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17.01.2023

11:03

Autonomes Fahren

Mobileye-Gründer kritisiert Tesla und Mercedes

Von: Felix Holtermann

Der Chef der Autopilot-Firma Mobileye will nach Rückschlägen neue Allianzen schließen. Mit den Strategien einiger Autobauer geht er jedoch hart ins Gericht.

Mobileye auf der Elektronikmesse CES Reuters

Autonomer Kleinbus Holon

In dem auf der Elektronikmesse CES präsentierten Fahrzeug steckt Technologie von Mobileye.

Las Vegas Weltweit gehört Mobileye zu den führenden Anbietern von sensorischen Systemen für das Auto. Nun nimmt Gründer Amnon Shashua Deutschland in den Fokus. „Wir führen derzeit Gespräche mit möglichen deutschen Kunden und sind offen für neue Partner“, sagt der Chef des auf das autonome Fahren spezialisierten Unternehmens aus Israel im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Zuletzt hatte Volkswagen eine umfassende Zusammenarbeit mit Mobileye vereinbart – und parallel das mit Ford gestartete Joint Venture Argo AI eingestellt. Shashua will den Deal nicht kommentieren. Gemeinsam wollen die neuen Partner unter anderem autonome Fahrleistungen auf der Autobahn verbessern, heißt es aus Branchenkreisen.

Wie der Gründer bestätigt, soll schon in den kommenden Wochen eine weitere Partnerschaft mit einem großen Autobauer bekannt gegeben werden, der nicht aus Europa kommt. Es wäre die siebte Kooperation: Mobileye hat nach eigenen Angaben bereits Verträge mit vier chinesischen und zwei europäischen Herstellern geschlossen.

Autonomes Fahren: BMW wendete sich von Mobileye ab

2017 hatte der Chiphersteller Intel die israelische Firma übernommen und im vergangenen Oktober erneut in Teilen an die Börse gebraucht. Für Mobileye ist die Gewinnung von Neukunden extrem wichtig. 2022 hatte das Unternehmen einige Rückschläge verbucht. So hatte sich BMW von Mobileye abgewandt.

Momentan sind die Fahrzeuge der Münchener zwar mit dem System aus Israel ausgestattet. Bei künftigen Generationen von Elektroautos kooperiert BMW jedoch mit dem kalifornischen Konkurrenten Qualcomm. „Wir werden in Zukunft hoffentlich wieder eine engere Beziehung haben“, sagt Shashua über BMW.

Der Mobileye-Chef wirbt um weitere Partner in der Autoindustrie. Bloomberg

Amnon Shashua

Der Mobileye-Chef wirbt um weitere Partner in der Autoindustrie.

Der US-Chipriese Nvidia wiederum verkündete kürzlich auf der Technologiemesse CES in Las Vegas eine neue Partnerschaft mit dem weltgrößten Auftragsfertiger Foxconn, um gemeinsam autonome Fahrzeugplattformen zu entwickeln.

Auch Mercedes-Benz hat sich Nvidia an Bord geholt. Die Schwaben rechnen mit der bevorstehenden Zulassung ihres autonomen Fahrsystems auf den Highways der US-Staaten Nevada und Kalifornien in den kommenden Wochen. Ab einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern kann der Fahrer bei diesen Systemen des sogenannten Level 3 seine Aufmerksamkeit von der Straße abwenden, die Haftung geht auf den Hersteller über.

Mobileye-Chef übt Kritik am Mercedes-Ansatz

Shashua hält wenig von diesem Ansatz. „Alle autonomen Fahrsysteme unter einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern sind nicht sinnvoll“, sagt er. Zu häufig müssten Fahrer eingreifen, das System schalte sich beliebig an und aus. „Das ist nicht zukunftsfähig vermarktbar.“ Ziel müsse sein, dass das Auto von der Autobahnauffahrt bis zur Abfahrt autonom fahre – und auch mit gefährlichen Situationen umgehen könne, ohne dass der Fahrer eingreifen muss.

Grundsätzlich hält der Jerusalemer Informatikprofessor wenig von der bisherigen fünfstufigen Einteilung autonomer Fahrsysteme: „Level 2, 3, 4 ist eine Bezeichnung für Ingenieure, nicht für Nutzer.“ Mobileye unterscheidet Systeme, bei denen der Fahrer die Hand vom Steuer nehmen kann, und solche, bei denen er gar nicht mehr auf die Straße blicken muss. „Der Fahrer muss wissen, wann das System eingreift und wann nicht“, sagt Shashua.

Grafik

Optimistisch zeigt sich der 62-Jährige beim Einsatz von Robotaxis in Deutschland: Dieser rücke näher. „Unsere Testflotte in München sammelt täglich Daten“, sagt er. Kürzlich habe die Technologie eine Zulassungsempfehlung des Tüv Süd erhalten. Damit werde Mobileye autonome Fahrzeuge mit Sicherheitsfahrer auf allen deutschen Straßen betreiben können.

Mobileye hatte ursprünglich den Start eines Robotaxi-Dienstes in München bereits für 2022 angekündigt. Jetzt hieß es, die Pilotphase werde 2023 „weiter an Fahrt aufnehmen“, nachdem die rechtlichen Vorgaben auf den Weg gebracht worden seien.

In Deutschland setzt auch Benteler aus Paderborn auf die Technologie von Mobileye. Auf der CES stellte der Autozulieferer seinen autonomen Kleinbus „Holon“ vor.

Vollautonome Fahrzeuge: Weitere Sensoren notwendig

Wenig hält Shashua auch von den wiederholten Versprechungen von Elon Musk: „Der Ansatz von Tesla ist gefährlich.“ Der Chef des Elektroautoherstellers hatte mehrfach den Start vollautonomer Fahrzeuge angekündigt und musste dann zurückrudern. Tesla setzt im Unterschied zu allen Wettbewerbern nur Kameras ein, keine zusätzlichen Radar- und Lidarsensoren. Nach einer Reihe von teils tödlichen Unfällen ermittelt die US-Verkehrsaufsicht.

Bald könnte Mobileye seine Testfahrten auf ganz Deutschland ausweiten. dpa

Test selbstfahrender Taxis in München

Bald könnte Mobileye seine Testfahrten auf ganz Deutschland ausweiten.

Der Mobileye-Chef glaubt, dass Tesla schon bald grundlegend umschwenken muss. „Was Tesla in der Öffentlichkeit sagt, unterscheidet sich von dem, was sie intern tun. Tesla wird aktive Sensoren hinzufügen müssen, da bin ich mir sicher“, sagt Shashua. Bereits heute gebe es Berichte, dass Tesla bildgebende Radare teste.

Mobileye bietet mehrere autonome Fahrsysteme parallel an. Das günstige Basissystem „Supervision“ unterstützt mit Kameras den Fahrer. Dafür verzeichnet Mobileye nach eigenen Angaben in China eine starke Nachfrage. Mehr als 70.000 Besitzer eines Zeekr-Elektroautos sollen in Kürze ein Update erhalten, das wichtige kartenbasierte Funktionen freischalte. Zeekr ist eine Marke der Geely-Gruppe, dem wichtigsten Mobileye-Partner in dem Land.

Die Systeme „Chauffeur“ und „Drive“ enthalten zusätzliche Radar- und Lidarsensoren sowie Chips. Eines Tages soll ein mit „Drive“ ausgestattetes Auto ohne Fahrer unterwegs sein können.

„Mobileye hat interessante Vorteile gegenüber den Wettbewerbern, etwa das umfassende Kartierungssystem“, sagt Sam Abuelsamid, Chefanalyst beim Branchenexperten Guidehouse. Die Aufteilung des Autopiloten in mehrere Systeme sei ungewöhnlich. Der Vorteil: „Mobileye kann so das Basis-Kamerasystem einzeln verkaufen.“

Allerdings bestimmten die Kameradaten auf allen Stufen die Fahrentscheidungen – Radar und Lidar kämen nur als zusätzliche Sicherheitsebene hinzu. „Ob dieses Modell zukunftsfähig ist, muss sich zeigen“, sagt Abuelsamid.

Mobileye: Rosige Planungen, aber rote Zahlen

Gründer Shashua gibt sich optimistisch: „Die Herausforderung im Roboter-Autogeschäft ist nicht die Technologie“, sagt er. Von wenigen Grenzfällen abgesehen funktioniere das autonome Fahren bereits. „Die meisten Anbieter scheitern daran, zu skalieren und ein profitables Geschäftsmodell aufzubauen.“ Für 2030 rechnet Mobileye mit einem Autopilot-Umsatz von mehr als 17 Milliarden Dollar. Einen Bedarf für größere Zukäufe gebe es nicht, betont Shashua.

Die Pläne erscheinen aus heutiger Sicht ambitioniert: Im dritten Quartal des vergangenen Jahres erzielte Mobileye einen Umsatz von 450 Millionen Dollar. Zugleich rutschte die Firma in die roten Zahlen und schrieb einen operativen Verlust von 25 Millionen Dollar. Shashua hofft, dass es 2023 vor allem aufgrund des starken Chipgeschäfts wieder aufwärtsgeht. „Wir befinden uns in Bezug auf das Wachstum an einem Wendepunkt.“

Erstpublikation: 16.01.2023, 04:18 Uhr.

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