Anwendungen, über die Nutzer schnell ihren CO2-Fußabdruck kompensieren können, sind umstritten. Dennoch bekommt nun wieder eine App eine Millionenfinanzierung. Warum?
Apps, über die Nutzer Klimaschutzprojekte finanzieren können.
Obwohl Kompensations-Projekte häufig kritisiert werden, versprechen Anbieter Hilfe für das Klima.
Bild: Klima
Düsseldorf Pflanze Bäume, baue Solaranlagen, finanziere effiziente Kochöfen: Mit der App „Klima“ sollen Nutzer gegen den Klimawandel kämpfen können. Ein Download, ein paar Klicks, ein bisschen Geld und schon unterstützen Verbraucher Baumpflanzungen in Tansania, was den Planeten schützen soll.
„Es gibt niemanden auf der Welt, den die Klimakrise nicht persönlich betrifft“, sagt der CEO und Co-Gründer von Klima, Markus Gilles. „Wir wollen persönliches Handeln messbar und effektiv gestalten.“ Die App hat jetzt zehn Millionen Euro Wachstumskapital eingesammelt. Das ist eine der höchsten Summen überhaupt für Klimaschutz-Apps auf dem Smartphone.
Gerade startete noch eine neue App auf dem Markt, Emyze, mit der Nutzer ihre Emissionen verfolgen können. Außerdem startete die Berliner gemeinnützige Organisation Leaders for Climate Action ein Online-Tool für Emissionsreduktion. Mit diesem sollen Menschen Politiker kontaktieren oder beim Strombezug auf einen Öko-Anbieter wechseln können.
Die Wirtschaftsdatenbank Crunchbase erstellte kürzlich eine Liste von 27 Klima-Software-Unternehmen, die zeigt: Die Unternehmen haben zusammen insgesamt 1,3 Milliarden Dollar eingesammelt, 640 Millionen davon – also mehr als die Hälfte – allein im letzten Jahr.
Apps wie Klima oder Emyze erhoffen sich, vor allem junge Menschen und Klimabewusste als Kunden zu gewinnen. Sie können bei Klima etwa nach der Anmeldung Fragen zu ihrem Verhalten im Alltag beantworten, etwa wie oft sie Flüge buchen oder wie sie sich ernähren.
Die App berechnet den durchschnittlichen jährlichen CO2-Wert, und die Kunden können diesen mit einem monatlichen Geldbetrag ausgleichen, der an Klimaschutz-Projekte geht. Neu gepflanzte Bäume, die CO2 binden, Solaranlagen für grünen Strom oder moderne Kochöfen, damit Menschen in manchen Gebieten der Welt nicht mit offenem Feuer kochen.
Mit etwa sechs bis zwölf Euro können Nutzer 100 Prozent ihrer Emissionen ausgleichen. Davon verwendet Klima 30 Prozent für das eigene Wachstum: zehn Prozent für Verwaltungskosten, 20 Prozent für Marketing. „Wir sind ein kommerzielles Start-up, denn mit dem Modell können wir am meisten Impact für das Klima generieren“, sagt Gilles. Bis heute hat Klima nach eigenen Angaben mehr als 70.000 Tonnen CO2 eingespart, etwa 300 Millionen gefahrene Autokilometer in einem Benziner.
Die Gründer von Klima
Jonas Brandau, Andreas Pursian und Markus Gilles (v.l.) unterstützen mit ihrer App Klimaschutzprojekte.
Bild: Klima
Dabei sind gerade Kompensationsprojekte stark umstritten. Etwa wegen des Falls der Organisation Plant for the Planet, die Baumpflanz-Projekte in Mexiko versprach. Recherchen der „Zeit" und des „Sterns" zeigten, dass die Projekte nicht umgesetzt oder die Bäume überschwemmt wurden.
Auch das Start-up Tomorrow wurde vom Verbraucherschutz kritisiert. Es verspricht, über nachhaltige Bankkonten nachhaltige Projekte zu finanzieren. Deren tatsächliche Nachhaltigkeit könne nicht nachgeprüft werden – das Start-up wies die Kritik zurück.
Projekte, die von Klima unterstützt werden, seien nicht vergleichbar mit Plant for the Planet, sagt Gilles. „Bei uns ist es so, dass wir die gebundene Menge an CO2 in einem Baum anbieten“, sagt der Gründer. „Wenn der Baum eine gewisse Größe erreicht hat, fährt der Tüv zu dem Projekt und misst, wie viel CO2 tatsächlich in dem Baum gebunden ist.“ Außerdem würden nur Projekte finanziert, die internationalen Zertifizierungsstandards entsprechen.
Jan Steckel vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin sieht ein Problem darin, die Verantwortung für das Klima an Einzelpersonen abzugeben. „Das ist gut für unser Gewissen, aber nicht der richtige Einstiegspunkt für die Politik.“ Der Professor für Klima- und Entwicklungsökonomie sagt, dass es wichtig wäre, Subventionen für Sprit zu beenden oder CO2-Steuern zu erhöhen. „Es geht nicht darum, mit ein paar Euro Klimaschutzprojekte zu unterstützen, sondern strukturell in der Gesellschaft etwas zu ändern.“
Die neu gelaunchte Emyze-App will sich von der Projektfinanzierung distanzieren, sagt ihr Gründer und CEO Benjamin Gaertig. Zuvor hieß die App „Mother Nature“ und bot Emissionsmanagement und Kompensation an.
Jetzt gäbe es in der App nur einen Rechner für das persönliche Jahresbudget an CO2 und die Möglichkeit für Nutzer, ihre Emissionen einzutragen und mit dem eigenen CO2-Budget zu vergleichen. „Es sollte zuallererst um Reduktion der Emissionen gehen“, erklärt Gaertig. Der Gründer will somit in der neuen App keine Möglichkeiten mehr anbieten, Projekte zu finanzieren, die mit Bäumen oder Solaranlagen CO2-Emissionen kompensieren.
Als reine App für CO2-Offsetting sieht auch Gilles die Anwendung Klima nicht. Personen, die bereits monatliche Beiträge für Kompensations-Projekte bezahlen, bekämen in der App Informationen und Erklärvideos zur CO2-Reduktion im Alltag.
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„Gut ist, dass mit diesen Apps ein Bewusstsein geschaffen wird, Leute fangen an, über ihre Handlungen nachzudenken“, sagt Klimaökonom Steckel. Vor allem, wenn diese ihre Erkenntnisse an ihre Netzwerke oder Entscheidungsträger weitertragen würden.
Klima startet nun auch mit einem Software-Angebot für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. „Unternehmen, die oft bereits ihre betrieblichen Emissionen messen und reduzieren, können mit Klima nun auch die persönlichen Emissionen der Belegschaft adressieren, indem diese die App nutzen“, sagt Gilles.
Namrata Sandhu
Die ehemalige Nachhaltigkeitsbeauftragte von Zalando ist nun CEO der Dekarbonisierungssoftware Vaayu.
Bild: Vaayu
Softwareanwendungen, die CO2-Emissionen für Unternehmen berechnen, wachsen bereits stärker. Die französische Dekarbonisierungs-Software Sweep hat im April 73 Millionen Dollar eingesammelt, die Berliner Emissions-Software Plan A im Dezember zehn Millionen Euro.
Gerade hat außerdem das Berliner Start-up Vaayu in einer Seed-Finanzierungsrunde knapp elf Millionen Dollar von Investoren bekommen. Die Gründerin ist die ehemalige Nachhaltigkeitschefin von Zalando, Namrata Sandhu. Sie gründete Vaayu speziell für die Dekarbonisierung des Einzelhandels.
Ihre Software konzentriert sich speziell auf große Unternehmen der Textilindustrie oder E-Commerce, erzählt Sandhu: „Wir konzentrieren uns auf genaue Kalkulation der Emissionen in dieser Branche“, sagt sie. „Automatisiert bekommen Unternehmen von uns jeden Tag aktuelle CO2-Werte angezeigt.“
Als Investment sei Unternehmenssoftware spannender, die konkrete Lösungen zur Reduktion von Emissionen bietet, sagt Daria Saharova, Mitgründerin und Investorin des Klimatechnologie-Fonds World Fund. „Das sind einfach größere Probleme, die eine komplexere Lösung benötigen.“
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