STMicroelectronics, Texas Instruments, NXP: Die führenden Halbleiterkonzerne erwarten ein zweistelliges Plus im Herbst. Die Börse reagiert erleichtert.
Chipfertigung
Die Fabriken der Hersteller sind voll ausgelastet bis weit ins nächste Jahr.
Bild: Sven Döring für Bosch
München Die Aktienkurse der Halbleiterkonzerne sind seit den Höchstständen im Herbst abgestürzt. Nun aber fassen die Investoren neuen Mut. Das Geschäft läuft bei vielen Herstellern besser als erwartet, wie die jüngsten Quartalszahlen zeigen.
„Die Nachfrage ist unverändert stark“, sagte Jean-Marc Chery, Chef von STMicroelectronics, an diesem Donnerstag. Die Werke des französisch-italienischen Chipherstellers seien ausgelastet. Daran werde sich auch nichts ändern. Für die nächsten anderthalb bis zwei Jahre seien die Kapazitäten ausverkauft. Das sei auch deshalb bemerkenswert, weil der Konzern so viel Geld in neues Equipment und zusätzliche Werke investiere wie nie.
Für das laufende Quartal verspricht Chery ein Umsatzplus von einem Drittel. Und für das gesamte Jahr erwartet der Konzernherr nun einen Umsatz von bis zu 16,2 Milliarden Dollar.
Das ist knapp eine Milliarde mehr, als er bisher prognostiziert hatte. Höhere Preise, größere Stückzahlen und ein vorteilhafter Produktmix seien der Grund dafür.
Die Anleger zeigten sich erleichtert. So kletterte der Aktienkurs von STMicroelectronics in Paris bis zum Mittag um drei Prozent auf 36 Euro. Das Minus gegenüber dem vergangenen Herbst beträgt zwar nach wie vor rund 20 Prozent. Seit Anfang Juli ging es aber wieder etwa 30 Prozent aufwärts.
Neben STMicroelectronics sind auch andere Chiphersteller zuversichtlich. Beispiel Texas Instruments: In den vergangenen zwei Boom-Jahren hat der Konzern stets vor Euphorie gewarnt.
Ausgerechnet jetzt, da die Anleger den Absturz fürchten, gibt sich der achtgrößte Halbleiterhersteller der Welt optimistisch. So rechnet TI im laufenden Quartal mit einem Umsatz zwischen 4,9 und 5,3 Milliarden Dollar. Am oberen Rand der Prognose sind das 400 Millionen mehr, als die Analysten bisher erwartet hatten.
Vor allem das Geschäft mit Industriekunden und Fahrzeugherstellern sei ermutigend, so Finanzvorstand Rafael Lizardi. Die Autosparte ist im zweiten Quartal um ein Fünftel gewachsen. Die Aussagen haben Gewicht, Texas Instruments gilt als Gradmesser für Zustand und Aussichten der Branche. Der Konzern verfügt über das wohl breiteste Produktportfolio. Texas Instruments bedient mehr als 100.000 Abnehmer – von Autobauern bis zu Waschmaschinenmarken.
Die Amerikaner verbreiten Zuversicht. „Irgendwann wird es eine Rezession geben, vielleicht dieses oder nächstes Jahr, oder 2025“, sagte Lizardi. „Aber darum kümmern wir uns dann, wenn es so weit ist.“
Der Aktienkurs von Texas Instruments ist am Mittwoch, nach Veröffentlichung der Quartalszahlen, um gut sechs Prozent geklettert. Nun notieren die Papiere noch knapp 15 Prozent unter dem Allzeithoch vom Herbst.
Ganz unbegründet ist die Sorge der Investoren indes nicht. „Der Markt schwächelt“, sagt Gartner-Analyst Richard Gordon. Der Experte hat seine Umsatzprognose für die Chipbranche für das laufende Jahr gerade erst halbiert. Er rechnet nun mit sieben Prozent Plus. Kommendes Jahr würden die Erlöse um gut zwei Prozent sinken.
Es sind jedoch nicht alle Chipfirmen gleichermaßen von dem schwächeren Geschäftsverlauf betroffen. NXP etwa wächst stürmisch und sieht kein Ende des Aufschwungs. Im zweiten Quartal stiegen die Erlöse des niederländischen Konzerns um 28 Prozent auf 3,31 Milliarden Dollar. Damit übertraf Vorstandschef Kurt Sievers die Analystenschätzungen.
Für das laufende Quartal verspricht der Manager ein Umsatzplus von rund einem Fünftel. Trotz des weltwirtschaftlichen Gegenwinds entwickle sich NXP gut, sagte Sievers zu Wochenbeginn. „Die Kundennachfrage in den Endmärkten Auto sowie Industrie und Internet der Dinge übersteigt weiterhin unser sich schrittweise verbesserndes Angebot.“
Auch langfristig ist der Konzernlenker optimistisch. Sievers geht davon aus, dass das Geschäft mit Autochips bis 2030 um jährlich durchschnittlich 13 Prozent zulegt. Im zweiten Quartal sind die Einnahmen aus der Autobranche um mehr als ein Drittel in die Höhe geschossen. NXP erzielt die Hälfte vom Umsatz in diesem Bereich und ist damit einer der schärfsten Rivalen des Münchner Dax-Konzerns Infineon. NXP-Aktien haben nach der Präsentation der jüngsten Ergebnisse rund fünf Prozent an Wert gewonnen.
Allerdings sind nicht alle Anbieter zuversichtlich. So leiden die Speicherchip-Produzenten unter der Flaute bei PCs und Smartphones. Der Umsatz von SK Hynix ist im zweiten Quartal zwar um 34 Prozent auf umgerechnet 10,4 Milliarden Euro geklettert.
>>Lesen Sie hier: USA und China streiten um Chiptechnologien – und damit um Europas wertvollsten Tech-Konzern
In nächster Zeit werde sich das Geschäft aber abkühlen, weil die Konsumenten weniger für Unterhaltungselektronik ausgeben, teilte der zweitgrößte Speicherchip-Hersteller der Welt mit. „Das Marktwachstum dieses Jahr wird viel niedriger sein als unsere Erwartungen zu Beginn des Jahres“, warnte Marketing-Chef Kevin Noh. Der Konzern werde daher nächstes Jahr weniger investieren als geplant.
Gartner zufolge ist das PC-Geschäft im zweiten Quartal so stark eingebrochen wie seit neun Jahren nicht mehr. Die Computerproduzenten haben demnach 13 Prozent weniger Geräte ausgeliefert. Auch Smartphones bleiben häufiger in den Läden liegen. Dies sind die wichtigsten Märkte für die führenden Speicherchipproduzenten Samsung, SK Hynix und Micron.
Die Smartphone-Flaute trifft auch den führenden Handychip-Anbieter Qualcomm. „Der Markt wird wahrscheinlich kleiner sein, als wir ursprünglich erwartet hatten“, sagte Vorstandschef Cristiano Amon am Mittwochabend. So werde der Umsatz im laufenden Quartal maximal 11,8 Milliarden Dollar erreichen, etwa 100 Millionen weniger, als Analysten vorhergesagt hatten.
Kein einziger Kunde habe bisher einen Auftrag storniert, betonte dagegen jüngst Peter Wennink, Chef des Chipmaschinen-Herstellers ASML. Auch die Speicherchip-Produzenten wie SK Hynix würden sämtliches Equipment abnehmen. „Die sagen uns: Wir wollen die Ausrüstung.“
Er gehe fest davon aus, dass ASML nächstes Jahr mehr Anlagen ausliefern werde als 2021. Der Konzern hat Aufträge über 33 Milliarden Euro in den Büchern, das entspricht dem Anderthalbfachen des für dieses Jahr prognostizierten Umsatzes.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×