Der US-Konzern schrumpft und schreibt rote Zahlen. Eine neue Generation von Server-Chips soll nun die Wende einleiten. Sonst wird es eng für die Investitionen in Sachsen-Anhalt.
München Die Verluste sind gewaltig, der Umsatz sinkt deutlich: Intel geht es schlecht, und die Aussichten für die kommenden Monate sind düster. Für die vor Jahresfrist von Vorstandschef Pat Gelsinger angekündigten milliardenschweren Investitionen in neue Werke in Magdeburg sind das keine guten Nachrichten.
Im jüngsten Quartal ist das Geschäft des amerikanischen Chipkonzerns eingebrochen: Die Erlöse sind um ein Drittel auf 14 Milliarden Dollar abgestürzt, unterm Strich stand ein Verlust von 700 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2022 hatte der Halbleiterhersteller noch einen Gewinn von 4,6 Milliarden Dollar erzielt.
Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Am unteren Ende der Prognose wird der Umsatz im laufenden Quartal mit 10,5 Milliarden Dollar so niedrig ausfallen wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Analysten hatten mit 14 Milliarden Dollar gerechnet. Zudem werde ein operativer Verlust anfallen, teilte Intel am späten Donnerstagabend mit.
CEO Gelsinger gibt sich dennoch zuversichtlich: „Ich möchte alle daran erinnern, dass wir uns auf einer mehrjährigen Reise befinden.“ Vor zwei Jahren hatte der 61-Jährige die Führung bei Intel übernommen. Mit gewaltigen Investitionen, unter anderem in zwei Werke in Sachsen-Anhalt, will der Ingenieur den Chiphersteller wieder an die Weltspitze führen.
Doch die Aufholjagd stockt, bevor sie richtig Fahrt aufgenommen hat. Intel leidet unter dem Einbruch auf dem PC-Markt: Prozessoren für Bürocomputer und Laptops sind das wichtigste Geschäft der Amerikaner.
Auch die einst hochprofitable Server-Sparte schrumpft und verdient fast kein Geld mehr. Im vierten Quartal brach der Umsatz um ein Drittel ein, der operative Gewinn sank um mehr als 80 Prozent.
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In diesem Bereich wird sich dieses Jahr entscheiden, ob Intel die Trendwende gelingt – und es neue Werke wie die an der Elbe überhaupt noch braucht. Gerade erst hat Intel seine neueste, vierte Generation von sogenannten Xeon-Prozessoren auf den Markt gebracht. Diese gelten als Gehirne von Netzwerkrechnern, den sogenannten Servern. Sie stehen in den Rechenzentren von Internetriesen wie Google und Facebook, aber auch bei Tausenden Mittelständlern.
Noch vor wenigen Jahren hatte Intel dieses Geschäft praktisch nach Belieben dominiert, inzwischen aber ist der Marktanteil den Experten von Mercury Research zufolge auf rund 80 Prozent gefallen. Vor allem Konkurrent AMD setzt Intel schwer zu. Das ist besonders bitter für den Konzern, weil das Geschäft mit den Serverchips über Jahre hinweg sehr einträglich war und deutlich höhere Renditen erzielte als die Prozessoren für PCs und Notebooks.
Intel ist indes am Siegeszug von AMD zum Teil selbst schuld. Denn die jetzt vorgestellten Prozessoren wollte der Konzern ursprünglich bereits im Sommer 2021 ausliefern. Sie waren aber technisch nicht ausgereift, und so verzögerte sich der Marktstart.
Mit den neuen Xeon-Prozessoren hofft Intel nun, Marktanteile zurückzugewinnen, indem der Konzern drängende Probleme der Kunden löst. Zum Beispiel beim Energieverbrauch: So sei es eine Option, bei nur fünf Prozent weniger Leistung den Strombedarf eines Servers um 20 Prozent zu senken, so die für die Produktlinie verantwortliche Managerin Lisa Spelman. „Das könnte gerade für europäische Kunden sehr attraktiv sein“, sagte die Managerin dem Handelsblatt. Als Folge des Kriegs in der Ukraine sind die Strompreise in Europa stark geklettert.
Die Abnehmer sehen es durchaus positiv, dass mit AMD inzwischen ein ernst zu nehmender Konkurrent da ist. „Es ist immer gut, wenn es Wettbewerb gibt“, sagt Stefan Mink von Ionos, einem großen deutschen Rechenzentren-Betreiber.
Gleichwohl seien die neuen Prozessoren von Intel wettbewerbsfähig, urteilt der Manager. Wichtig sei vor allem, dass sie energieeffizienter seien als frühere Generationen. Nach wie vor würden viele Kunden von Ionos Server mit Intel-Prozessoren bevorzugen, weil sie damit die langjährige Erfahrung hätten. „Intel hat in den letzten 20 Jahren die Standards gesetzt“, so der Manager. Die Worte von Mink haben Gewicht: Mit mehr als 100.000 Servern in 32 Rechenzentren ist Ionos einer der großen Kunden von Intel in Europa.
Auch die weltweit führenden Serverhersteller haben sich nicht von Intel abgewandt. 17 Modellreihen mit den neuen Xeon-Prozessoren bringt etwa Dell auf den Markt.
In den vergangenen drei Jahren hat der Konzern an der Börse mehr als die Hälfte an Wert verloren. Konkurrent Nvidia hat seinen Wert im selben Zeitraum verdreifacht, AMD kommt auf ein Plus von knapp 50 Prozent.
Das dicke Minus liegt auch daran, dass Intel – wie bei Xeon - häufig mit seinen Produkteinführungen die eigenen Zeitpläne nicht einhalten konnte. Das aber ändere sich gerade, verspricht Managerin Spelman. Die Prozessoren würden inzwischen im Entwicklungsprozess früher als bisher in großem Stil getestet. Das sei zwar aufwendig und teuer. Dadurch ließen sich aber Verzögerungen künftig vermeiden.
Die Investoren glauben momentan nicht an bessere Zeiten. Als Intel die neuesten Zahlen am Donnerstagabend vorgelegt hatte, brach der Kurs im nachbörslichen Handel um zehn Prozent ein. Die Ergebnisse seien „sehr schwach“, urteilte die US-Bank Wells Fargo. Entgegen der üblichen Praxis gab Gelsinger keine Prognose für 2023 ab – und sorgte damit für zusätzliche Unsicherheit.
Das gilt auch mit Blick auf die neuen Fabriken in Magdeburg. Dass es der Konzern angesichts des Umsatzeinbruchs nicht mehr ganz so eilig hat, ließ Anfang des Monats ein Sprecher durchblicken: Es sei offen, wann die Bauarbeiten beginnen würden. Die Begründung: Die geopolitischen Herausforderungen seien größer geworden, die Nachfrage sei zurückgegangen, Inflation und Rezession würden die Weltwirtschaft herausfordern.
„Das Projekt insgesamt macht Fortschritte“, beteuerte CEO Gelsinger zwar vergangene Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Es werde aber nach wie vor verhandelt mit Stadt, Land und Bund über Zuschüsse.
Die in Deutschland vergleichsweise hohen Energiekosten seien dabei das entscheidende Thema. Intel will 17 Milliarden investieren, verlangt aber bis zu 40 Prozent der Summe an Subventionen. Klar ist derzeit nur eins: Die Staatshilfe ist für Intel so wichtig wie nie.
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