Die Fabriken einiger Konzerne sind ausgelastet bis 2024, andere haben kaum noch Aufträge. Das wird sich nicht so schnell ändern – aus zwei Gründen.
Chipfertigung
Einige Fabriken kommen mit der Produktion gar nicht mehr nach, anderswo fehlen die Aufträge.
Bild: Bloomberg
München Das sind Kunden und Investoren von Toyota nicht gewohnt: Der japanische Autokonzern kann im laufenden Geschäftsjahr eine halbe Million Fahrzeuge nicht wie geplant produzieren. Der Grund: Es fehlen die Halbleiter. Die seit inzwischen zwei Jahren andauernden Lieferengpässe finden kein Ende und treffen selbst den weltgrößten Autohersteller ins Mark.
Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, denn die Hersteller von Autochips sind ausgebucht. Bis Anfang 2024 seien alle Fabriken voll ausgelastet, betont Jean-Marc Chéry, Chef von ST Microelectronics. Dabei investiere Europas größter Chipkonzern so viel wie nie in zusätzliche Kapazitäten.
Der Boom der Elektromobilität sowie eine Vielzahl von Assistenzsystemen in den Fahrzeugen sorgen für eine Auftragsflut. ST Microelectronics und Konkurrenten wie NXP oder der Münchener Dax-Konzern Infineon müssen die Abnehmer vertrösten.
Es sind Probleme, wie sie Qualcomm, Intel und Micron gerne hätten. Denn während die Produzenten von Autochips mit der Fertigung nicht mehr hinterherkommen, erhalten die Unternehmen, die die PC- und Handyhersteller beliefern, in großem Stil Stornierungen von ihren Kunden.
So rechnet Qualcomm, der führende Anbieter von Smartphone-Chips, im laufenden Quartal mit maximal zehn Milliarden Dollar Umsatz, rund zwei Milliarden weniger, als Analysten vorhergesagt hatten. Denn das Smartphone-Geschäft liegt am Boden, genau wie der Absatz von Computern. „Die weitere Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds und die anhaltenden Covidbeschränkungen in China haben zu einer Abschwächung der Nachfrage über alle Regionen hinweg geführt“, heißt es bei Qualcomm.
Die Chipindustrie befindet sich daher in einer kuriosen Situation: Die Branche kämpft gleichzeitig mit Lieferengpässen und Überproduktion. Das Problem ist kurzfristig nur schwer zu lösen, denn die Fertigungsverfahren sind äußerst vielfältig. So lassen sich wenig ausgelastete Fertigungslinien nicht einfach umrüsten, um dort knappe Bauteile herzustellen.
Die Halbleiterhersteller reagieren denn auch völlig unterschiedlich auf die Herausforderungen. Die von der Chipschwemme betroffenen Konzerne streichen ihre Investitionen radikal zusammen. Der zweitgrößte Speicherchip-Produzent der Welt, SK Hynix aus Südkorea, will das Budget für neue Maschinen und Fabriken 2023 um die Hälfte kürzen.
Das muss aber noch lange nicht das letzte Wort gewesen sein, es könnte sogar erst der Beginn der Sparmaßnahmen sein. „Wir hoffen, dass sich der Markt in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres bis zu einem gewissen Grad stabilisieren wird, aber wir schließen die Möglichkeit eines längeren Abschwungs nicht aus“, sagt Vertriebschef Kevin Noh. Der US-Konkurrent Micron hat bereits angekündigt, die Investitionen um 30 Prozent herunterzufahren.
Kurzfristig bleiben die Firmen trotz der Kürzungen auf den Überkapazitäten sitzen. Denn eine Chipfabrik lässt sich nur ganz oder gar nicht betreiben. Mit weniger als 85 Prozent Auslastung sei ein Werk nicht wirtschaftlich zu unterhalten, so Gartner-Analyst Alan Priestley.
Daher fallen in diesen Tagen, da die Nachfrage sinkt, die Preise massiv. Das wird sich bald in den Zahlen zeigen: So geht Micron davon aus, dass der Umsatz im laufenden Quartal um rund ein Viertel schrumpft.
Auch an den Lieferengpässen lässt sich unmittelbar nichts ändern. Denn dazu müssten die Produzenten nach Ansicht von Priestley umdenken. „Wir brauchen mehr Investitionen in reifere Fertigungsverfahren“, sagt der Experte. Diese werden insbesondere für Autochips benötigt.
Bislang hätten die Konzerne stets Werke mit den modernsten Technologien gebaut und sie über Jahrzehnte weiter betrieben, auch wenn die Verfahren in die Jahre gekommen waren. Das habe gereicht, um die Nachfrage nach älteren Chipgenerationen zu befriedigen.
Nun sei der Bedarf an derartigen Bauelementen aber so hoch, dass es dafür zusätzliche Werke brauche, so Priestley. Sonst würden die entsprechenden Chips noch lange knapp bleiben. Auftragsfertiger wie TSMC aus Taiwan scheuen sich bislang jedoch, Milliarden für solche Fabriken auszugeben.
Wirtschaftlich ist es bislang kein Schaden für die Autochip-Hersteller, dass sie den Kunden die begehrte Ware zuteilen müssen. Die Branche spricht dabei von Allokation. So rechnet der niederländische Hersteller NXP fürs vierte Quartal mit einem Umsatzplus von 30 Prozent, ST kalkuliert mit 24 Prozent Zuwachs. Selten war die Kluft zwischen Verlierern und Gewinnern in der Chipindustrie so groß wie in diesen Tagen.
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