PremiumDer Manager will Service Now zum Spezialisten für digitale Geschäftsprozesse ausbauen. McDermott wildert damit auch im Revier von SAP.
Bill McDermott
Der Service-Now-Chef will den Umsatz des Cloud-Dienstleisters bis 2026 verdreifachen.
Bild: Service Now
Düsseldorf Erst Frankfurt, dann München: Bill McDermott wandelt auf alten Pfaden. Der Chef des Cloud-Spezialisten Service Now, der fast zehn Jahre an der Spitze von SAP stand, ist nach der Coronapandemie wieder unterwegs, auch in Deutschland. Es geht darum, Kunden zu treffen, natürlich. „Die Chefs stehen Schlange“, sagt er im Interview mit dem Handelsblatt.
Auch einige Kunden dürften ein Déjà-vu erleben. Denn die Themen, mit denen McDermott in die Gespräche geht, erinnern ebenfalls an frühere Zeiten: Der 60-jährige Amerikaner preist gewohnt schwungvoll Produkte an, die bei der digitalen Transformation helfen sollen. „Service Now hat einen kühnen Schritt unternommen, um die Plattform für digitale Geschäfte zu werden“, sagt McDermott.
Der US-Cloud-Dienstleister ist deutlich kleiner als der deutsche Softwarehersteller, der im vergangenen Jahr rund 27,8 Milliarden Euro umsetzte. Doch der Manager hat ambitionierte Pläne: Er will die Erlöse von zuletzt 5,9 Milliarden Dollar auf mehr als 15 Milliarden Dollar im Jahr 2026 verdreifachen – das entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate von rund 20 Prozent.
Die Strategie sieht vor, einerseits den Vertrieb international auszubauen, andererseits neue Produkte zu entwickeln. Der Amerikaner schwärmt beispielsweise von den Chancen in der Fertigungsbranche. Neuerdings gibt es auch ein Programm, das SAP-Systeme analysieren und effizienter machen soll – ein Geschäft, das der Dax-Konzern selbst gern machen würde. Kurz: McDermott wildert im Revier von SAP.
Sollte der Plan gelingen, wird der Manager dafür üppig entlohnt: Im vergangenen Jahr erhielt er eine Vergütung in Höhe von 165 Millionen Dollar. 139 Millionen davon bestanden aus Aktienoptionen, die an verschiedene Bedingungen geknüpft sind. In der Liste der bestbezahlten Konzernchefs der USA steht McDermott damit auf Platz drei.
Bekannt geworden ist Service Now mit Technologie für IT-Abteilungen: Eine Cloud-Plattform soll es erleichtern, typische Anfragen von Mitarbeitern zu bearbeiten und zu automatisieren – ob bei der Beschaffung von Hardware oder Alltagsproblemen mit der Technik. In dieser Disziplin, dem „IT-Service-Management“, ist das Unternehmen nach Einschätzung des Marktforschers Gartner führend.
Die Plattform greift über Schnittstellen auf Systeme von Anbietern wie SAP und Salesforce, Microsoft und Oracle zu. Das, so das zentrale Versprechen, soll die Gestaltung von übergreifenden Arbeitsprozessen mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche ermöglichen.
Für viele Unternehmen ist das eine enorme Arbeitserleichterung. Sie setzen zahlreiche unterschiedliche Programme ein, die teils Jahrzehnte alt sind, gleichzeitig kommen durch die Digitalisierung immer neue hinzu. Eine Integration über die Grenzen der Systeme und Abteilungen hinweg gilt als langwierig und teuer.
Das Prinzip will der Service-Now-Chef auf zahlreiche andere Bereiche übertragen. Der Konzern entwickelt auf seiner Cloud-Plattform Lösungen für Personalwesen, Rechtsabteilung oder Kundenservice. Zudem hat er die Technologie für einige Branchen angepasst, von der öffentlichen Verwaltung bis zur Fertigung. Zu den Kunden zählen Bayer, BMW und Siemens.
Die Vision für Service Now formuliert McDermott so: „Alle Firmen sind zu dem Schluss gekommen – das hoffe ich zumindest –, dass die IT-Strategie die Geschäftsstrategie ist.“ Der Druck auf Manager, das Geschäft zu verändern, sei schließlich hoch wie nie, und das bei knapper Zeit. Die Plattform für diese digitale Transformation soll Service Now bieten. Das Marktpotenzial taxiert der Konzern auf 200 Milliarden Dollar.
Der Amerikaner, nie um große Worte verlegen, vergleicht die Situation mit der Gründung von SAP vor 50 Jahren, als der Konzern betriebswirtschaftliche Standardsoftware erfand und so die Buchhaltung revolutionierte: Es handle sich nicht nur um den „größten Moment in der Welt des digitalen Geschäfts“, sondern auch für ihn persönlich „um den größten Moment meines Lebens“, sagt McDermott.
Die Erfahrungen bei SAP, das er bis Oktober 2019 führte, kommen dem Manager zupass: Beim Softwarehersteller mit seiner internationalen Präsenz habe er zum einen Globalisierung des Geschäfts gelernt, zum anderen die Anpassung von Software an einzelne Branchen.
Und eine weitere Lehre beherzigt er: Für eine solche Expansion braucht es Softwarehersteller und IT-Dienstleister, die die Programme erweitern und verkaufen. Deswegen baut das Management dieses Netzwerk derzeit aus, zu den Partnern zählen Microsoft und Accenture.
McDermott betont immer wieder, dass man nicht in Wettbewerb zu anderen Softwareherstellern trete. William McKeon-White, Analyst bei Forrester, sieht das anders: Plattformen wie Service Now, Atlassian oder Micro Focus seien „auf dem besten Weg, bei Kernfunktionen mit anderen Softwareherstellern zu konkurrieren“ – beispielsweise bei Vertrieb und Marketing oder der digitalen Zusammenarbeit. Vielen Plattformen gehe es darum, die „Steuerungszentrale“ für die Digitalisierung zu besetzen.
Das bekommt SAP zu spüren: Service Now hat ein Produkt entwickelt, mit dem Kunden ihre betriebswirtschaftlichen Kernsysteme optimieren können. Die Daten liefert das deutsche Start-up Celonis, in das Service Now nach Angaben von McDermott im Zuge einer Partnerschaft 100 Millionen Dollar investiert hat.
Solche Optimierungen nutzt aber auch SAP als zentrales Argument für das Programm „Rise with SAP“, mit dem Kunden die neue Produktgeneration S/4 Hana sowie mehrere andere Cloud-Dienste einführen. Auch in Bereichen wir der Automatisierung von Prozessen hat der Dax-Konzern Produkte im Portfolio.
„Ein bisschen bewegt sich Service Now in die Richtung von SAP, ein bisschen SAP in die Richtung von Service Now“, beobachtet Analyst McKeon-White. Das Déjà-vu dürfte so schnell nicht vorbeigehen.
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