Der Halbleiterhersteller verdient immer mehr mit dem automatisierten Fahren. Jetzt präsentiert der Konzern Sensoren, die mehr als 300 Meter in die Ferne blicken.
Radarsensoren am Auto
Für die Chiphersteller eröffnet sich mit dem automatisierten Fahren ein neuer Milliardenmarkt.
Bild: Infineon
München Vorausschauend fahren: Der Wunschtraum eines jeden Fahrlehrers geht mit den neuen Radarchips von Infineon in Erfüllung. Die innovativen Sensoren können 300 Meter und mehr nach vorn blicken. Das sind rund 50 Meter weiter als bisher. Der Halbleiterhersteller präsentiert die Bauelemente in der neuen Woche auf der Electronica, der weltweit führenden Elektronikmesse in München.
Infineon ist heute schon der führende Hersteller von Radarchips weltweit. Allerdings war das Geschäft bislang vergleichsweise klein. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. „Der Bedarf an Radarsensoren steigt dramatisch“, sagt Burkhard Neurauter, Chef der Radarchip-Entwicklung des Dax-Konzerns, dem Handelsblatt.
Die Automarken bauen die Radarchips in immer mehr Modelle ein, weil die Kunden zunehmend Assistenzsysteme ordern. „Die Radartechnologie hat längst Einzug in die Golfklasse gehalten“, so Neurauter.
Infineon rechnet weltweit mit einem jährlichen Plus an Radarmodulen – in ihnen können jeweils mehrere Radarchips verbaut sein – von 24 Prozent bis 2027. Zum Vergleich: Der gesamte Chipmarkt wird der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) zufolge im Schnitt der kommenden fünf Jahre nur um fünf Prozent zulegen.
Die Marktforscher von Yole schätzen den Umsatz von Infineon mit Radarchips im Jahr 2021 auf 256 Millionen Dollar. Legt Infineon künftig so schnell wie der Markt zu, werden die Erlöse 2030 bei deutlich über einer Milliarde Dollar liegen. Deutschlands größter Chiphersteller veröffentlicht selbst keine Zahlen zu dem Geschäft.
Für Infineon ist es enorm wichtig, dass die Neuheiten auf der Electronica gut bei den Kunden ankommen. Denn der Rivale NXP hat aufgeholt: Die Niederländer steigerten ihren Marktanteil im vergangenen Jahr laut Yole von 23 auf 30 Prozent, während die Münchener von 60 auf 53 Prozent abgerutscht sind. Nummer drei auf dem Feld ist die französisch-italienische STMicroelectronics mit sechs Prozent.
Die Radarchips sind damit einer der wenigen Bereiche der Halbleiterbranche, der von europäischen Anbietern dominiert wird. Das gilt auch für die zugehörigen Steuergeräte, die sogenannten Microcontroller. Hier sind die Kräfteverhältnisse umgekehrt – NXP liegt vor Infineon.
Radarchips spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg zum autonomen Fahren. In der Regel werden sie mit Kameras oder Lidar-Systemen kombiniert, um die Umgebung möglichst lückenlos zu erfassen. Lidar verwendet Laser zur Abstandsmessung.
Nur ein Hersteller verzichtet darauf: Tesla, der Elektroautopionier aus Amerika. „Tesla schwimmt als einziger gegen den Strom und setzt komplett auf Kameras und Software“, sagt Albert Waas, Chipexperte von BCG. „Alle anderen sind überzeugt, dass nur die Kombination von Kameras und Sensoren sicher genug ist.“
>> Lesen Sie hier: Wie die Chipkonzerne in Europa eine gefährliche Lücke in der Lieferkette schließen können
Infineon betont, dass Radarchips Vorteile bieten, um die Autohersteller nicht herumkommen. „Die Radartechnologie ist sehr robust bei allen Umwelteinflüssen, ob Nebel, Regen, Schnee oder Umgebungslicht“, sagt Chefentwickler Neurauter.
Allerdings sind die verschiedenen Systeme auch teuer. Für das sogenannte Level 2 des automatisierten Fahrens kalkuliert BCG mit Kosten für die dafür nötigen Chips von 290 Dollar je Fahrzeug. Bei diesem Niveau können die Fahrerinnen und Fahrer die Hände zumindest zeitweise vom Lenkrad nehmen.
Noch viel einträglicher wird es für Infineon und seine Rivalen bei den darauffolgenden Stufen. „Die Zahl der Radarmodule wird sich bei Level 3 bis 5 verdoppeln, von heute durchschnittlich fünf auf mehr als zehn“, so Infineon-Manager Neurauter. Bei Level 3 darf sich die Person am Steuer zwischenzeitlich vom Verkehr abwenden, bei 5 fährt das Fahrzeug komplett selbstständig.
Die Abnehmer müssen dafür tief in die Tasche greifen: Einen Radarchip verkauft Infineon derzeit für etwa fünf Dollar, heißt es in der Branche. Der dazugehörige Microcontroller kostet die Kunden noch einmal so viel. Das bedeutet: Die Käufer müssen pro Fahrzeug mit mindestens 100 Dollar allein für die Radarchips und entsprechende Microcontroller kalkulieren.
Zusammen mit allen anderen Halbleitern für das automatisierte Fahren addiert sich die Chip-Rechnung bei Level 3 derzeit auf 1360 Dollar, schätzt BCG. Kein Wunder, dass Tesla-Chef Elon Musk versucht, mit möglichst wenigen unterschiedlichen Technologien auszukommen.
Erstpublikation: 13.11.22, 17:00 Uhr.
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