Gebäude spielen eine zentrale Rolle im Vorgehen gegen den Klimawandel. Das Start-up sieht einen Milliardenmarkt und konnte Investoren von seinem Geschäftsmodell überzeugen.
Karsten Schmidt
„Wir wollen Marktführer werden“, sagt Schmidt.
München Ampeers Energy will den Klimaschutz für Immobilienbesitzer verstärkt zum Geschäftsmodell machen. „Bei der Dekarbonisierung von Gebäuden entsteht gerade ein Milliardenmarkt“, sagte Ampeers-Energy-Gründer Karsten Schmidt dem Handelsblatt.
Die Fraunhofer-Ausgründung hat ein Software-basiertes System für das Energiemanagement von Immobilien entwickelt. Damit sollen Immobilienbesitzer bei Neubau oder Modernisierung eine neue Anlage planen. Mithilfe von digitalen Zwillingen der Gesamtanlagen kann zum Beispiel simuliert werden, ob sich ein Energiespeicher lohnt. Strom, Heizung und E-Mobilität werden dann im Betrieb intelligent vernetzt.
Teil des „One-Stop-Shop“-Konzepts, so nennt es das Unternehmen, ist immer die Einplanung von Photovoltaik-Anlagen. Die Vermieter können den Strom direkt an ihre Mieter verkaufen und über die Software auch gleich abrechnen.
In den entstehenden Markt drängen derzeit viele, von den Anlagenbauern bis hin zu Beratungsunternehmen. Ob der ganzheitliche Ansatz von Ampeers vom Markt angenommen wird, muss sich noch zeigen. Zumindest Investoren konnte Ampeers Energy jetzt vom eigenen Geschäftsmodell überzeugen.
Die jüngste Finanzierungsrunde brachte einen zweistelligen Millionenbetrag ein. Als strategischer Investor stieg die Sistems GmbH ein, die ebenfalls im Bereich der Sanierung und des Klimaschutzes für die Immobilienwirtschaft aktiv ist.
Die beiden Unternehmen kooperieren bereits seit Anfang des Jahres. „Die Nachfrage ist in den vergangenen Wochen enorm gestiegen“, sagte Schmidt. Konkrete Umsatzzahlen nennt das Unternehmen nicht.
Mit dem Gesamtsystem könne der Immobilieneigentümer eine Modernisierung refinanzieren, ohne die Kaltmieten erhöhen zu müssen. Der CO2-Ausstoß eines in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhauses könne durch neue Anlagen, Photovoltaik und intelligenten Betrieb von 40 auf weniger als zwei Kilogramm pro Quadratmeter gesenkt werden.
Fortschritte bringt praktisch jede Modernisierung – zum Beispiel durch eine effizientere Heizung. Es ist also nicht der ganze Effekt Ampeers zuzuschreiben. Doch sollen die einheitliche Planung, die Photovoltaik-Anlagen und die intelligente Vernetzung zusätzliches Potenzial bergen.
Das Thema ist derzeit aus zwei Gründen aktuell: wegen der gestiegenen Energiepreise und wegen des Klimawandels. Laut Bundesregierung verursachte der Gebäudesektor in Deutschland im vergangenen Jahr CO2-Emissionen von 115 Millionen Tonnen. Das waren zwei Millionen Tonnen mehr als in den Obergrenzen vorgesehen. Bis 2030 soll sich der Ausstoß auf 67 Millionen Tonnen fast halbieren.
Minister Robert Habeck (Grüne) verkündete kürzlich ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor. Dieses sieht unter anderem die schnellere Energiesanierung öffentlicher Gebäude und eine Neuausrichtung der Bundesförderung für effiziente Gebäude vor.
Der Handlungsdruck in der Immobilienwirtschaft ist groß. „Die Nebenkosten werden für viele Mieter nahezu unbezahlbar“, sagt Schmidt. Zudem hat der Gebäudesektor seine Klimaziele verfehlt und muss den CO2-Ausstoß rasch senken. Etwa 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entfallen laut UN-Angaben auf Immobilien.
Für die Immobilienunternehmen geht es um viel Geld. Eine Firma mit 5000 Wohnungen im Bestand und einem CO2-Fußabdruck von 16.000 Tonnen im Jahr müsse bei einer CO2-Bepreisung von 100 Euro im Jahr 2030 mit Kosten von 1,6 Millionen Euro rechnen, wenn sie bis dahin ihre Emissionen nicht reduziere, rechnet Schmidt vor. Hinzu kämen mögliche Einnahmen aus dem Verkauf von Solarstrom.
Bei der letzten Finanzierungsrunde vor gut einem Jahr hatte Ampeers Energy einen großen Kunden als Investor gewonnen: Die österreichische Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) mit mehr als 2000 Liegenschaften übernahm 25,1 Prozent der Anteile.
Die Beteiligung sei „ein nächster konsequenter Schritt für die BIG zur Dekarbonisierung unseres Portfolios und darüber hinaus eine attraktive Investition in ein innovatives Unternehmen, das die richtigen Antworten für die Immobilienbranche auf die Klimafrage hat“, meinte BIG-CEO Hans-Peter Weiss. Der BIG-Konzern zog auch jetzt bei der neuen Finanzierungsrunde wieder mit.
Zielgruppe von Ampeers Energy ist die Immobilienwirtschaft, also Unternehmen mit größeren Beständen an Wohnungen oder Gewerbeimmobilien. Einen direkten Konkurrenten sieht Schmidt nicht.
Am ehesten sei das Geschäftsmodell mit dem von 1Komma5 Grad zu vergleichen, das sich allerdings an Privatkunden wende. Das Hamburger Start-up bietet Photovoltaikanlagen, Stromspeicher, Ladeinfrastruktur für Elektroautos und auch Wärmepumpen vom Produkt über die Installation bis hin zum grünen Stromvertrag aus einer Hand an.
Im Frühjahr sammelte 1Komma5 weitere 200 Millionen Euro ein. Zu den Investoren gehörten eCapital, Porsche Ventures und die Familien Haniel und Schürfeld.
>> Lesen Sie hier: Start-up 1Komma5 Grad übernimmt zweitgrößten schwedischen Solarausrüster
Hinzu kommen Heiztechnikanbieter wie Viessmann, die immer intelligentere Anlagen anbieten und sich immer stärker als Lösungsanbieter verstehen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Planung und Installation bis zur Wartung vertreten sein wollen.
Rund 85 Prozent der Gebäude in Deutschland seien bislang nur teil- oder gar nicht saniert, sagte CEO Max Viessmann dem Handelsblatt. Bei diesem Tempo müsse „man nicht lange rechnen, um zu verstehen, dass Klimaneutralität im Jahr 2045 eine Herausforderung darstellt“. Sein Konzern will in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro in Klimalösungen und Wärmepumpen investieren.
>> Lesen Sie hier: Viessmann investiert eine Milliarde Euro in Klimalösungen und Wärmepumpen
Ampeers Energy sieht seinen sektorübergreifenden Ansatz aber als überlegen an. „Wir wollen Marktführer werden“, sagt Schmidt. Das Unternehmen wolle im Geschäft mit der Immobilienwirtschaft beginnen, sich dann aber auch in den Privatkundenbereich vorarbeiten.
Der potenzielle Markt ist groß. Laut Dena-Studie gibt es mehr als drei Millionen Mehrfamilienhäuser und rund zwei Millionen Nicht-Wohngebäude, also zum Beispiel Gewerbeimmobilien. Aktuell sind diese fünf Millionen Häuser, von denen 87 Prozent energetisch nicht saniert sind, Kernzielgruppe von Ampeers.
Das Start-up hat daraus ein Investitionsvolumen von jährlich 84 Milliarden Euro für Hardware wie Wärmepumpe und -speicher sowie rund 22 Milliarden Euro für die Nutzung von Software errechnet.
Mit dem Erlös aus der jüngsten Finanzierungsrunde will Ampeers Energy das Geschäft nun rasch ausbauen. „Wir wollen unsere Plattform skalieren“, sagt Schmidt. In fünf Jahren wolle das Unternehmen mittlere bis hohe zweistellige Millionenumsätze erzielen.
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