Essays schreiben und Programmcode korrigieren: Die Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz ChatGPT sind beeindruckend. Microsoft will Milliarden in Sam Altmans Labor OpenAI investieren.
Sam Altman
Der Mitbegründer von OpenAI ist derzeit ein gefragter Mann im Silicon Valley.
Bild: Getty Images; Per-Anders Pettersson
Düsseldorf Das Forschungslabor OpenAI hat Ende November 2022 ein Programm veröffentlicht, das anders als viele Hypes um künstliche Intelligenz (KI) der vergangenen Jahre auch bei Fachleuten einen bleibenden Eindruck hinterlässt: ChatGPT kann Essays für die Universität schreiben, Programmcode auf Fehler prüfen oder eine Marketingstrategie entwerfen. Eine knappe Aufgabenbeschreibung in einfachen Worten reicht dafür aus.
Die Ergebnisse sind nicht immer akkurat, teils sogar hanebüchen falsch. Trotzdem lässt die Technologie ein enormes Potenzial für die Wirtschaft erahnen – und hat damit offenbar neues Interesse beim zweitwertvollsten Technologieunternehmen der Welt geweckt: Nach Berichten mehrerer US-Medien verhandelt Microsoft mit OpenAI über ein Investment in Höhe von zehn Milliarden Dollar.
In einem komplexen Deal, an dem sich womöglich auch andere Investoren beteiligen, werde OpenAI mit 29 Milliarden Dollar bewertet, vermeldet die Nachrichtenplattform Semafor. Die Verhandlungen laufen nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg seit mehreren Monaten, der Abschluss könnte bevorstehen. Die Firmen kommentieren die Berichte bislang nicht.
OpenAI wäre damit schlagartig eines der höchstbewerteten Start-ups der USA. Für Mitgründer und Chef Sam Altman, 37, wäre dieser große Erfolg zugleich eine enorme Herausforderung: Er müsste beweisen, dass er aus der Technologie ein skalierbares Geschäftsmodell entwickeln kann – der Umsatz ist aktuell überschaubar. Altman hat sich bislang vor allem als Investor einen Namen gemacht.
Dass OpenAI mit Microsoft über ein Milliardeninvestment verhandelt, wirkt erstmal wie ein Widerspruch zur Gründungsgeschichte des Unternehmens: Altman, damals Chef des Start-up-Brutkastens Y Combinator, tat sich zur Gründung des Labors 2015 mit LinkedIn-Gründer Reid Hoffman und Tesla-Chef Elon Musk zusammen, um offene Technologie „zum Nutzen der Menschheit“ zu entwickeln. Hintergrund waren Befürchtungen, dass KI außer Kontrolle geraten und großen Schaden anrichten könnte. OpenAI war als Gegenentwurf zur kommerziellen Forschung gedacht.
Altman richtete das Unternehmen jedoch 2019 neu aus und drängte darauf, Umsatz zu erwirtschaften. Damit wollte er die teuren Rechenkapazitäten für das Training der Algorithmen bezahlen und mit den Resultaten weitere Mittel einwerben.
Das Forschungslabor gründete eine gewinnorientierte Tochtergesellschaft und öffnete diese für externe Investoren. Microsoft investierte 2019 eine Milliarde Dollar und sicherte sich exklusiven Zugang.
Seither muss OpenAI liefern. Das Start-up macht tatsächlich immer wieder mit spektakulärer Technologie auf sich aufmerksam: Neben ChatGPT hat es auch Dall-E entwickelt, eine KI, die aus einfachen Texteingaben Bilder erstellt. Auch aus absurden, wie „Ölgemälde einer Katze, die Schach spielt“. Grundlage für Dall-E und ChatGPT ist das Modell GPT-3.
„Generative AI“, also generative künstliche Intelligenz, nennen Experten diese Technologie, die selbst schöpferisch tätig wird. Trotz der spektakulären Beispiele haben die Systeme jedoch kein Verständnis der Welt – sie beruhen auf statistischen Methoden und riesigen Datenmengen.
>> Lesen Sie hier: Künstliche Intelligenz ersetzt Kreativjobs – Akademiker müssen umdenken
So gibt ChatGPT manchmal Antworten mit groben Fehlern, übertüncht das eigene Unwissen allerdings effektiv. Kritiker lästern, das Programm könne also zumindest eine Sache bereits so gut wie die Menschen: Bullshit von sich geben.
OpenAI-Chef Sam Altman selbst kennt die Grenzen seiner Technologie: „ChatGPT ist unglaublich limitiert, aber in einigen Dingen gut genug, um einen irreführenden Eindruck von Größe zu vermitteln“, twitterte er im Dezember in den Hype hinein. „Wir müssen noch viel an Robustheit und Wahrhaftigkeit arbeiten.”
Das wäre die Grundlage für ein robustes Geschäftsmodell für OpenAI. Noch ist auch der Umsatz limitiert: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters betrug er im vergangenen Jahr rund 80 Millionen Dollar.
Das Start-up erwarte aber 2023 bereits 200 Millionen Dollar, 2024 sogar eine Milliarde Dollar. Das Geld stammt beispielsweise aus Lizenzgebühren von Unternehmen. Profitabel dürfte das Geschäft aufgrund der hohen Kosten für die Infrastruktur kaum sein. Das Start-up selbst veröffentlicht keine Zahlen.
Altman steht also vor einer Bewährungsprobe. Als Unternehmer ist der Informatiker ohne Studienabschluss bisher mäßig erfolgreich gewesen: Sein Start-up Loopt, das er im Alter von 19 gründete, musste er 2012 schließen. Als Investor lief es besser, der Inkubator Y Combinator machte sich unter seiner Führung im Silicon Valley und darüber hinaus einen Namen als harte Schule für Gründer.
Der Deal mit Microsoft bietet OpenAI einiges Potenzial. Zum einen sichert sich das Start-up Zugriff auf die Infrastruktur des Konzerns, zum anderen könnte es seine Technologie auch an Microsoft vermarkten: Der Softwarehersteller prüft laut einem Bericht des Fachportals „The Information“, die Technologie in der Suchmaschine Bing und im Bürosoftwarepaket Office zu nutzen. So könnte beispielsweise Powerpoint selbständig Illustrationen für Präsentationen erstellen.
Für langfristigen Erfolg müsste sich OpenAI jedoch auch gegen große Konkurrenten durchsetzen. Mit Google-Mutter Alphabet investiert schließlich auch das drittwertvollste Technologieunternehmen der Welt intensiv in die Entwicklung eigener KI-Technologie. Es ist also trotz der Milliardeninvestition von Microsoft nicht ausgemacht, dass auch der nächste große KI-Hype von OpenAI kommt.
Erstpublikation am 10.01.23, um 17:48 Uhr.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×