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23.08.2022

04:00

Manufacturing-X

SAP und Maschinenbauer bauen Cloud-Plattform für die Industrie

Von: Axel Höpner, Christof Kerkmann, Kevin Knitterscheidt

Auch Daten sind ein Rohstoff: Eine neue Cloud-Plattform soll dem Maschinenbau helfen, die Lieferkette transparent zu machen. Die Industrie will damit mehrere große Probleme lösen.

Der Vernetzungsgrad der Industrie nimmt zu, doch der Datenaustausch ist häufig noch schwierig. dpa

Fabrik von Bosch (Archiv)

Der Vernetzungsgrad der Industrie nimmt zu, doch der Datenaustausch ist häufig noch schwierig.

Düsseldorf, München Ob für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder Ermittlung der CO2-Emissionen: Daten sind für den Maschinenbau zu einem zentralen Rohstoff geworden. Ein neues Projekt soll der gesamten Branche helfen, die Geschäftsprozesse transparent zu machen.

Ein Konsortium aus SAP und deutschen Maschinenbauern entwickelt nach Handelsblatt-Informationen eine Cloud-Plattform für die Fertigungsbranche. Diese soll laut Angaben aus Teilnehmerkreisen den Datenaustausch erleichtern. Vorbild ist die Allianz Catena-X, in der sich Unternehmen der Automobilbranche zusammengeschlossen haben. Das lässt sich am Namen ablesen: Manufacturing-X.

„Derzeit befindet sich die Plattform noch in der Entwicklung, wir kommen aber gut voran“, sagte DMG-Mori-Chef Christian Thönes dem Handelsblatt. Als Technologieführer im Maschinenbau fühle man sich in der Verantwortung, daran mitzuwirken. SAP erklärte, dass es Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium und anderen Unternehmen gebe. Auch der Lasertechnikhersteller Trumpf beteiligt sich.

Viele Details sind indes noch offen. So verhandelt das Konsortium nach Informationen aus Teilnehmerkreisen mit der Bundesregierung über staatliche Förderung. Catena-X erhält 105 Millionen Euro vom Staat, das entspricht 45 Prozent des Budgets. Zudem gibt es Gespräche mit möglichen weiteren Teilnehmern. So könnte nach Einschätzungen aus Branchenkreisen Siemens dazustoßen.

Die Digitalisierung der Lieferkette beschäftigt praktisch die gesamte Wirtschaft. Unternehmen müssen in den nächsten Jahren aufgrund gesetzlicher Vorgaben Transparenz schaffen, um etwa Verstöße gegen Menschenrechte zu verhindern und die Emissionen bei der Produktion zu ermitteln.

„Die nötigen Daten liegen in verschiedenen Unternehmen und Systemen – es ist wichtig, sie zusammenzuführen“, sagt Bettina Tratz-Ryan, Analystin bei Gartner. Der Datenaustausch sei aber nicht trivial. „Es geht nicht um Europaletten, sondern die Zusammensetzung komplexer Produkte.“ Anders gesagt: Das Manufacturing-X-Konsortium hat viel Arbeit vor sich.

Unverzichtbare „Industrie 4.0“

Die Nutzung von Daten ist für Maschinenbauer und Fabrikausrüster in den vergangenen Jahren zu einer zentralen Fähigkeit geworden – „Industrie 4.0“ lautet das Schlagwort. Firmen vernetzen Produktion und Logistik, nutzen Algorithmen für die vorausschauende Wartung von Maschinen und vermieten Produkte „as a service“, also minutengenau. Branchengrößen wie Bosch und Siemens haben Software und Künstliche Intelligenz gar zu ihrem Kerngeschäft gemacht.

91 Prozent der deutschen Industrieunternehmen bezeichnen Industrie 4.0 als „unverzichtbar“, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, wie der IT-Branchenverband Bitkom im Frühjahr erhoben hat.

Vor allem bei der Reduktion von Emissionen gibt es Potenzial, 81 Prozent erwarten einen Beitrag zu einer nachhaltigen Produktion. Die Organisation ließ für die Studie 550 Firmen mit mindestens 100 Beschäftigten befragen.

Grafik

Während der Vernetzungsgrad wächst, bleibt der Datenaustausch schwierig. Die Maschinen und Softwareprodukte verwenden häufig unterschiedliche Formate, die nicht miteinander kompatibel sind. Auch die Rechtsunsicherheit ist groß. Hinzu kommt eine verbreitete Skepsis in der Wirtschaft, Informationen aus dem eigenen Geschäft weiterzugeben.

Hier setzt das Projekt Gaia-X an: Ein europäisches Konsortium will eine Grundlage schaffen für eine „europäische Dateninfrastruktur“, über die Unternehmen Daten „zusammenführen, vertrauensvoll teilen und nutzen können“, wie Vorstandschef Francesco Bonfiglio dem Handelsblatt im vergangenen Jahr sagte.

Als Teil der Initiative – und mit staatlichen Subventionen, die die Europäische Union angesichts des „gemeinschaftlichen Interesses“ gestattet – arbeiten mehrere Konsortien an Datenräumen, die den Datenaustausch erleichtern sollen. Auch Manufacturing-X soll auf diesen Prinzipien aufbauen.

Die Politik gibt das Ziel aus, mit Gaia-X die Souveränität Europas zu stärken. Das Konzept soll Unternehmen durch Interoperabilität und hohe Datenschutzstandards mehr Kontrolle über ihre Daten verschaffen. Auch in Abgrenzung zu den großen amerikanischen Cloud-Dienstleistern Amazon Web Services (AWS), Microsoft und Google, die die Datenökonomie dominieren.

Die Entwicklung derartiger Technologie ist allerdings komplex. Bei Catena-X sollen nach aufwendiger Vorarbeit erste Anwendungen bis Ende des Jahres marktreif sein, zwei Jahre nach der Ankündigung.

Manufacturing-X dürfte ähnlich aufwendig werden. Es gilt, die technologischen Grundlagen und ein Regelwerk für den Datenaustausch zu entwickeln. Hinzu kommt: „Der Maschinenbau ist geprägt durch viele mittelständische Unternehmen, die oft Nachholbedarf bei der Digitalisierung haben“, sagt Gartner-Analystin Tratz-Ryan. „Da ist die Autoindustrie deutlich weiter.“

Neue Geschäftsmodelle für SAP

SAP zählt zu den Initiatoren von Manufacturing-X. Konzernchef Christian Klein sieht in der Vernetzung ganzer Branchen auf Cloud-Plattformen eine große Chance. „Ich möchte, dass SAP eine zentrale Rolle in solchen Industrienetzwerken spielt“, sagte er der „Wirtschaftswoche“ im vergangenen Jahr. Für den Manager, der einen Ruf als Controller und Optimierer hat, sind diese Kooperationen ein Beweis für die Innovationskraft des Softwareherstellers.

Catena-X ist ein Prototyp für solche Netzwerke: Die Autoindustrie vernetzt sich auf der Plattform, um ihre Wertschöpfungskette digital abzubilden. Das ist beispielsweise die Voraussetzung, um die Emissionen bei der Produktion und idealerweise im gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs zu erfassen oder das Recycling der Komponenten zu erleichtern.

SAP kommt in solchen Projekten eine wichtige Doppelrolle zu: Einerseits tragen die Programmierer maßgeblich zur Entwicklung der Plattform bei, andererseits bildet die Software aus Walldorf zentrale Geschäftsprozesse zahlreicher Branchen ab. Wichtige Daten beispielsweise für die Digitalisierung der Lieferkette oder die Berechnung von CO2-Emissionen liegen daher in den Systemen des Konzerns bereits vor.

Siemens, Weltmarktführer bei Automatisierungstechnik und Industriesoftware, ist mit dem Projekt zumindest vertraut. Es passe grundsätzlich in die Strategie, heißt es in Branchenkreisen. Das Thema befinde sich aber noch in einer sehr frühen Phase.

Siemens-CEO Roland Busch setzt stark auf Kooperationen und offene Plattformen. „Niemand kann das allein machen“, sagte er mit Blick auf die digitale Transformation der Industrie. So kooperiert der Konzern mal mit AWS, mal mit dem Chip- und Grafikspezialisten Nvidia.

Auch zwischen SAP und Siemens gibt es schon diverse Kooperationen. Durch eine Verknüpfung der Softwareangebote soll eine Art „digitaler Faden“ entstehen, der den Unternehmen einen durchgängigen Datenfluss ermöglicht – vom Entwurf eines Produkts über die Produktion bis zu den Erfahrungen im Geschäftsbetrieb.

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