Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

08.12.2022

15:16

Elektroautos

Hohe Energiepreise treiben das Geschäft mit Stromspar-Chips

Von: Joachim Hofer

Halbleiter aus Siliziumkarbid sind plötzlich knapp und begehrt. Nun schließen die Kunden lang laufende Verträge – und finanzieren sogar Werke der Hersteller.

Die hohen Energiepreise treiben das Geschäft mit Stromsparchips aus Siliziumkarbid. Bloomberg

Chipproduktion

Die hohen Energiepreise treiben das Geschäft mit Stromsparchips aus Siliziumkarbid.

München Seit 35 Jahren entwickeln die Ingenieure von Wolfspeed stromsparende Halbleiter aus Siliziumkarbid (SiC). Jahrzehntelang haben sich die Kunden kaum dafür interessiert. Zu teuer waren die Chips aus dem innovativen Material. Angesichts der hohen Energiepreise reißen sich die Käufer inzwischen aber um die Bauelemente. „Das Angebot hinkt der Nachfrage immer noch hinterher“, sagte Gregg Lowe, Vorstandschef des US-Konzerns, dem Handelsblatt.

„Energieeffizienz steht überall oben auf der Agenda, das hat Siliziumkarbid einen Schub gegeben“, betonte der Manager. Auch andere Hersteller von SiC-Chips kommen kaum hinterher mit der Produktion. „Die Bestellungen sind plötzlich gestiegen“, erläuterte Isao Matsumoto, CEO des japanischen Halbleiterherstellers Rohm.

SiC ist teurer als herkömmliches Silizium, gilt aber als sehr zukunftsträchtig. Mit SiC-Chips halten Elektrofahrzeuge länger durch, lassen sich schneller laden und senken durch den niedrigeren Verbrauch die Betriebskosten. Wegen der zuletzt stark gestiegenen Strompreise ist das noch relevanter als zuvor.

Stromspar-Chips lassen Elektroautos länger laufen

Gleichzeitig sind SiC-Chips kleiner, leichter und geben weniger Wärme ab. Peter Fintl, Halbleiterexperte der Technologieberatung Capgemini, sagt: „Allein durch den Austausch von Silizium durch Siliziumkarbid lässt sich die Reichweite um acht Prozent steigern.“

Dabei steht der ganz große Boom der SiC-Chips den Konzernen zufolge erst noch bevor. „Ab 2025 legt der Markt so richtig los“, meint Wolfram Harnack, Europachef von Rohm.

Ein Blick in die Auftragsbücher belegt das. Wegen der knappen Kapazitäten schließen die Autohersteller viele lang laufende Verträge. Damit wollen sie sicherstellen, die Bauelemente in jedem Fall zu bekommen. So hat kürzlich der französische Konzern Stellantis, zu dem Peugeot und Opel gehören, SiC-Chips für eine Milliarde Euro bei Infineon bestellt. Deutschlands größter Halbleiterhersteller soll die Bauteile von der Mitte des Jahrzehnts an bereitstellen. Die britische Marke Jaguar Land Rover hat sich gerade mit Wolfspeed auf einen langfristigen Kontrakt geeinigt, die Lieferungen starten 2024.

Grafik

Es gibt noch einen Grund, weshalb die Käufer die SiC-Chips für Modelle in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts reservieren. Sie gehen davon aus, dass die Preise bis dahin massiv fallen. Einerseits, weil mit steigenden Stückzahlen in der Chipindustrie stets auch die Produktionskosten sinken. Andererseits, weil die Industrie auf ein neues Fertigungsverfahren umstellt.

Als erster Konzern weltweit versucht Wolfspeed derzeit, in einem neuen US-Werk in großem Stil auf 200-Millimeter-Siliziumkarbid-Scheiben zu produzieren. Üblich sind bislang sogenannte Wafer mit 150 Millimeter Durchmesser. Größere Scheiben sind technologisch anspruchsvoller, erhöhen aber die Produktivität. Berater Fintl sagt: „Das ist ein wichtiger technologischer Sprung, der enorme Kostenvorteile bringt.“ Wettbewerber wie Bosch, Infineon und STMicroelectronics werden in ihren neuen Anlagen nachziehen.

Konzerne erwarten Wachstum auch bei wieder fallenden Energiekosten

Um die begehrten Chips zu bekommen, investieren die Kunden inzwischen direkt in die Hersteller. So hat sich der Autozulieferer Borg-Warner jüngst mit einer halben Milliarde Dollar an Wolfspeed beteiligt. Borg-Warner bekommt dafür garantierten Zugang zu SiC-Chips im Wert von 650 Millionen Dollar pro Jahr.

Ganz so weit ist Infineon noch nicht. Der Dax-Konzern denke aber darüber nach, Anzahlungen von Abnehmern entgegenzunehmen, sagte unlängst Peter Schiefer, Chef der Autosparte. Es stehen große Investitionen an: Infineon errichtet ein neues SiC-Werk in Malaysia und baut die SiC-Fertigung im österreichischen Villach aus.

Der japanische Wettbewerber Rohm fordere zwar keine Vorauszahlungen für die geplanten zusätzlichen Kapazitäten, erläuterte Vorstandschef Matsumoto. Allerdings erwarte er von den Kunden, dass sie langfristige Verträge abschließen: „Wir brauchen das, um zu planen.“ Für das Geschäftsjahr 2025 rechnet Rohm eigenen Angaben zufolge mit einem SiC-Umsatz von umgerechnet rund 900 Millionen Euro.

Energieeffizienz steht überall oben auf der Agenda, das hat Siliziumkarbid einen Schub gegeben. Gregg Lowe, Vorstandschef des US-Konzerns Wolfspeed

Die Chipkonzerne gehen davon aus, dass sich der Siegeszug von SiC fortsetzt, selbst wenn die Energiepreise wieder sinken sollten. Rohm-Chef Matsumoto ist überzeugt: „SiC ist auf dem Weg hin zur Klimaneutralität nicht wegzudenken.“

Einige Halbleiterhersteller rechnen sogar mit einem noch stärkeren Wachstum, als der Marktforscher Yole bereits äußerst positiv prognostiziert: Bis 2027 stiegen die branchenweiten Erlöse mit SiC-Chips auf 6,3 Milliarden Dollar, rund sechsmal so viel wie vergangenes Jahr. Das entspräche bereits einem jährlichen Plus von gut einem Drittel.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×