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01.07.2022

04:00

Computerabsatz

PC-Markt bricht merklich ein – manche Hersteller profitieren dennoch

Von: Joachim Hofer, Christof Kerkmann

Die Sonderkonjunktur der Corona-Pandemie ist vorbei. Unternehmen und Verbraucher kaufen weniger Computer – aber dafür hochwertigere. Konzerne wie HP oder Dell ziehen die richtigen Lehren.

Homeoffice imago images/Westend61

Arbeit im Homeoffice (Symbolbild)

Gutes Geschäft: Viele Unternehmenskunden kaufen hochwertige PCs.

München, Düsseldorf In der Coronapandemie hat der PC ein unerwartetes Comeback gefeiert: Unternehmen haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Homeoffice mit neuer Hardware ausgestattet, Schüler für den Heimunterricht. Notebooks, Tablets und Hybrid-Geräte waren nach Jahren der Umsatzrückgänge auf einmal gefragt – Hersteller wie HP, Dell und Lenovo erlebten einen Schub.

Doch der Aufschwung endet so plötzlich, wie er begonnen hat. Für das laufende Jahr prognostiziert der Marktforscher Gartner in einer an diesem Donnerstag veröffentlichten Studie, dass die Auslieferungen von PCs um 9,5 Prozent auf 310 Millionen Geräte abstürzen werden. Auch die Nachfrage nach Tablets und Smartphones wird demnach deutlich niedriger geschätzt.

Die Geschäfte der PC-Hersteller laufen deswegen aber nicht zwangsläufig schlecht. So steigen die Durchschnittspreise für Notebooks und andere Geräte, weil insbesondere Firmen höherwertige Hardware kaufen. Wer jetzt einen PC erstehe, der greife tiefer in die Tasche, sagte Gartner-Analyst Ranjit Atwal dem Handelsblatt. Es erinnert an die Premium-Strategie vieler Autohersteller: höhere Margen bei geringeren Verkaufszahlen.

Im derzeit schwierigen Marktumfeld kommt es verstärkt auf die einzelnen Schwerpunkte und Strategien der Hersteller an. Dass die Heimarbeits-Sonderkonjunktur im PC-Markt nicht dauerhaft anhalten würde, sei in der Branche wohl allen klar gewesen, erläutert Atwal: „Der PC ist immer noch das Gadget der Stunde – aber mittlerweile hat fast jeder einen.“ Zudem habe sich jedoch ein „perfekter Sturm“ zusammengebraut, der nun die Computerbauer bedrohe.

Grafik

So trüben in China scharfe Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen Corona die Konsumstimmung und erschweren die Produktion von Elektronik. Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland treiben derweil die Kosten für Energie – und damit die Inflation. Und Halbleiter aller Art sind schon seit Jahren knapp. Für Atwal, der den Markt seit Langem beobachtet, ist das eine „historische“ Kombination.

Viele Verbraucher behalten daher ihre Geräte – zumal die Hardware durch die Anschaffungen während der Pandemie häufig noch „up to date“ ist. Auch Bildungseinrichtungen, die kürzlich erst investiert haben, zeigen wenig Bedarf an. Das macht sich bei den günstigen Chromebooks bemerkbar, das sind einfache Notebooks, die viele Schulen in den USA einsetzen.

Die aktuellen Marktdaten zeigen diese Trends: Neben der einbrechenden Nachfrage nach PCs ist bei Tablets das Absatzminus von neun Prozent auf 142 Millionen Geräte 2022 ähnlich groß. Auch Mobiltelefone verkaufen sich schlecht, Gartner prognostiziert für das laufende Jahr ein Minus von 7,1 Prozent auf 1,46 Milliarden Stück.

Größere Akkus, bessere Bildschirme: Die Preise steigen

Dass die großen Hersteller dennoch optimistisch sind, hat einen Grund: Sie haben es in den vergangenen Jahren geschafft, das Preisgefüge zu verändern. Notebooks zwischen 300 und 400 Euro gebe es kaum noch, berichtet Gartner-Analyst Atwal. Heute seien viele Geräte für 700 Euro und mehr im Angebot. Und die Kunden bezahlen diese Summen auch.

Beispiel USA: Im ersten Quartal lieferten die Hersteller zwar 14 Prozent weniger Rechner aus. Gleichzeitig aber kletterte der Umsatz dank höherer Preise um 40 Prozent, so die Marktforscher von Canalys. Denn nach der Sonderkonjunktur ist auch ein bisschen vor der Sonderkonjunktur.

Zum einen tragen dazu die Verbraucher bei, die beispielsweise in hochwertige Gaming-PCs investieren. Aber das Geschäft mit Unternehmenskunden läuft nach wie vor gut – die kaufen zumeist gut ausgestattete Hardware.

Canalys zufolge haben sich viele Beschäftigte an ein hybrides Arbeitsumfeld gewöhnt, also an einen Mix aus Büro und Homeoffice. Dafür fordern sie von ihrem Arbeitgeber leistungsstärkere Geräte mit längerer Batterielaufzeit und besseren Audio- und Videofunktionen.

Das werde für den Rest des Jahres die schwächeren Verkaufszahlen ausgleichen, so das Analysehaus. Zudem hätten höhere Frachtraten und Lieferschwierigkeiten für steigende Preise gesorgt.
Auch der Durchschnittspreis für privat genutzte Rechner sei in Amerika binnen Jahresfrist um 60 Prozent in die Höhe geschossen, heißt es bei Canalys.

Dell profitiert von Firmenkunden

Die weltweit führenden PC-Hersteller schlugen sich zuletzt daher besser, als die Analysten erwartet hatten. Vor allem Dell ragte heraus. Und das war kein Zufall: Der Konzern aus Texas beliefert überproportional viele Firmen und profitierte daher ganz besonders vom Trend zu höherwertigen Bürocomputern.

So ist der Umsatz von Dell im jüngsten Quartal um 16 Prozent auf gut 26 Milliarden Dollar geklettert. Der Gewinn ist um mehr als ein Drittel auf rund 1,4 Milliarden in die Höhe geschossen.

HP dagegen ist stärker von Privatkunden abhängig. So stiegen die Erlöse im vergangenen Quartal lediglich um vier Prozent, der Gewinn ist zurückgegangen.

Die Chipindustrie ist dabei ein guter Indikator, wie es in der Computerindustrie weitergeht: Die PC-Produzenten müssen die Bauteile lange im Voraus bestellen – was sie derzeit mit Zurückhaltung tun. So sprach Intel-Finanzchef David Zinsner Anfang Juni von einem „schwächeren Umfeld“. In vier von fünf PCs und Notebooks weltweit stecken die Prozessoren von Intel. Sie sind das Gehirn der Rechner.

„Wir sehen eine leichte Delle im Privatkundengeschäft“, sagte vergangene Woche auch TSMC-Manager Kevin Zhang. Die Worte von TSMC haben Gewicht, das Unternehmen ist der weltgrößte Auftragsfertiger der Halbleiterindustrie. Konzerne wie AMD, Apple, Nvidia und Qualcomm nutzen die Werke der Taiwaner.

Von einem Einbruch spricht bei TSMC aber niemand, denn die Werke sind nach wie vor komplett ausgelastet. Die gesamte Chipindustrie kann seit inzwischen fast zwei Jahren nicht annähernd so viel liefern, wie die Kunden bestellen.

Ähnlich äußerte sich zuletzt der Produktionsvorstand des Münchener Halbleiterherstellers Infineon, Rutger Wijburg, im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Bei Computern und im Mobilfunk dürfte sich die Lage in den nächsten Monaten entspannen.“ Trotzdem wird Infineon viele Kunden nach wie vor vertrösten müssen. „Im industriellen Bereich wird die Nachfrage angesichts der starken strukturellen Treiber noch länger hoch bleiben.“

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