PremiumDer Gründer Sebastian Schaal übernimmt den Wettbewerber Electronic Fellows und erweitert so sein Angebot für die Elektronikindustrie.
Sebastian Schaal
Der Chef des Münchener Start-ups Luminovo übernimmt den Wettbewerber Electronic Fellows aus Wiesbaden.
Bild: Luminovo
München Lieferzeiten von mehreren Monaten, ja selbst von mehreren Jahren? In der Chipindustrie ist das derzeit keine Seltenheit. Besonders hart trifft es Kunden, die von einem einzigen Halbleitertyp eines Herstellers abhängen. Sie sind dem guten Willen ihres Zulieferers auf Gedeih und Verderb ausgesetzt.
Mit seiner Software will Sebastian Schaal dafür sorgen, dass Elektronikfirmen so etwas künftig nicht mehr passiert. Der Gründer von Luminovo ist angetreten, den Prozess zwischen einer Produktidee und der Entwicklung marktreifer elektronischer Hardware zu revolutionieren. Ein wichtiger Bestandteil dabei: Die Kunden können berechnen, wie hoch das Risiko ist, wenn sie sich auf eine einzelne Komponente eines Anbieters verlassen – oder was es kostet, alternative Bauteile gleich beim Design zu berücksichtigen.
Seit dem Frühjahr vertreibt der 29-Jährige seine Software „LumiQuote“ - der Münchener spricht von 25 Elektronikproduzenten, die seine Plattform einsetzen. Nun setzt der Elektrotechniker zum ersten großen Sprung an: Schaal übernimmt den Mitbewerber Electronic Fellows aus Wiesbaden.
„Damit eröffnet sich uns eine ganz neue Perspektive“, sagt Schaal. Das Start-up hat ein Programm entwickelt, mit dem Leiterplattenhersteller in kürzester Zeit digital Angebote erstellen können. Eine Aufgabe, die bislang hauptsächlich händisch erfolge und sehr aufwendig sei.
Durch die Akquisition bekomme Luminovo ein zweites verkaufsfertiges Produkt, erläutert Schaal. Zudem ließen sich Funktionen in seinem Kernprodukt und dem von Electronic Fellows austauschen. Finanziert hat Schaal den Kauf aus vorhandenen Mitteln. Unabhängig von der Akquisition erhielt er ein Darlehen seiner Gesellschafter, um die Synergien des Zusammenschlusses zu hebeln. Die drei Gründer von Electronic Fellows, Florian Herborn, Nils Minor und Samuel Leisering, blieben auch künftig an Bord. Sie würden wie alle Beschäftigten nun über ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Teil von Luminovo.
„Die Übernahme ermöglicht es uns, zwei Tech-Stacks zu einer einheitlichen Produktsuite zu verschmelzen, um Angebots- und Bestellprozesse in der Elektronikfertigung unmittelbar effizienter zu machen“, erklärt Electronic-Fellows-Gründer Florian Herborn.
Im Masterstudium beschäftigten sich Schaal und sein Mitgründer Timon Ruban in Kalifornien erstmals intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Deep Learning. Zurück in Deutschland gründeten beide vor knapp vier Jahren Luminovo zunächst als eine Art KI-Beratung, ehe die Idee mit der Elektronikindustrie reifte.
TSMC
Der weltgrößte Auftragsfertiger der Chipindustrie, TSMC, warnt vor knappen Kapazitäten das gesamte kommende Jahr über.
Bild: Reuters
Investoren waren rasch überzeugt: 2,6 Millionen Euro spülte die erste Finanzierungsrunde in die Kasse. Geld, das bis kommendes Frühjahr reichen soll und das überwiegend von den Risikokapitalgebern Cherry und La Famiglia kam. Im Frühsommer 2022 könnte dann neues Fremdkapital fließen. Schaal plant, mindestens zehn Millionen Euro einzusammeln. Eine Entscheidung dazu sei aber noch nicht gefallen. Luminovo beschäftigt derzeit 36 Mitarbeiter – und zwar von Helsinki bis Nairobi. Denn in der jungen Firma ist es egal, wo der Bürostuhl steht. Schaal ruft seine Leute lediglich zweimal im Jahr zum persönlichen Treffen zusammen.
Derzeit nutzen vor allem mittelständische, deutsche Elektronikhersteller die Software der Bayern. Unternehmen, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind wie die Augsburger BMK Group, Kessler Systems in Königseggwald oder die Limtronik GmbH in Limburg.
Langfristig will Schaal indes auch mit großen Konzernen ins Geschäft kommen. Infrage kämen praktisch alle Firmen, bei denen Elektronik ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung ausmache, zum Beispiel im Maschinenbau oder der Medizintechnik.
Die aktuellen Lieferengpässe bei den Chips dürften jedenfalls so schnell nicht vorübergehen – und damit Luminovo zugutekommen. Der Chef von TSMC, des weltgrößten Auftragsfertigers, ist nicht gerade zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass die Kapazitäten von TSMC im Jahr 2021 und im gesamten Jahr 2022 sehr knapp bleiben werden“, sagte C.C. Wei vergangene Woche.
„LumiQuote“ ist an die Datenbanken der Elektronik-Distributeure angebunden, sodass die Kunden stets informiert sind, wie viel einzelne Bauteile kosten und ob und wann sie verfügbar sind. „Unsere Produkte unterstützen Unternehmen dabei, Probleme zu prognostizieren, schneller und besser zu reagieren und so Krisen gut zu bewältigen“, meint Schaal.
Trotz aller Vorteile, ein Selbstläufer ist das Geschäft nicht. „Es ist eine konservative Branche“, meint Schaal. Chipkrise hin oder her.
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