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23.03.2023

09:30

Evidian

IT-Dienstleister Atos vor der Aufspaltung

Von: Axel Höpner

Das Spin-off Evidian sieht im Bereich der Datensicherheit große Wachstumschancen. Airbus könnte als Gesellschafter einsteigen. Einfach dürfte der Neustart aber nicht werden.

Der französische IT-Dienstleister spaltet sein Geschäft mit IT-Sicherheit und Cloud-Computing aus. imago images/IP3press

Supercomputer von Atos

Der französische IT-Dienstleister spaltet sein Geschäft mit IT-Sicherheit und Cloud-Computing aus.

München Europas größter IT-Dienstleister Atos hofft durch die in diesem Jahr geplante Aufspaltung auf einen Neuanfang. „Atos ist durch eine schwere Krise gegangen, doch jetzt wächst intern und bei den Investoren der Optimismus“, sagte Co-Chef Philippe Oliva, verantwortlich für die Abspaltung mit dem Arbeitsnamen Evidian, dem Handelsblatt. Mit dem Spin-off im zweiten Halbjahr werde die Agilität steigen, der Kundenzugang verbessert und das Wachstum beschleunigt.

Atos hatte wichtige Trends zeitweise verschlafen und war in die Verlustzone geraten. Nun sollen zukunftsträchtige Aktivitäten wie Cloud, Big Data, IT-Sicherheit und Quantencomputing verselbstständigt und an die Börse gebracht werden.

Zuvor will das französische Unternehmen bis zu 30 Prozent der Evidian-Anteile verkaufen, um mit dem Erlös das traditionelle, margenschwächere Geschäft zum Beispiel mit IT-Dienstleistungen und der Bereitstellung von Rechenzentren neu aufzustellen.

„Mit der Ausgliederung der wachstumsstärkeren Zukunftsthemenbereiche wie Cybersecurity gibt Atos diesen die Möglichkeit, stärker zu glänzen“, sagt Branchenanalyst Frank Heuer von ISG. Die künftige Evidian könne wie nur wenige andere Anbieter durchgängige Lösungen im Bereich der Datensicherheit anbieten – von der Beratung über das Produkt bis zu Implementierung und Wartung.

Zudem sei es als europäisches Unternehmen besonders überzeugend beim Datenschutz. Allerdings sei Atos bislang vor allem auf Großkunden ausgerichtet. Großes Marktpotenzial gebe es gerade im Mittelstand, wo die Unternehmen in Sachen Cybersecurity Nachholbedarf hätten.

Evidian will führende Position in Europa ausbauen

Das Umfeld für Evidian ist nun aber günstig, glaubt Oliva. Die geopolitischen Spannungen und die Probleme während der Coronapandemie und angesichts des Ukrainekriegs zeigten, dass Europa seine Interessen in Sachen Datensouveränität und Datensicherheit besser schützen müsse. Das gelte für Unternehmen ebenso wie für den Verteidigungsbereich, den das Unternehmen etwa mit Verschlüsselungslösungen beliefert.

Das geopolitische Umfeld ist günstig für die Abspaltung, glaubt der Manager. Atos

Designierter Evidian-Chef Philippe Oliva

Das geopolitische Umfeld ist günstig für die Abspaltung, glaubt der Manager.

„Da muss Europa einen besseren Job machen“, sagte Oliva. Andere Staaten wie die USA seien hier deutlich aktiver, das zeige auch das Subventionsprogramm IRA von US-Präsident Joe Biden. Evidian sei gut aufgestellt, um Lösungen zu entwickeln. „Wir wollen unsere Position als führendes Unternehmen für Cybersecurity und Datenschutz ausbauen und digitale Transformation in einer sicheren Cloudumgebung ermöglichen“, sagte Oliva.

Die Bedeutung von Cybersicherheit ist nach Einschätzung von Experten in Zeiten von Datenklau wie beim Autozulieferer Continental, des Ukrainekriegs und der wachsenden globalen Spannungen weiter gestiegen. „Cyberattacken können für Unternehmen aller Branchen existenzbedrohend sein“, sagte Bitkom-Hauptvorstand Udo Littke.

Der Branchenverband rechnet damit, dass der Markt für IT-Sicherheit allein in Deutschland in diesem Jahr um zehn Prozent auf 8,5 Milliarden Euro wachsen wird. 2025 soll die Zehn-Milliarden-Marke geknackt werden. Auch weltweit rechnen Experten mit Zuwächsen von jährlich im Schnitt gut zehn Prozent.

Entsprechend groß ist das Interesse von Investoren an einer Beteiligung an Evidian. Darunter ist auch der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus. Man strebe eine „strategische Partnerschaft“ mit Evidian an, sagte Konzernchef Guillaume Faury kürzlich. Laut Atos hat Airbus ein unverbindliches Angebot für einen Anteil von 29,9 Prozent vorgelegt. Der Verwaltungsrat werde die Gespräche fortsetzen, halte aber auch Ausschau nach weiteren Interessenten.

Ein Einstieg von Airbus würde nach Einschätzung von Branchenexperte Heuer passen. Themen wie Digitalisierung, Cloud und Cybersecurity würden auch in der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie immer wichtiger, eine europäische Lösung auf diesem Feld sei von besonderer Bedeutung.

Airbus gilt als Wunschpartner

Der designierte Evidian-Chef Oliva, der auch im Vorstand von Atos sitzt, deutete an, dass Airbus sein Wunschpartner sei: „Das würde gut passen.“ Entscheidend sei nicht allein die Höhe des Gebots, ein Interessent müsse auch strategisch passen. Man suche einen Partner, mit dem man Innovationen vorantreiben könne.

Beide Teile des Atos-Konzerns machten zuletzt Fortschritte. Im vergangenen Jahr kehrte das Unternehmen mit einem leichten währungsbereinigten Umsatzplus auf 11,3 Milliarden Euro wieder auf Wachstumskurs zurück.

Dabei zeigte sich bereits, wo die Zukunftsfelder liegen. Die Abspaltung Evidian konnte die Erlöse um knapp fünf Prozent auf 5,3 Milliarden Euro steigern, während das unter dem Namen Tech Foundation firmierende traditionelle Geschäft rückläufige Umsätze verzeichnete. Auch die operative Marge von Evidian ist mit 5,2 Prozent deutlich besser als die von Tech Foundation (1,2 Prozent). Unter dem Strich machte der Gesamtkonzern einen Verlust von rund einer Milliarde Euro.

Wir müssen erst einmal liefern und das Vertrauen der Kapitalmärkte gewinnen. Designierter Evidian-Chef Philippe Oliva

Einfach wird der Neustart der beiden Atos-Teile nach Einschätzung eines hochrangigen Insiders nicht. Die Aufspaltung binde Kapazitäten, Strukturen müssten nun teils doppelt aufgebaut werden. Gerade im traditionellen Geschäft sei es eine große Herausforderung, auf einen profitablen Wachstumskurs einzuschwenken.

Dienstleister wie Atos und T-Systems hatten in ihren Outsourcing-Segmenten im großen Stil die IT von Firmen übernommen, die diese lieber auslagerten. Gerade dieses Geschäft erwies sich aber als personalintensiv und wenig profitabel. In vielen Segmenten stehen zudem die Preise unter Druck. Neben etablierten Anbietern wie Atos, IBM und T-Systems drängen auch die Cloud-Anbieter wie Amazon Web Services und Microsoft Azure in das Segment.

Mittelfristig will Oliva die Erlöse von Evidian im Schnitt um sieben Prozent im Jahr steigern. Im Schlussquartal 2022 aber war das Wachstum bereits prozentual zweistellig. Die Prognose sei konservativ, räumte Oliva ein. „Wir müssen aber erst einmal liefern und das Vertrauen der Kapitalmärkte gewinnen.“ Die operative Umsatzrendite soll im Lauf der Jahre von acht auf zwölf Prozent steigen.

Evidian wird allerdings den größeren Teil der Schulden des Konzerns von zuletzt 1,45 Milliarden Euro mit in die Unabhängigkeit nehmen müssen. Oliva sagte dazu lediglich: „Die Kapitalstruktur der beiden Unternehmen wird im zweiten Halbjahr detailliert festgelegt.“

Erstpublikation: 20.03.2023, 15:17 Uhr.

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