Mit dem Textroboter ChatGPT haben Microsoft und Partner OpenAI die Technologiewelt in Aufregung versetzt. Google und Baidu kündigen Konkurrenzprodukte an – die aber noch nicht ausgereift sind.
ChatGPT
ChatGPT kann Gedichte schreiben, Texte zusammenfassen oder sogar programmieren. Google und Baidu, die diesen Markt dominieren, haben darauf nun reagiert.
Bild: Reuters
Peking, San Francisco, Düsseldorf Das Programm ChatGPT zeigt, wie natürlich der Austausch zwischen Mensch und Maschine bald schon funktionieren könnte – auch in Suchmaschinen. Der Chatbot basiert auf einem Maschinenlernmodell, das menschliche Eingaben versteht und auf natürlich klingende Weise beantwortet. ChatGPT kann Gedichte schreiben, Texte zusammenfassen oder sogar programmieren. Google und Baidu, die diesen Markt dominieren, haben darauf nun reagiert.
Sundar Pichai, Chef von Google und Mutterkonzern Alphabet, kündigte am Montag einen Chatbot namens Bard an. Dieser soll in verschiedene Produkte integriert werden, als Erstes in die Suchmaschine. Künstliche Intelligenz (KI) könne Erkenntnisse zusammenfassen, wo es nicht eine einzige richtige Antwort gebe, erklärte der Manager.
Zunächst wird eine begrenzte Testversion für „vertraute Testpersonen“ veröffentlicht. Nach einem Bericht des TV-Senders CNBC hat der Konzernchef die eigenen Mitarbeiter aufgefordert, „im Geiste eines internen Hackathons“ die Technologie intensiv zu prüfen. In den „kommenden Wochen“ soll der Dienst dann breit verfügbar sein.
Etwas konkreter ist Baidu: Im März will der größte chinesische Suchmaschinenbetreiber den Ernie-Bot einführen. Das ChatGPT-ähnliche Angebot werde in die Hauptsuchdienste eingebettet, kündigte der Konzern am Dienstag an. Derzeit werde das Projekt, das auf Chinesisch Wenxin Yiyan heißt, noch intern getestet.
Baidu will die Einführung beschleunigen, um mit den US-Suchmaschinenanbietern Google und Microsoft mitzuhalten, wie es in einer Mitteilung hieß. Die Investoren reagierten euphorisch, an der Hongkonger Börse stiegen die Baidu-Aktien nach der Ankündigung zeitweise um mehr als 17 Prozent.
Google und Baidu stehen unter Druck, seit OpenAI im November 2022 das Programm ChatGPT veröffentlichte. Microsoft will die Technologie des Start-ups nach einer Investition, die in Branchenkreisen auf zehn Milliarden Dollar geschätzt wird, in zahlreiche Produkte integrieren.
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Für Dienstag hat der Konzern eine große Pressekonferenz in der Konzernzentrale in Redmond angekündigt. Dort könnte Microsoft die Integration von Funktionen wie bei ChatGPT in die eigene Suchmaschine Bing bekanntgeben, wie die Nachrichtenplattform Semafor berichtet.
Bilder, die angeblich die überarbeitete Suchmaske zeigen, kursierten am Montag bereits im Netz – womöglich hatte Microsoft versehentlich die Funktion kurzzeitig freischalten lassen.
Bard versucht, die Breite des weltweiten Wissens mit der Leistung, Intelligenz und Kreativität unserer großen Sprachmodelle zu kombinieren. Sundar Pichai
Ähnlich wie Microsoft will Google die Technologie, die Experten als generative KI bezeichnen, breit nutzen. Die Initiative umfasst drei Teile: den Chatbot Bard, neue Funktionen mit KI in der Google-Suche sowie die Bereitstellung von Programmier-Schnittstellen (APIs), mit denen andere Entwickler KI-Anwendungen programmieren können.
Eine zentrale Rolle wird dabei das KI-gesteuerte Sprachmodell Lamda (Language Model for Dialogue Applications) von Google spielen. Die Konzernführung hatte es 2021 als „Durchbruch in der Gesprächstechnologie“ gefeiert. Danach verschwand das Modell aus der Öffentlichkeit.
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Bard setzt auf einer Variante von Lamda auf und wird von Google als „experimenteller KI-Dienst für Konversationen“ bezeichnet. Mit dem Namen des Dienstes (Deutsch: „Barde“) spielt Google auf den Dichter William Shakespeare an. Englands Nationaldichter wird oft als der „Barde von Avon“ bezeichnet.
„Bard versucht, die Breite des weltweiten Wissens mit der Leistung, Intelligenz und Kreativität unserer großen Sprachmodelle zu kombinieren“, schrieb Pichai. Es greife auf Informationen aus dem Internet zurück, um aktuelle, qualitativ hochwertige Antworten zu liefern.
Google CEO Sundar Pichai
Google steht unter Druck, seit OpenAI im November 2022 das KI-Programm ChatGPT veröffentlichte.
Bild: IMAGO/NurPhoto
In einem Blogeintrag hob Pichai hervor, dass Google schon lange in KI investiere. Das Management habe die Strategie vor sechs Jahren darauf ausgerichtet. Zu den jüngsten Fortschritten habe das Unternehmen mit seiner – relativ offen zugänglichen – Forschung maßgeblich beigetragen, betonte Pichai.
So demonstrierte der Konzern bereits 2018 ein Programm, das etwa Restaurants anrief, um eine Reservierung zu machen. Zu Kritik führte damals, dass das System sich nicht als Computer kenntlich machte. Angesichts derartiger Missbrauchsrisiken schreckte Google vor einer breiten Markteinführung zurück.
Der Baidu-Chatbot ist Teil des „Ernie“-Projekts, das auf Baidus Deep-Learning-Plattform Paddle Paddle basiert. Er soll neben Texten auch mit Daten aus Infografiken oder anderen visuellen Darstellungsformen sowie mit chinesisch- und englischsprachigen Datensätzen trainiert worden sein.
Ernie steht für „Enhanced Representation through Knowledge Integration“, was sinngemäß mit einer verbesserten (Ergebnis-)Darstellung durch die Integration von Wissen übersetzt werden kann. In dem Projekt fasst Baidu seine generativen KI-Angebote zusammen, etwa aus den Bereichen Sprachverständnis, Spracherzeugung und Text-zu-Bild-Generierung.
Insgesamt 36 der Modelle wurden Unternehmensangaben zufolge bereits veröffentlicht. Ein Beispiel ist „Ernie-ViLG“, mit dem Internetnutzer durch Texteingabe künstliche Bilder erzeugen können. OpenAI verfügt über ein ähnliches Angebot namens Dall-E, das Pendant von Google heißt Imagen.
Baidu-Chef Robin Li bezeichnete ChatGPT intern im Dezember als Beispiel für eine Technologie, bei der sein Unternehmen führend werden könne, zitiert Bloomberg aus einer Mitschrift. Er warnte jedoch auch, dass die Kommerzialisierung der Technologie eine Herausforderung sei. Baidu soll im September mit der Entwicklung des „Ernie Bot“ begonnen haben, heißt es.
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Der Suchmaschinenbetreiber, der im Jahr 2000 gegründet wurde, bezeichnet sich selbst als führenden Anbieter von KI. Es gebe kein anderes Unternehmen, das mit Baidu bei der Verarbeitung natürlicher Sprache mithalten könne.
Der Konzern hat in den vergangenen Jahren Milliarden in die Erforschung von KI investiert und setzt auf Zukunftstechnologien wie Quantencomputer und autonomes Fahren.
Im KI-Index der US-Eliteuniversität Stanford, der den weltweiten Fortschritt in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Wirtschaft bewertet, landet China knapp hinter den USA auf Platz zwei. In einigen Bereichen liegt die Volksrepublik sogar vorn.
Wie die traditionellen und sozialen Medien werden KI-generierte Inhalte in China jedoch ebenfalls zensiert. So ergab eine Stichprobe der Fachpublikation „MIT Technology Review“ – herausgegeben von der US-Eliteuniversität Massachusetts Institute of Technology –, dass Baidus Text-zu-Bild-Angebot „Ernie-ViLG“ zahlreiche politisch sensible Schlüsselwörter wie Tiananmen und Xi Jinping herausfiltere.
Im Januar hatte die Internetaufsicht CAC einen neuen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem KI-Inhalte, die „die nationale Sicherheit und die soziale Stabilität gefährden“, verboten werden sollen. Zudem müssen die jeweiligen Anbieter für die Verbreitung von Fehlinformationen haften.
Hinzu kommt, dass bereits jetzt die meisten digitalen Angebote nur genutzt werden können, wenn man sich mit Wechat oder Handynummer registriert und damit identifizierbar ist. Das führt neben der Zensur von außen oft auch zu einer Selbstzensur der Nutzer.
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