Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

09.07.2022

10:30

Elektromobilität

Endspiel für das Sonnenauto – Wie Sono Motors die Serienproduktion plant

Von: Thomas Jahn

Das Start-up Sono Motors will ein preisgünstiges Elektroauto bauen, das mit der Kraft der Sonne fährt. Doch auch nach dem Börsengang bleibt das Geld knapp.

Der Sion ist das erste und einzige Modell von Sono Motors, das Ende 2023 in Serienproduktion gehen soll.

Sono Motors

Der Sion ist das erste und einzige Modell von Sono Motors, das Ende 2023 in Serienproduktion gehen soll.

München Die Solarzellen ziehen sich über das gesamte Auto – über das Dach, die Tür, die Heckklappe und den Kotflügel. Insgesamt 456 Halbzellen hat Sono Motors im Prototyp des Sion verbaut. Sie sollen dem außergewöhnlichen Elektroauto beim Parken zusätzliche Energie geben, ohne dass ein Kabel angeschlossen werden muss. Im Schnitt spende die Sonne so Energie für 112 Kilometer die Woche, hat Sono errechnet. Wenn die Sonne kräftig scheint, seien es gar 245 Kilometer.

„Driven by the sun“ – so bewerben die Münchener das Modell. So ganz stimmt das nicht: Denn auch der Fünftürer wird zusätzlich über ein Kabel geladen, das Haushaltsstrom in eine LFP-Batterie speist. Aber immerhin: Kleinere Fahrten zum Einkaufen oder die Fahrten von „Mini-Pendlern“, wie Sono Motors einige Beispielkunden nennt, sind per Sonne möglich. „Die Nachfrage ist sehr gut“, sagt Gründer Laurin Hahn. Der Geschäftsbericht weist mehr als 30.000 Vorbestellungen aus.

Ein erstaunlicher Erfolg. Denn das Start-up aus München stand mehrfach vor dem finanziellen Aus. Doch mit Erfindungskraft, Kreativität und Glück schafften es die Gründer Hahn, Jona Christians und Navina Pernsteiner, die im Herbst 2020 ausschied, immer wieder, neue Geldquellen aufzutun. „Was die erreicht haben, ist unglaublich“, sagt Karl-Thomas Neumann, ehemaliger Opel-Chef und Start-up-Investor, und lobt ihr „Durchhaltevermögen“.

Für die Finanzierung ist Sono Motors mitunter ungewöhnliche Wege gegangen: Mit mehreren Kampagnen sammelte Sono Motors zuletzt insgesamt mehr als 60 Millionen Euro im Crowdfunding ein. Mehr haben über diesen Weg nur einige Blockchain-Projekte und das Videospiel Star Citizen hereingeholt. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt Hahn, „in Deutschland gibt es einfach kaum Finanzierung für Hardware-Tech-Firmen.“

Nach dem erfolgreichen Crowdfunding hatten mehrere Risikokapitalgeber im Jahr 2020 weitere 45 Millionen Euro bei Sono investiert. Der Börsengang an der Nasdaq im Herbst 2021 spülte nochmals 142 Millionen Euro in die Firmenkasse.

Sono macht hohe Verluste - und kaum Umsatz

Die Verluste, die Sono aktuell einfährt, sind allerdings hoch. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 belief sich der Verlust auf 25,5 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 20.000 Euro, der im Wesentlichen durch die Lizenzierung der Solartechnologie erzielt wurde. Aktuell hat Sono laut Quartalsbericht noch eine Cashreserve von rund 103 Millionen Euro.

Im Herbst 2021 ging Sono Motors an die US-Börse Nasdaq. Wegen der Corona-Pandemie läutete Gründer Laurin Hahn die Börsenglocke in München - per Videoschalte nach New York.

Börsengang

Im Herbst 2021 ging Sono Motors an die US-Börse Nasdaq. Wegen der Corona-Pandemie läutete Gründer Laurin Hahn die Börsenglocke in München - per Videoschalte nach New York.

Für einen Start der Produktion reicht das noch nicht. Eigentlich sollte der Sion bereits Ende 2019 vom Band laufen. Den angepeilten Verkaufspreis hat Sono Motors seitdem von 16.000 Euro auf zuletzt 29.900 Euro angehoben. Die Spezifikationen wurden dafür mehrfach angepasst.

Aber auch die Situation auf dem Markt hat sich verändert, weil bestimmte Bauteile teurer geworden sind. Zu den Partnern von Sono gehören unter anderem die Zulieferer Thyssen-Krupp und Bertrand.

Der Gegenwind macht sich auch an der Börse bemerkbar: Seit dem Börsengang ist der Kurs der Aktie um 84 Prozent auf 2,82 Euro gefallen – von den zwei Milliarden Dollar, die Sono beim Börsengang wert war, ist die Bewertung auf derzeit 238 Millionen Dollar gefallen. Die Anleger fragen sich offenbar, ob Sono bis zum Start der Serienproduktion Ende 2023 durchhalten kann.

Dafür braucht es nach Unternehmensangaben weitere 275 Millionen Euro. Doch die schlechte Börsenlage macht es Sono schwer, eine echte Kapitalerhöhung zu starten. Um die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen, geht das Start-up darum ungewöhnliche Wege bei der Finanzierung.

Mit der Berenberg Bank wurde zuletzt ein sogenanntes „At-the-Market-Programm“ aufgesetzt. In den kommenden zwei Jahren kann Sono demnach Aktien im Gesamtwert von bis zu 150 Millionen Dollar an den Markt bringen.

Allerdings dürfen dafür nur 20 Prozent des durchschnittlichen Handelsvolumens der letzten zehn Tage emittiert werden, derzeit also nur 80.000 Aktien pro Tag. So könnte Sono auf über 200 „Mini-Kapitalerhöhungen“ in den kommenden Jahren kommen. Den Aktienkurs dürfte das weiter drücken, fürchten Analysten.

Sion soll bei Valmet in Schweden gebaut werden

Für Branchenexperte Neumann ist längst nicht ausgemacht, dass die Finanzierung für den Anlauf der Produktion gesichert ist. „Bei allen Achtungserfolgen – das wird ein schwieriges Unterfangen.“

Der Autoexperte spricht aus eigener Erfahrung: Noch vor wenigen Jahren hatte Neumann sich selbst am Start-up ACM beteiligt, das ein preiswertes Elektroauto vor allem für Schwellenländer bauen wollte. Auftragsfertiger Magna sollte es bauen – doch dann fand sich kein Geldgeber mehr, die Firma ging in die Insolvenz. „Das ist eine traurige Sache: Solche Ideen kann man in Deutschland nicht verwirklichen“, sagt Neumann.

Sono versucht es trotzdem und setzt dabei auf maximale Effizienz. Das Start-up konzentriert sich auf ein Modell, das auch nur in einer Farbe ausgeliefert wird: Schwarz. Eigentlich sollte der Sion vom chinesischen Evergrande-Konzern in einem ehemaligen Saab-Werk in Schweden gebaut werden. Der Partner geriet in eine finanzielle Schieflage.

Mittlerweile setzt Sono auf den finnischen Auftragsfertiger Valmet. Die Finnen bauen bereits unter anderem den Mercedes GLC. Aktuell ist geplant, dass die Produktion im zweiten Halbjahr 2023 startet. Im finnischen Uusikaupunki sollen dann 43.000 Fahrzeuge vom Band laufen.

Einfach, karg und grün: Das Elektroauto von Sono Motors ist ohne großen Luxus, die Moosleiste mehr Design als Luftfilter.

Innenraum Sino

Einfach, karg und grün: Das Elektroauto von Sono Motors ist ohne großen Luxus, die Moosleiste mehr Design als Luftfilter.

Bis März gaben nach Unternehmensangaben 17.000 Menschen eine Vorbestellung für das „preisgünstige und nachhaltige“ Elektroauto ab - und zahlten im Schnitt 2310 Euro an, was Sono bislang mehr als 41 Millionen Euro einbrachte. Nehmen alle ihre Kaufoption wahr, liegt der Wert der Reservierungen bei 368 Millionen Euro. Hinzu kommen 15.250 Vorbestellungen gewerblicher Kunden, allerdings ohne Anzahlung.

Sono verkauft seine Solartechnik gegen Lizenz

Neben dem reinen Verkauf von Autos will Sono auch die verwendete Solartechnologie zu Geld machen. „Sonos Solarintegration ist leichter, preiswerter und flexibler als andere Angebote“, schrieb Analyst Michael Filatov von der Berenberg Bank.

Die Solarzellen werden in sieben Schichten per Spritzgussverfahren in eine Polymermatrix der Karosserie eingebunden. Anders als bei herkömmlichen Solarzellen wird kein Glas verwendet, die Paneele besitzen daher eine hohe Widerstandsfähigkeit und sind bruchsicher.

456 Halbzellen sind auf dem Elektroauto von Sono verteilt - und per Spritzgussverfahren in die Karosserie integriert.

Solarzellen

456 Halbzellen sind auf dem Elektroauto von Sono verteilt - und per Spritzgussverfahren in die Karosserie integriert.

Die Technologie will Sono an andere Unternehmen gegen Lizenz verkaufen. Bislang hat das Start-up Kooperationen mit 18 Unternehmen wie MAN oder der Münchener Verkehrsgesellschaft unterzeichnet. Zuletzt hat der französische Kühlfahrzeugspezialist Chereau angekündigt, seine Fahrzeuge und Anhänger künftig mit Sono-Solartechnik auszustatten. Bis zu 8475 Liter Diesel pro Jahr könnten so mit jedem Anhänger eingespart werden, verspricht das Start-up.

Sono-Gründer Hahn ist sich daher sicher: „In fünf Jahren wird Solar in vielen Elektroautos selbstverständlich sein“, sagt der Gründer. „Dafür ist die Idee zu zweckdienlich, preisgünstig und nachhaltig.“

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×