Das Geschäft mit Radarchips ist eine der wenigen europäischen Domänen in der Halbleiterbranche. Es wächst selbst bei sinkender Autoproduktion.
Radarsensoren am Auto
Für die Chiphersteller eröffnet sich mit dem automatisierten Fahren ein neuer Milliardenmarkt.
Bild: Infineon
München Regen, Sturm und Dunkelheit sind für Autofahrer ein Albtraum, für moderne Radarlösungen sind sie kein Problem. Radare erfassen auch bei widrigen Bedingungen, was rund ums Fahrzeug passiert. „Radar ist die fundamentale Technologie fürs autonome Fahren, weil sie so robust bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit ist“, sagt Torsten Lehmann, Chef des Radargeschäfts beim Chiphersteller NXP.
Bis Autos in großem Stil eigenständig fahren, werden noch Jahre vergehen. Elektronische Assistenten hingegen setzen sich bereits heute durch. „Die Kunden fragen immer mehr Radarsysteme nach, gleichzeitig sorgen höhere gesetzliche Anforderungen für steigende Stückzahlen“, betont Lehmann.
Davon profitieren ganz besonders europäische Halbleiterproduzenten. Radar ist eines der wenigen Felder der Chipbranche, die nicht von amerikanischen und asiatischen Anbietern dominiert werden. In dem boomenden Geschäft kämpft der niederländische Hersteller NXP mit dem Münchener Dax-Konzern Infineon um die Vorherrschaft.
„Wir sind mit unseren Radarprodukten mit jedem einzelnen der 20 größten Autohersteller im Geschäft“, unterstreicht NXP-Manager Lehmann. Damit nicht genug: „Wir gewinnen Marktanteile.“ Radarlösungen sind eines von sechs Wachstumsfeldern von NXP, die laut Vorstandschef Kurt Sievers ein jährliches Umsatzplus von 20 bis 25 Prozent versprechen. Das kommt dem Chipstandort Deutschland zugute, denn die Sparte ist in Hamburg angesiedelt.
Den jüngsten verfügbaren Zahlen zufolge erzielten die Chiphersteller 2021 einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Dollar mit Radarchips, rund 15 Prozent mehr als im Jahr davon. NXP kam den Analysten von Yole zufolge auf einen Marktanteil von 44 Prozent, Infineon auf 33 Prozent.
Infineon geht davon aus, dass die Hersteller bis 2027 jedes Jahr im Schnitt knapp ein Viertel mehr Radarsysteme ausliefern. Denn die Elektronik spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum autonomen Fahren. In der Regel wird Radar mit Kameras oder Lidar-Systemen kombiniert, um die Umgebung möglichst lückenlos zu erfassen. Lidar verwendet Laser zur Abstandsmessung.
Nur ein Hersteller verzichtet darauf: Tesla, der Elektroautopionier aus Amerika. „Tesla schwimmt als einziger gegen den Strom und setzt komplett auf Kameras und Software“, sagt Albert Waas, Chipexperte von BCG. „Alle anderen sind überzeugt, dass nur die Kombination von Kameras und Sensoren sicher genug ist.“
Allerdings sind die verschiedenen Systeme teuer. Für das sogenannte Level 2 des automatisierten Fahrens kalkuliert BCG mit Kosten für die dafür nötigen Chips von 290 Dollar je Fahrzeug. Bei diesem Niveau können die Fahrerinnen und Fahrer die Hände zumindest zeitweise vom Lenkrad nehmen.
Noch einträglicher wird es für die Chiphersteller bei den darauffolgenden Stufen. Bei Level 3 darf sich die Person am Steuer zwischenzeitlich vom Verkehr abwenden, bei Level 5 fährt das Fahrzeug komplett selbstständig. Dafür sind jeweils deutlich mehr Chips nötig.
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Für die Autohersteller bedeutet das Mehrkosten: Ein Radarchip kostet derzeit etwa fünf Dollar, heißt es in der Branche. Für den dazugehörigen Microcontroller, das sind Minicomputer für ganz bestimmte Aufgaben, müssen die Kunden noch einmal so viel veranschlagen. NXP geht davon aus, dass ab Mitte des Jahrzehnts in jedem Mittelklassefahrzeug fünf Radarsensoren stecken, in jeder Premiumlimousine zehn oder mehr.
Die Kosten schrecken die Autokäufer bislang aber nicht ab. „Die Radartechnologie hat längst Einzug in die Golfklasse gehalten“, unterstreicht Burkhard Neurauter, Chef der Radarchip-Entwicklung von Infineon. Das Geschäft sei krisenfest, ergänzt NXP-Manager Lehmann: „Es kommen immer mehr Autos mit Radar auf den Markt. Das gleicht Dellen in der Autoproduktion mehr als aus.“
Zudem befeuern die Hersteller das Geschäft mit innovativen Lösungen, die leistungsstärker sind und weniger Platz benötigen. So hat NXP zu Jahresbeginn ein System vorgestellt, das besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer besser erkennen soll, also etwa Fußgänger oder Radfahrer. Gleichzeitig haben die Entwickler die Elektronik verkleinert, was es den Autokonstrukteuren leichter machen soll, mehr Sensoren zu verbauen. Erstkunde ist Denso, der nach Bosch zweitgrößte Autozulieferer weltweit.
Noch wichtiger als für Privatleute ist die Technik indes für die Profis. So hat Infineon Anfang Februar den Großauftrag eines Lastwagen-Herstellers verkündet, der die Radarchips für das Level 4 verwenden will, also für hochautomatisiertes Fahren. Das Bestellvolumen: ein dreistelliger Millionenbetrag.
Erstpublikation: 22.02.2023, 13:03 Uhr.
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