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01.11.2022

04:00

Computerspiele

Digitalstandort Deutschland: Games-Förderung bis 2023 ausgeschöpft

Von: Alexander Möthe

Spieleunternehmen können nun 14 Monate keine Neuanträge auf Fördermittel des Bundes stellen. Der Game-Verband hatte bereits eine Erhöhung gefordert. Nun bangt er besonders um Gründer.

Noch immer kommt ein Großteil der Games, die Deutsche spielen, aus dem Ausland. Der Förderstopp macht das nun nicht besser. IMAGO/Panama Pictures

Spielemesse Gamescom

Noch immer kommt ein Großteil der Games, die Deutsche spielen, aus dem Ausland. Der Förderstopp macht das nun nicht besser.

Düsseldorf Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stoppt vorerst die Neuanträge für die Games-Förderung des Bundes. Das geht aus einem Branchenrundschreiben des BMWK hervor. „Die große Nachfrage hat dazu geführt, dass die verfügbaren Mittel für das laufende Jahr und aufgrund von Vorbindungen auch für das Jahr 2023 aktuell erschöpft sind“, heißt es dort. Damit können Projektanträge nach jetzigem Stand frühestens 2024 wieder bewilligt werden.

Dass der Bedarf die Fördermittel übersteigt, ist auch eine Erfolgsgeschichte. „Die Anzahl der Spiele-Unternehmen im Kernmarkt ist seit dem Jahr 2020 um 26 Prozent gestiegen“, sagte Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbands Game, dem Handelsblatt. „Der Förderstopp ist jetzt aber eine Vollbremsung in der gerade so gut gestarteten Aufholjagd als Games-Standort.“

Gemessen am Umsatz von Computer- und Videospielen, ist Deutschland mit rund zehn Milliarden Euro der fünftgrößte Markt der Welt. Mehr als 90 Prozent der Spiele werden allerdings im Ausland produziert. Um den im internationalen Vergleich kleinen Game-Standort Deutschland zukunftsfähig zu machen, wurde 2019 ein Förderprogramm im Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro jährlich aufgelegt. Erst im August hatte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), in dessen Zuständigkeit die Branche aus dem Verkehrsministerium gewechselt ist, im Rahmen der Leitmesse Gamescom als „Game-Minister“ bezeichnet.

Das BMWK legt im Schreiben Wert darauf, dass es sich nicht um einen Förderstopp handle, laufende Anträge würden im Rahmen des Budgets weiter bedient. Insgesamt seien seit dem Start 447 Projekte im Fördervolumen von rund 129 Millionen Euro bewilligt worden.

Branche und Landespolitik reagieren überrascht

Probleme verursachen kann das aber dennoch: „Die Unternehmen der Branche planen mit den Geldern, nun stehen einige mitten in der Planungsphase und sind mit der Aussage konfrontiert: Es gibt nun 14 Monate lang kein Geld mehr“, erklärt Falk. „Der plötzliche Wegfall der Fördermittel gefährdet Arbeitsplätze und wichtige Investitionen, sogar die Existenz gerade kleiner Unternehmen kann gefährdet sein.“

Die Branche hatte sogar erwartet, dass die Mittel ohne Erhöhung nicht mehr ausreichen, allerdings erst mittelfristig: „Ich hatte frühestens im nächsten Jahr damit gerechnet und erwartet, dass vorher die Gelder aufgestockt werden, denn die Förderung ist eine exzellente Investition in die Zukunft“, sagte Benedikt Grindel, Managing Director bei Ubisoft Bluebyte, dem Handelsblatt. Ubisoft ist mit seinen Tochterunternehmen der größte Arbeitgeber im Computerspielbereich in Deutschland.

Das Unternehmen nutzt die Förderung für konkrete Projekte, etwa für die Umsetzung des PC-Bestsellers „Anno 1800“ für Videospielsysteme. „Durch die Förderung können wir das ohne Kompromisse angehen und diese Kompetenz in unseren deutschen Studios aufbauen“, erklärt Grindel.

Nathanael Liminski (CDU), Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, bezeichnet den Antragsstopp des Bundes als „fatales Signal“ für den Standort. Die Branche benötige zuverlässige Förderprogramme.

„Stattdessen wird mitten in der Krise, die auch die Unternehmen der Games-Branche trifft, die Förderung unterbrochen. Ein weiteres Jahr ohne zuverlässige staatliche Unterstützung wird viele Unternehmen zurückwerfen und die positive Entwicklung der vergangenen Jahre ausbremsen“, befürchtet Liminski. Die Bundesländer bieten oft eigene Förderprogramme an, die allerdings in der Regel mit einer Rückzahlung der Gelder verbunden sind.

Kostennachteil von 30 Prozent im internationalen Vergleich

Nun trifft es im unsicheren Umfeld vor allem kleine Unternehmen. Die Spielentwicklung läuft über Jahre und braucht entsprechende Planungssicherheit. Die haben die Förderbeträge des Bundes, die nicht zurückgezahlt werden müssen, gegeben. „Der plötzliche Förderstopp ist darum eine böse und potenziell existenzbedrohende Überraschung, da von langer Hand vorbereitete Projekte plötzlich nicht mehr wie geplant umgesetzt werden können“, kritisiert Johanna Janiszewski, Gründerin und CEO des Berliner Entwicklerstudios Tiny Crocodile.

Das Unternehmen hat 2018 den deutschen Computerspielpreis gewonnen und gilt als eine der Zukunftshoffnungen der Branche. „Allein unser kleines Team konnten wir durch die Unterstützung bereits mehr als verdoppeln“, erläutert Janiszewski, die auch Vorstandsmitglied im Game-Verband ist. Die Förderung ermögliche Wachstumssprünge, die sonst nur an Standorten außerhalb Deutschlands möglich gewesen wären.

Der Geschäftsführer des Game – Verbands der deutschen Game-Branche bangt vor allem um junge, gründende Unternehmen. picture alliance/dpa

Felix Falk

Der Geschäftsführer des Game – Verbands der deutschen Game-Branche bangt vor allem um junge, gründende Unternehmen.

Wie dringlich das Problem für die deutsche Branche ist, zeigt eine Ad-hoc-Umfrage von Game unter den Verbandsmitgliedern, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach planten mindestens 50 Entwicklerstudios, die Förderung noch in diesem oder im kommenden Jahr in Anspruch zu nehmen. Ein Drittel der Unternehmen, von denen bereits Spiele gefördert wurden, hat durch bereits erfolgte Förderung die Produktionsbudgets um 50 Prozent steigern können, bei einem Fünftel betrug die Steigerung 100 Prozent.

Es müsste also eher mehr statt weniger werden. Genau das hatte der Game in den Projektentwürfen für die Förderung zu Beginn eingebracht: Die Mittel sollten mit dem wachsenden Markt sukzessive mit dem Realbedarf ansteigen. „Der Topf war 2019 genau der richtige Start“, sagt Falk. Für 2024 wurde aber bereits eine Nachfrage in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich vorhergesagt.

Die Zahl scheint gut prognostiziert: Aus der Politik ist zu hören, dass ein Betrag von 70 Millionen Euro im kommenden Jahr genügen würde, um alle Anträge zu bedienen. Stattdessen könnte der bisher gesetzte Höchstförderbetrag im Haushalt für 2023 sogar noch einmal um bis zu drei Millionen Euro reduziert werden.

Starke wirtschaftliche Hebelwirkung in Frankreich

„Als Entwickler falle ich jetzt sofort wieder auf null“, sagt Falk mit Blick auf den internationalen Vergleich. „Damit ist für neue Projekte der Kostennachteil von 30 Prozent gegenüber Frankreich oder Großbritannien zurück, den wir gerade überwunden hatten.“ Dieser Kostennachteil macht Deutschland auch als Zielort internationaler Ansiedlungen unattraktiver. Zumal etwa das Beispiel Frankreich die Hebelwirkung zeige: Jedem Fördereuro stünden 1,80 Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen und acht Euro an Investitionen gegenüber.

„Die Gefahr ist, dass wir im Status quo verharren und als internationaler Standort gar nicht oder nur sehr langsam aufholen“, bestätigt Grindel, der als Ubisoft-Manager selbst in einem multinationalen Konzern tätig ist. „Wir liegen aber weit hinter den Top-Standorten zurück; vor allem fehlen uns Blockbuster, internationale Großproduktionen.“ Die bringen vor allem namhafte Spieleunternehmen mit, die die Entwicklung innerhalb ihres Netzwerks ausschreiben.

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