das müsse auch Mitarbeitenden und Bewerbern viel deutlicher gemacht werden, sagen manche.
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Verena Hubertz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, stellt klar, dass auch mit einer möglichen Gesetzesänderung keine falschen Anreize gesetzt werden sollen: „Es sollte ein Lohn gezahlt werden, von dem es sich leben lässt. Die Beteiligung ist ein Upside.“ Sie meint damit eine Art Bonus, mit dem man nicht fest rechnen kann.
Die Gründerin, die 2021 in den Bundestag einzog, wirbt bei ihrer Partei dafür, die Vorschläge von Lindner anzunehmen. „Wir wollen die virtuellen Anteile hinter uns lassen.“ Die bisherigen Reformen hätten nicht dazu geführt, dass mehr Start-ups ESOP hätten anwenden wollen.
Politisch werden Lindners Vorschläge auch im Hinblick auf die Frage diskutiert, für wen die verbesserten Kapitalbeteiligungs-Bedingungen künftig gelten sollten. Manche sehen die Gefahr, dass auch etablierte Unternehmen bis zu 500 Mitarbeitern davon Gebrauch machen und Mitarbeiter steuervergünstigt in Anteilen bezahlen könnten.
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