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14.06.2020

18:22

Marktstudie

Jeder fünfte Deutsche will den Mobilfunkvertrag wechseln

Von: Stephan Scheuer

Zu teuer, wenig Leistung: In der Coronakrise steigt der Vertragswechselwille. Netzbetreiber versuchen mit Tricks, Mobilfunkkunden an sich zu binden.

Viele Deutsche haben die Zeit der Krise offenbar genutzt, um zu prüfen, ob sie mit ihren Telekommunikationsverträgen die richtige Wahl getroffen haben. DEEPOL by plainpicture/Joseffson

Smartphone-Nutzerin

Viele Deutsche haben die Zeit der Krise offenbar genutzt, um zu prüfen, ob sie mit ihren Telekommunikationsverträgen die richtige Wahl getroffen haben.

Düsseldorf In den Innenstädten in Deutschland trauen sich die ersten Kunden zurück in die Läden der Mobilfunkunternehmen. Während des Ausbruchs der Corona-Pandemie ist das Internet für viele zum wichtigsten Kommunikationsweg geworden. Der Breitbandanschluss zu Hause oder der Zugang auf dem Mobiltelefon sicherten den Kontakt in die Welt. Gerade weil persönliche Treffen nicht möglich waren.

Netzbetreiber in Deutschland feiern sich als Krisenretter. Telekom-Konzernchef Timotheus Höttges sagte: „Der Ackergaul Telekom zieht Deutschland auf seinen Netzen durch die Coronakrise.“ Es habe keine größeren Störungen gegeben. Ähnliche Aussagen gibt es auch von den Rivalen Vodafone und Telefónica.

Dennoch steht die Branche vor einem Wandel. Denn viele Deutsche haben die Zeit der Krise offenbar genutzt, um zu prüfen, ob sie mit ihren Telekommunikationsverträgen die richtige Wahl getroffen haben – oder aber besser wechseln sollten.

Das Ergebnis fällt deutlich aus. „Rund jeder fünfte Verbraucher hat angekündigt, seinen Anbieter wechseln zu wollen. Die Rate hat sich im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie verdoppelt“, sagte Roman Friedrich von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG).

Friedrich hatte für eine Studie eine repräsentative Umfrage in Deutschland durchführen lassen. Darin gaben 18 Prozent der Befragten an, künftig ihren Mobilfunkanbieter wechseln zu wollen, wie aus der Umfrage hervorgeht, die dem Handelsblatt vorab vorliegt. Sieben Prozent der Befragten mit Mobilfunkverträgen gaben an, das Produkt nicht länger beziehen zu wollen. Lediglich drei von vier Befragten (75 Prozent) wollten ihrem Anbieter treu bleiben.

Telekom-Chef Höttges räumte bei der Vorstellung der Quartalszahlen des Konzerns ein, dass sich durch den Ausbruch des Coronavirus einiges verändert habe. „Das Nutzungsverhalten der Kunden hat sich durch Corona geändert. Die Menschen telefonieren vor allem mehr im Shutdown“, sagte Höttges.

Die Netze in Deutschland sind so wichtig wie nie. Gleichzeitig könnte sich die Branche ändern. Friedrich fasst die Ergebnisse der Studie in einem Satz zusammen: „Der Telekommunikationsmarkt könnte vor einem Umbruch stehen.“

Jeder Fünfte will Anbieter wechseln

Das Unternehmen gibt auch einen Vorgeschmack, in welche Richtung sich der Markt verändern könnte. Denn die Berater ließen auch nachfragen, wie sich die Kunden bei der Wahl ihres nächsten Mobilfunkvertrages entscheiden wollten.

Unter den drei deutschen Netzbetreibern schnitt die Deutsche Telekom dabei am besten ab. 84 Prozent der Kunden wollten weiter dem Dax-Konzern treu bleiben. Während Telefónica (Marke O2) im Mittelfeld landete, schnitt Vodafone schlechter ab. Nur 73 Prozent der Kunden gaben an, ihre Mobilfunkverträge bei der Firma fortführen zu wollen. Hingegen gaben 18 Prozent der Kunden an, den Anbieter wechseln zu wollen.

Noch schlechter als Vodafone schnitten nur zwei Unternehmen ab, die selbst keine eigenen Netze besitzen: 1&1 sowie Mobilcom Debitel. Bei Ersterem lag der Anteil der Kunden, die zu einer anderen Firma wechseln wollen, bei 20 Prozent. Bei Mobilcom Debitel sogar bei 23 Prozent.

Grafik

Berater Friedrich machte verschiedene Effekte für die Aussagen verantwortlich. „Wir sehen unterschiedliche Motivationen. Manche Verbraucher wollen Geld sparen, weil sie Einkommenseinbußen fürchten. Andere wollen mehr Leistung, da sie stärker auf die Dienste angewiesen sind.“

Friedrich sah jedoch einen weiteren Faktor: „Es scheint auch eine steigende Zahl von Verbrauchern zu geben, die wegen Corona nicht in die Geschäfte gehen wollen. Sie legen daher Wert auf besonders gute Onlineangebote.“

Netzagentur macht Wechsel leichter

Netzbetreiber versuchen ihre Kunden möglichst lange zu halten. Die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte: „Der Wechsel des Anbieters hat in der Vergangenheit oft zu erheblichen Problemen geführt.“ So konnte es etwa zu Unterbrechungen bei der Umstellung auf einen anderen Anbieter kommen.

Gleichzeitig wollen die meisten Kunden ihre Rufnummer nicht verlieren. Der Mitnahme der Nummer war jedoch bisher mit Kosten von bis zu 30 Euro und einem erhöhten Aufwand verbunden.

Die zuständige Behörde, die Bundesnetzagentur in Bonn, schritt mehrfach ein, um die Rechte von Verbrauchern zu stärken. Im April legte die Behörde fest, dass die Mitnahme einer Mobilfunknummer nur noch maximal 6,82 Euro brutto betragen darf. Für die Übertragung einer Festnetzrufnummer darf ein Anbieter nur noch maximal 11,44 Euro brutto verlangen. Auch das könnte dazu führen, dass Verbraucher deutlich eher bereit sind, auf einen anderen Anbieter umzusteigen.

Unternehmen wie Telekom, Vodafone und Telefónica lassen sich immer neue Wege einfallen, um ihre Kunden möglichst lange zu halten. Sogenannte Bündelangebote sind dabei ein zentrales Instrument der Branche. Dabei versuchen die Netzbetreiber ihren Kunden nicht nur ein Produkt anzubieten, sondern gleich mehrere.

Rabatte und Pakete

Wer etwa einen Mobilfunkvertrag hat, dem versucht der Anbieter dann gleich auch einen Breitbandanschluss für zu Hause zu verkaufen oder ein TV-Paket. Das Kalkül: Je mehr Angebote ein Kunde von einer Firma in Anspruch nimmt, desto großer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er langfristig bei dem Unternehmen bleibt. Schließlich ist es praktisch, gleich mehrere Dienste auf einmal abwickeln zu können. Und Anbieter locken mit Rabattaktionen.

Die Telekom vermarktet ihre Bündelprodukte unter der Marke Magenta Eins, Vodafone vertreibt Produkte unter anderem unter dem Namen Giga Kombi, Telefónica wirbt für einen Kombi-Vorteil.

Telekom-Chef Höttges sagte bei der Vorstellung der Zahlen für das erste Quartal 2020: „Unsere Magenta-Eins Bündel-Produkte nutzen 9,6 Millionen Kunden in den Segmenten Deutschland und Europa. Das sind 1,4 Millionen mehr als ein Jahr zuvor.“

Ob die Bündelangebote dazu führen werden, Marktanteile langfristig zu zementieren, muss sich zeigen. In den nächsten Monaten dürften sich die Anbieter zumindest auf zahlreiche Vertragswechsel einstellen müssen.

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