PremiumMicrosoft rückt mit dem Rekorddeal zum drittgrößten Spieleanbieter der Welt auf. Zudem bringt sich der Konzern für das kommende „Metaverse“ in Stellung.
Microsoft und Activision Blizzard
Der Windows-Hersteller stärkt mit dem Kauf seine Gaming-Sparte massiv.
Bild: Reuters
New York, Düsseldorf Der Technologiekonzern Microsoft plant die größte Übernahme der Firmengeschichte. Wie aus einer Mitteilung des Windows-Herstellers vom Dienstag hervorgeht, bietet das Unternehmen fast 70 Milliarden Dollar für Activision Blizzard, einen der nach Umsatz weltgrößten Spielehersteller. Zuvor hatte das „Wall Street Journal“ darüber berichtet.
Microsoft kauft Activision zum Preis von 95 Dollar pro Aktie, was sich auf aktuell 68,7 Milliarden Dollar summiert. Bezahlt werden soll der Kaufpreis in bar. Laut Microsoft-Gaming-Chef Phil Spencer soll der Deal innerhalb der kommenden 18 Monate abgeschlossen werden.
Mit dem Zukauf wird das Unternehmen nach eigenen Angaben zur weltweiten Nummer drei im Bereich Spieleentwicklung und Entertainment. Größer sind nur der japanische Playstation-Hersteller Sony sowie der chinesische Technologiekonzern Tencent, der mehrere Beteiligungen an erfolgreichen Game-Studios und Publishern hält.
An der New Yorker Börse sorgte die Nachricht für Aufsehen. Die Activision-Aktie, die in den vergangenen Monaten deutlich nachgegeben hatte, legte nach Börseneröffnung um 30 Prozent zu. Microsoft-Papiere gaben um rund ein Prozent nach. Der Aktienkurs von Konkurrent Sony sackte am Mittwoch um 12,8 Prozent ab. Die Aktionäre sorgen sich, dass sich mit der Übernahme der Konsolenkrieg verschärft und damit ein Kerngeschäft Sonys untergraben wird.
Microsoft stärkt mit dem Kauf seine Gaming-Sparte massiv. Der Konzern hat mit der Xbox-Serie eine der erfolgreichsten Videospielkonsolen im Portfolio und bietet mit seinem „Game Pass“ einen plattformübergreifenden Aboservice an.
Zum Konzern gehören bereits Publisher wie Bethesda, der mit den Reihen „Fallout“ und „Elder Scrolls“ zwei der bekanntesten und erfolgreichsten Spiele-Franchises unterhält. Für Bethesda hatte Microsoft im September 2020 nur rund ein Zehntel der heutigen Kaufsumme aufgewendet.
Activision Blizzard ist maßgeblich durch die „Warcraft“-Spiele bekannt geworden und entwickelt unter anderem die erfolgreiche „Call of Duty“-Reihe weiter. Das Unternehmen hat im dritten Quartal 2021 rund zwei Milliarden Dollar Umsatz erzielt.
Activision Blizzard, in seiner heutigen Form durch verschiedene Fusionen etwa mit Vivendi-Abspaltungen entstanden, hat zuletzt durch eine Reihe von Skandalen von sich reden gemacht. Im Kern geht es dabei um massives Fehlverhalten auf Führungsebene und den Vorwurf von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung.
CEO Bobby Kotick, seit 1991 im Unternehmen, geriet darüber stark unter Druck. Im November forderten rund 2000 der 10.000 Activision-Mitarbeiter in einer Petition seinen Rücktritt. Microsoft erklärte nun explizit, weiter mit Kotick an der Spitze arbeiten zu wollen. An der Wall Street wird jedoch erwartet, dass Kotick nach Abschluss der 18-monatigen Übergangsphase abtritt.
Zu den Belästigungsvorwürfen innerhalb des Unternehmens erklärte Kotick am Dienstag gegenüber dem Wirtschaftssender CNBC, er nehme die Vorwürfe sehr ernst: „Wie alle Unternehmen haben wir Probleme, aber wir schauen uns das sehr genau an.“ Man arbeite hart daran, die Unternehmenskultur zu verbessern. Microsoft-Gaming-Chef Spencer betonte, man werde das Team von Activision auf diesem Weg unterstützen.
Ende 2021 habe man zum ersten Mal über den möglichen Deal gesprochen, so Spencer weiter. „Wenn wir uns den Wettbewerb draußen ansehen, das Wachstum der mobilen Spiele, das Metaverse, dann sehen wir eine große Chance.“
„Wir sehen mehr Wettbewerb auf dem Spielemarkt als je zuvor“, ergänzte Kotick. Das Zusammengehen mit Microsoft mache nun mehr möglich – etwa die Nutzung von Cloud-Diensten, Künstlicher Intelligenz und Datenanalyse. Microsoft Teams, die Chat-App des Konzerns, könne man nun ebenfalls integrieren: Durch mehr Audio- und Videokommunikation in Spielen schaffe man „eine größere virtuelle Welt, die durch Spiele verbunden ist“. Man werde in den kommenden Jahren Tausende neue Mitarbeiter einstellen, so Kotick.
Analysten sehen Microsoft durch die Übernahme besser aufgestellt für ein in den USA derzeit heiß diskutiertes Schlagwort: das „Metaverse“, also das Zusammenwachsen von Offline- und Onlinewelt durch Datenbrillen, virtuelle Avatare und soziale Netzwerke.
„Die Übernahme von Activision wird Microsofts Gaming-Ambitionen und letztlich dem Einstieg ins Metaversum auf die Sprünge helfen“, schrieb Dan Ives, Analyst bei Wedbush Securities. Gaming sei „der erste Teil der Monetarisierung des Metaversums“. Aufgrund der stark unter Druck geratenen Activision-Aktie, die im vergangenen halben Jahr 30 Prozent an Wert verloren hatte, habe Microsoft einen guten Zeitpunkt zum Einstieg gesehen.
Als erster großer Tech-Konzern hatte Facebook den Einstieg ins Metaverse zum zentralen Zukunftsprojekt erklärt – und sich sogar in Meta Platforms umbenannt.
Noch ist das Metaverse mehr Hype als Realität. Doch große Spiele-Publisher hoffen auf einen Boom sogenannter „Non Fungible Token“ (NFTs), digitaler Güter wie Ausrüstung oder besondere Optiken, die Spieler teuer bezahlen sollen. Im Markt für Mobilspiele sind derlei Bezahlansätze bereits weiter verbreitet als bei Konsolen und PCs, auch weil auf Smartphones digitale Bezahldienste meist fest integriert sind.
Activision-Chef Kotick betonte am Dienstag die Bedeutung des „Wettrennens um das Metaverse“. Diesem gehöre die Zukunft: „Das Metaverse wird eine Sammlung von Gemeinschaften sein, die sich für Gaming interessieren.“ Daher müssten die großen Spielehersteller handeln: „Nun ist die perfekte Zeit für eine Kombination mit Microsoft.“
In den USA erwarten Marktbeobachter, dass die Wettbewerbshüter ein kritisches Auge auf den Deal werfen – den mit Abstand größten der Spielebranche. Microsoft-Gaming-Chef Spencer versuchte am Dienstag bereits, entsprechender Skepsis den Wind aus den Segeln zu nehmen, und betonte den intensiven Wettbewerb in der Branche. „Der Deal ist unsere Möglichkeit, mit den größten Spieleplattformen zu konkurrieren“, sagte Spencer – sowohl solchen aus den USA als auch aus China.
Die Spielebranche wird derzeit grundlegend umgekrempelt. Die weltweiten Lockdowns im Zuge der Coronapandemie und die Suche nach Zeitvertreib haben insgesamt für deutlich mehr Nutzerwachstum bei Mobilspieleanbietern und klassischen Spieleherstellern geführt. Die Folge ist ein Boom bei Fusionen und Übernahmen.
Erst in der vergangenen Woche hatte die Übernahme des Browsergame-Anbieters Zynga für zwölf Milliarden Dollar durch den Publisher Take Two für Aufsehen gesorgt.
Auch Activision ist stark auf dem Markt für „mobile Games“, die auf Smartphones gespielt werden. Dieser gilt als schnelllebiger als der klassische Spielemarkt: Nutzer sind weniger markentreu und wechseln schneller zum nächsten Hype-Spiel. Umso wichtiger ist ein breites Produktportfolio, das sich Microsoft durch die Übernahme nun sichert.
Laut dem US-Analysehaus Invest Game stieg das Volumen von Fusionen und Übernahmen in der Spieleindustrie in den ersten drei Quartalen 2021 auf über 52 Milliarden Dollar. Zu den Hauptkäufern zählten Sony, Electronic Arts, Tencent und Embracer. Das Volumen lag damit zweieinhalbmal so hoch wie noch 2020.
Da die Videospielindustrie in der Pandemie besser abgeschnitten habe als viele andere Branchen, würden institutionelle wie Privatinvestoren die Spielebranche zunehmend als „sichere Bank“ ansehen, argumentieren die Marktexperten von Invest Game. Laut Schätzungen spielen heute drei Milliarden Menschen rund um den Globus auf Smartphones, Konsolen und PCs.
Mitarbeit: Martin Kölling
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