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25.08.2022

19:10

Gamescom

Zwischen Boom und Konsolidierung: So hat sich die Gamingbranche verändert

Von: Tristan Heming

Nach langer Pause findet die Gamescom wieder vor Ort in Köln statt. Doch bei aller Wiedersehensfreude: Die Aussichten der Videospielbranche sehen nicht so gut aus.

Die Branche sucht nach dem Boom durch die Pandemie nach Orientierung. AP

Fantasy auf der Gamescom in Köln

Die Branche sucht nach dem Boom durch die Pandemie nach Orientierung.

Köln Auf den ersten Blick scheint die Euphorie in den Kölner Messehallen groß: Nach drei Jahren Corona-Zwangspause sind in diesem Jahr wieder Besucher bei der Gamescom – dem größten Videospiel-Event der Welt – zugelassen. Entsprechend groß ist der Andrang: Es werden Hände geschüttelt und reale Kontakte geknüpft.

Und auch wer einen Blick auf die Zahlen wirft, könnte zunächst davon ausgehen, dass die Coronapandemie das Wachstum der Gamingbranche sogar noch beschleunigt hat. Seit der letzten Gamescom vor drei Jahren haben die Umsätze nach Angaben des Branchenverbandes Game stetig zugelegt: allein 2020 um 29 Prozent, 2021 nochmals um 17 Prozent auf 9,8 Milliarden Euro.

Doch die Krisensignale in der Branche nehmen zu: US-Riese Nvidia, einer der führenden Hersteller von Grafikkarten und Grafikchips, verkündete am Mittwoch, dass der Umsatz mit Gaming-Halbleitern im abgelaufenen Quartal um ein Drittel auf zwei Milliarden US-Dollar eingebrochen ist.

Der Absatz von Grafikchips für Spielkonsolen wie die Playstation 5 oder die Xbox Series X sei gesunken, erklärte das Management den Analysten. „Makroökonomischer Gegenwind auf der ganzen Welt hat zu einer plötzlichen Verlangsamung der Verbrauchernachfrage geführt“, sagte Nvidia-Finanzchefin Colette Kress.

Das passt zu den schwachen Zahlen der drei Konsolenriesen Microsoft, Nintendo oder Sony. Allein in den USA fielen deren Umsätze im zweiten Quartal um 13 Prozent auf 12,4 Milliarden Dollar, errechnete zuletzt der US-Marktforscher NPD.

Grafik

Den Rückgang erklärte Sonys Finanzchef Hiroki Totoki den Analysten mit „der steigenden Anzahl der Möglichkeiten für die Spieler, aus dem Haus zu gehen – weil die Covid-19 Infektionen zurückgehen“. Videospiele waren schon vor der Pandemie ein Massenmedium – doch Ausgehverbote und die strengen Regeln für öffentliche Veranstaltungen haben der Branche in den vergangenen Jahren zusätzlichen Schub gegeben.

Gerade Mobile Games am Smartphone werden heute von Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen gespielt.

Mit der Pandemie entdeckten viele Spieler die soziale Komponente dieser Games für sich: Das Spiel „Animal Crossing: New Horizons“ vom März 2020 ist heute auch deshalb eines der 15 meistverkauften Videospiele aller Zeiten, weil Spieler sich über das Internet auf ihren selbst eingerichteten, virtuellen Inseln besuchen und Zeit zusammen verbringen konnten.

Besucher spielen neue Computerspiele mit Tastatur und Maus auf der Gamescom 2022 in der Kölner Messe action press

Gamescom 2022

Besucher spielen neue Computerspiele mit Tastatur und Maus auf der Gamescom 2022 in der Kölner Messe

Nun sind die meisten Corona-Schutzmaßnahmen ausgelaufen und wirken sich nicht mehr so deutlich auf das gesellschaftliche Leben aus. Analysten erwarten für die Branche daher einen Umsatzrückgang. Allein 2022 würden die Umsätze der Branche um 1,2 Prozent auf 188 Milliarden Dollar zurückgehen, sagte zuletzt der englische Marktforscher Ampere Analysis voraus.

Das sei eine notwendige Korrektur, meint der renommierte Analyst Michael Pachter von Wedbush. Die „überdimensionierten Umsätze“ und „Rekordzahlen“ seien „unmöglich zu überbieten“ gewesen, Rückgänge seien darum erwartbar. In Deutschland konnte die Gamingindustrie dem weltweiten Trend sogar trotzen. Dort wuchsen die Umsätze mit Videospielen im ersten Halbjahr 2022 leicht um zwei Prozent.

Der Geschäftsführer des deutschen Branchenverbands Game, Felix Falk, rechnet darum nicht mehr mit einem Abschwung: „Die Menschen, die in der Pandemie Spiele neu für sich entdeckt haben, hören jetzt nicht damit auf, sondern bleiben ihrem neuen Hobby treu“, sagte er dem Handelsblatt.

Bei den Riesen der Branche ging die Konsolidierung zuletzt allerdings schnell voran. Im Januar hatte Xbox-Hersteller Microsoft angekündigt, das große Spieleunternehmen Activision Blizzard für 67,8 Milliarden US-Dollar kaufen zu wollen.

Activision ist bekannt für Bestseller wie „World of Warcraft“, „Overwatch“ und Serien wie „Call of Duty“. Allein im Januar belief sich die Gesamt‧summe für Übernahmen in der Gamingbranche auf 85 Milliarden Dollar.

Viele deutsche Firmen verkauft

Auch auf dem deutschen Markt gab es größere Übernahmen: Das britische Spieleunternehmen Team 17 kaufte im Januar 2022 den deutschen Simulationsspieleentwickler Astragon (früher Rondomedia) für 100 Millionen Euro. Größere Teile der Wertschöpfungskette verlagern sich ins Ausland, weil es in Deutschland selbst keine Großunternehmen gibt, die als Käufer auftreten könnten.

Doch im Umfeld dieser größeren Unternehmen entstehen häufig kleinere Studios. „Die wirklichen Innovationen entstehen eher selten innerhalb der großen Konzerne, die neuen Anbieter werden höchstens irgendwann von ihnen gekauft“, sagte Julian Riedlbauer, Gaming-Experte bei der Investmentbank und M&A-Beratung GP Bullhound. „Es entstehen ständig neue Player mit neuen Ideen und Games-Konzepten und feiern unerwartete Erfolge.“

Einige davon stammen aus Deutschland, wo es fast nur kleine und mittelständische Games-Unternehmen gibt. Viele von ihnen wurden verkauft, mit Bigpoint, Innogames, Goodgame Studios und Wooga sind neben Astragon auch viele andere größere Independent-Spieleunternehmen bereits von größeren Konkurrenten übernommen worden.

Der Markt sei aktuell aber nahezu leer gekauft, meint Riedlbauer, der Astragon beim Verkauf im Januar beraten hat. Er sagt: „Es müssen jetzt erst einmal neue Firmen nachwachsen.“

Förderung läuft aus

Doch die Rahmenbedingungen für neue Spieleentwickler sind in Deutschland derzeit alles andere als günstig. 2023 soll die Förderung für die Videospielindustrie, die erst vor etwa zwei Jahren gestartet wurde, gekürzt werden.
Um das deutsche Gaming-Ökosystem ins Gleichgewicht zu bringen, schlägt Falk die Ansiedlung von internationalen Gaming-Riesen in Deutschland vor.

Videospielemesse

Nach zweijähriger Corona-Pause: Gamescom lockt Videospielefans nach Köln

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„Wenn ich große Blockbuster-Produktionen am Standort habe, spalten sich schnell kleine Teams ab, die oft superschnell erfolgreich werden“, so der Game-Geschäftsführer. Die Attraktivität des Standorts Deutschland sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen, gibt sich Branchensprecher Falk optimistisch: „Wir sind endlich auf einem wettbewerbsfähigen Niveau mit Kanada, Großbritannien, Frankreich.“
Für den Branchenvertreter sind Videospiele eine Schlüsseltechnologie, die eng mit vielen anderen Industrien und Zukunftstechnologien verbunden ist. „Allein Entwicklungen rund um das Metaversum bieten riesige Möglichkeiten.“

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