Nachdem die Beratung 1.500 Mitarbeiter nach Hause geschickt hat, ergreifen Firmen in Deutschland wegen des Coronavirus immer drastischere Maßnahmen.
Deutsche Telekom
Der Dax-Konzern ergreift weitere Vorsichtsmaßnahmen aus Sorge wegen des Coronavirus.
Bild: imago images / Future Image
Düsseldorf Die deutschen Unternehmen bereiten sich mit großer Sorge auf eine weitere Ausbreitung des Coronavirus vor. Nachdem die Unternehmensberatung Ernst & Young nach der Infektion eines Mitarbeiters 1.500 Kollegen vorerst nach Hause geschickt hat, wappnen sich vor allem die Konzerne an Rhein und Ruhr für Quarantänemaßnahmen in Zentralen und Betriebsstätten.
Die Unternehmen reagieren flächendeckend mit verstärkten Hygienemaßnahmen, mehr Homeoffice, der Absage von Veranstaltungen und strikten Vorgaben für Geschäftsreisen, seit sich das Virus auch in Europa ausbreitet.
„Wir nehmen die vom Coronavirus ausgehenden Risiken ernst“, heißt es auch beim Energiekonzern Eon. Selbstverständlich mache man sich über die „Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs im Rahmen der Risikobeurteilungen und mögliche zu treffende Maßnahmen“ Gedanken.
„In der Mehrheit der Fälle können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Falle einer Quarantäne wie gewohnt weiterarbeiten – beispielsweise von zu Hause aus“, erläuterte eine Sprecherin. „Für Funktionen, bei denen das nicht möglich ist – beispielsweise Monteure –, gibt es entsprechende Notfallpläne, die eine Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gewährleisten.“
Beim Stromproduzenten Uniper sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Angaben eines Sprechers angehalten, individuelle Homeoffice-Regelungen mit der jeweiligen Führungskraft zu erörtern und zu nutzen. „Hierzu haben wir unternehmensseitig Empfehlungen ausgesprochen und prüfen mit den businesskritischen Bereichen verschiedene Szenarien“, sagte der Sprecher.
Die Kölner Lanxess AG nimmt die Situation des neuartigen Coronavirus sehr ernst. Der Spezialchemiekonzern hat eine Steuerungsgruppe aktiviert, die die Entwicklungen verfolgt und alle notwendigen Maßnahmen plant und steuert.
Die Mitarbeiter sind angehalten, Dienstreisen oder größere Veranstaltungen beruflicher Art möglichst zu vermeiden und beispielsweise durch Telefon- oder Videokonferenzen zu ersetzen. Dienstreisen in die internationalen Epidemiegebiete sind bis auf Weiteres nicht gestattet. Eine Art Quarantäne für die Mitarbeiter gibt es bei Lanxess nicht.
Der Kunststoffhersteller Covestro aus Leverkusen hat die Richtlinie ausgegeben, dass Mitarbeiter alle nicht vermeidbaren Dienstreisen so planen, dass vor allem Menschenansammlungen vermieden werden – etwa an Flughäfen und Bahnhöfen. Reisen in betroffene Gebiete sollen die Mitarbeiter nicht antreten.
Sollten sich Covestro-Mitarbeiter aktuell auf einer Reise in den betroffenen Regionen befinden oder in den letzten Tagen von einer solchen zurückgekehrt sein, sollen sie sich umgehend mit ihrem Vorgesetzten in Verbindung setzen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Das Gleiche gilt für private Reisen.
Beim Essener Spezialchemiekonzern Evonik sind ebenfalls noch keine weitreichenden Schritte wie eine Quarantäne eingeleitet worden. Man sei aber grundsätzlich auf eine Pandemie mit einem Plan vorbereitet, sagte eine Sprecherin. Dieser sehe mehrere Stufen vor und könnte bis hin zur Verschiebung oder Absage von Veranstaltungen oder zur Reduzierung des Betriebs auf Kernfunktionen gehen. Das hänge von der Bewertung der jeweiligen Lage ab.
Dienstreisen in besonders betroffene Regionen seien bei Evonik temporär ausgesetzt. Reisen in andere Regionen seien grundsätzlich möglich, wenn die erforderlichen Hygienemaßnahmen eingehalten würden. „Wir raten derzeit dazu, nicht dringliche Reisen zu verschieben“, sagte die Sprecherin.
Ähnlich sieht es bei der Bayer AG aus: Dort wandte sich der gesamte Vorstand um CEO Werner Baumann am Freitag in einem internen Brief an die Mitarbeiter. „Wir wissen, dass sich viele von Ihnen Sorgen machen und sich Unterstützung wünschen. Dem kommen wir über zwei verschiedene Ansätze nach“, heißt es darin. Der Leverkusener Konzern hat ein Team mit Vertretern aus den Bereichen Gesundheitsmanagement, Sicherheit, Risikomanagement, Personal und Kommunikation eingesetzt. Es hält ständigen Kontakt zu nationalen und internationalen Organisationen und aktualisiert fortwährend die Einstufung der einzelnen Länder je nach Verbreitung des Virus in die vier Kategorien niedrig, mittel, hoch und sehr hoch.
Internationale Reisen sollen bei Bayer auf ein Minimum beschränkt, nach Möglichkeit sogar ganz gestrichen werden. Wer aus Gebieten mit hohem Risiko zurückkehrt – ob privat oder geschäftlich –, soll zunächst im Homeoffice arbeiten. Wann immer möglich, sollen die Bayer-Mitarbeiter Videokonferenzen und Skype als Alternative zu internationalen Meetings nutzen.
Der Bayer-Vorstand gibt in dem Brief auch Hinweise für konkrete Verhaltensweisen, die der Konzern als vorübergehende Vorsichtsmaßnahmen versteht. Interne und externe Zusammenkünfte in großen Gruppen sollen demnach vermieden werden. Das gilt auch für Gebiete, in denen sich das Virus noch nicht ausgebreitet hat und wo das Infektionsrisiko aktuell gering ist. Auch die Teilnahme externer Berater, Zulieferer oder anderer externer Besucher an Bayer-Meetings sollte eingeschränkt werden.
Auch die Deutsche Telekom hat eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. „Selbstverständlich gibt es Notfallpläne, um unsere Mitarbeiter und kritische Infrastruktur zum Beispiel vor den Auswirkungen einer Pandemie, soweit möglich, zu schützen“, teilte ein Firmensprecher mit. Es gelten Reisebeschränkungen für Asien. Mitarbeiter in China arbeiten im Homeoffice. „Zurzeit raten wir darüber hinaus auch von Geschäftsreisen nach Italien ab“, sagte der Sprecher.
Die Metro AG prüft nach eigenen Angaben laufend die Lage. Das erste Ziel sei es, „die Sicherheit der Mitarbeiter und Kunden zu gewährleisten. Zudem wird alles, was erforderlich und möglich ist, unternommen, um den Geschäftsbetrieb und die Warenversorgung sicherzustellen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.
Außerdem gebe es verschärfte Reiserichtlinien. So werden beispielsweise Geschäftsreisen nach China, Hongkong und Italien ausgesetzt. Für Mitarbeiter, die aus diesen Gebieten zurückkehren, „suchen die Personalabteilung und die Vorgesetzten jeweils nach Möglichkeiten, das Risiko möglicher Krankheiten und Infektionen zu minimieren. Dazu gehören zum Beispiel Arztbesuche oder die Möglichkeit, 14 Tage im Homeoffice zu arbeiten.“ Für die betroffenen Länder wurden außerdem strenge Hygieneregeln aufgestellt.
Die Telekom hat zudem eine für den 11. März mit 2.000 Teilnehmern geplante Konferenz zu Cybersicherheit in Bonn abgesagt: „Die Gesundheit und Fürsorge für all unsere Gäste und Partner ist für uns oberstes Gebot“, begründete Dirk Backofen, Leiter von Telekom Security, den Schritt.
Henkel hatte gestern seine für kommende Woche Donnerstag in London geplante Bilanzpressekonferenz abgesagt. „Wir beobachten die sich verändernde Situation seit Ausbruch des Virus sorgfältig und haben diese Entscheidung getroffen, um mögliche Gesundheitsrisiken für die Teilnehmer der Veranstaltung auszuschließen“, erklärte ein Henkel-Sprecher.
Stattdessen wird der neue Vorstandschef Carsten Knobel seinen ersten großen Auftritt in Düsseldorf erleben – ohne anwesende Journalisten und Analysten. Denen kann er die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres und die Eckpunkte seiner neuen Strategie nur über einen Webcast erklären.
Auch die Metro AG hat reagiert und „eine größere Verkaufsmesse für Kunden und mit internationalen Lieferanten, die für den 2. März in Offenbach geplant war, abgesagt“, teilte das Unternehmen mit.
Ernst & Young ist überzeugt, die Arbeit trotz der Quarantäne zumindest „eingeschränkt“ durch Homeoffice aufrechterhalten zu können. Bei einem Mitarbeiter aus dem Kreis Heinsberg war eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt worden.
„Wir haben alle Mitarbeiter der betreffenden Niederlassung darüber informiert und sie aufgefordert, bis auf Weiteres zu Hause zu bleiben“, erklärte ein Unternehmenssprecher. Betroffen sind rund 1.400 Mitarbeiter von EY in Düsseldorf, die zusammen in einem Hochhaus am Graf-Adolf-Platz arbeiten. Zusätzlich müssen 110 Beschäftigte der Niederlassung in Essen, wo der Mann ebenfalls gelegentlich gearbeitet hat, zu Hause bleiben. Laut EY hatte der Mitarbeiter keinen Kontakt mit Mandanten.
Auch der Düsseldorfer Klebstoff-, Waschmittel- und Beautykonzern Henkel hat seine Mitarbeiter aufgefordert, nur noch geschäftlich notwendige Reisen zu unternehmen. Am Standort Düsseldorf, dem Hauptsitz von Henkel mit großer Waschmittelproduktion, sei bislang noch kein Mitarbeiter erkrankt, sagte ein Henkel-Sprecher.
Der Konzern habe aber gleich, als die Fälle in Heinsberg bekannt wurden, seine dort wohnenden Mitarbeiter aufgefordert, von zu Hause aus zu arbeiten und nicht in die Zentrale nach Düsseldorf zu fahren. Ansonsten gelten an den Standorten weltweit die üblichen Vorsichtsmaßnahmen wie zum Beispiel gründliches Händewaschen.
Für Unternehmen wie Eon und die Telekom geht es nicht nur um die Aufrechterhaltung der Arbeit in den Zentralen. Energieversorger sind mit Strom- und Gasnetzen und Kraftwerken Betreiber von kritischer Infrastruktur, genauso wie Telekommunikationsunternehmen mit Festnetz und Mobilfunk.
„Wir sind auf einen möglichen Krisenfall gut vorbereitet, um unsere Kunden jederzeit sicher und zuverlässig mit Strom versorgen zu können. Wir sehen für unsere Netzgebiete derzeit keine Auswirkungen auf die Stromversorgung“, sagte die Eon-Sprecherin.
Dasselbe gilt für Innogy. Das Unternehmen, das im Herbst von Eon übernommen wurde und derzeit integriert wird, stimmt die Maßnahmen eng mit dem neuen Mutterkonzern ab. Eine zentrale Expertengruppe verfolge die Entwicklung der Virusverbreitung und die Empfehlungen der Behörden fortlaufend, führe Risikobeurteilungen durch und schlage mögliche Präventionsmaßahmen vor, heißt es. Unter anderem wurde ein „vorübergehendes Geschäftsreiseverbot“ für betroffene Gebiete ausgesprochen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die privat in Risikogebiete reisen, müssen sich mit ihren Führungskräften absprechen.
„Wir haben die sich immer weiter zuspitzende Situation bezüglich der Gefährdung und der Infektionsketten des Coronavirus sorgfältig geprüft“, erklärte Telekom-Sicherheitschef Backofen die Absage der Cybersicherheitskonferenz. Nur zwei Wochen später, am 26. März, will die Telekom eigentlich in den gleichen Räumen in Bonn die jährliche Hauptversammlung ausrichten. Eine Rückmeldung des Dax-Konzerns zu möglichen Auswirkungen des Coronavirus auf die Hauptversammlung stand zunächst aus.
Die Deutsche Post hat wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Norditalien die Zustellung von Paketen in den besonders betroffenen Regionen ausgesetzt. Sowohl die Abholung als auch die Zustellung der Sendungen auch über italienische Partner finde in den Gemeinden der betreffenden Regionen derzeit nicht statt, teilte eine Post-Sprecherin mit. SAP hatte beispielsweise Kollegen, die in den betroffenen Regionen in Italien waren, angewiesen, vorerst zu Hause zu bleiben.
In Deutschland wurden nach aktuellen Angaben der John-Hopkins-Universität mindestens 48 Menschen mit dem Coronavirus infiziert – davon gelten 16 als wieder geheilt. Zuletzt kamen in verschiedenen Bundesländern viele Infektionen hinzu – 14 in NRW, vier in Baden-Württemberg sowie jeweils eine in Bayern, Hamburg und Hessen.
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