Bei Endgeräten spielt Google bisher nur in der Nische. Eine neue Pixel Watch und das Smartphone Pixel 7 sollen das ändern. Eine exklusive Auswertung zeigt allerdings: Das Smartphone-Geschäft läuft nicht gut.
Neue Pixel Watch
Google führt in dem Gerät die eigenen Funktionen mit denen der zugekauften Tochter Fitbit zusammen.
Bild: Google
New York, San Francisco Der Ort ist bewusst gewählt: In einem alten Fabrikgebäude im hipsten Teil des New Yorker Bezirks Brooklyn hat Google am Donnerstag seine neuen Smartphones Pixel 7 und 7 Pro vorgestellt, außerdem seine erste Armbanduhr Pixel Watch. Gleich um die Ecke hat in diesem Sommer der neueste Google Store eröffnet, aufgebaut ganz nach dem Vorbild von Apple.
Hardware-Chef Rick Osterloh stellte die neuen Geräte vor, mit denen Google endlich zur Konkurrenz aufschließen will. Er versprach, dass sie „viele Probleme des Alltags in eine großartige Erfahrung“ verwandeln. So könnten die neuen Smartphones Bilder nachschärfen, Werbeanrufe erkennen und unterbinden, Störgeräusche eliminieren und über 100 Sprachen übersetzen.
Spontanen Applaus gab es bei zwei Features: dem automatischen Entfernen unerwünschter Elemente aus Fotos und dem Umwandeln von Sprachnachrichten in Text. Beide Funktionen hat das iPhone von Apple bisher nicht zu bieten, viele Nutzer haben sie sich seit Jahren gewünscht.
„Die neuen Geräte sind das Ergebnis von jahrelangen Entwicklungsanstrengungen“, sagte Osterloh. „Sie verschieben die Grenzen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Smartphone-Bereich.“
Die neuen Geräte sollen für Google den seit Jahren ersehnten Durchbruch im Hardware-Geschäft bringen. Bislang sieht es da nicht gut aus. Schon bei der Vorstellung der vergangenen Smartphone-Generation hatte Hardware-Chef Osterloh versprochen, nun ändere sich alles: mit einer eigenen Chipgeneration, verbesserten Geräten und gezielter Werbung.
Neue Pixel-Smartphones
Bisher haben die Google-Geräte kaum Marktanteile erobern können.
Bild: Google
Eine Auswertung des Marktforschers IDC für das Handelsblatt zeigt ein anderes Bild. Im für Google entscheidenden Markt USA ist der Anteil der Google-Geräte im Smartphone-Geschäft nicht gestiegen, sondern gesunken. Im ersten Halbjahr betrug er nur 1,6 Prozent. Im Vorjahr waren es 2,0 Prozent, 2019 sogar 3,1 Prozent.
Ausgerechnet das Spitzen-Smartphone Pixel 6 Pro konnte mit einer gesamten Verkaufszahl von zwei Millionen Geräten nicht an die Zahlen erfolgreicher Altmodelle heranreichen. Und das, obwohl der Smartphone-Markt zuletzt deutlich zugelegt hatte. Zum Vergleich: Das Pixel 3 aus dem Jahr 2018 verkaufte sich insgesamt rund 2,8 Millionen Mal.
In Deutschland sieht das Bild für Google etwas besser aus. Dort konnte der Konzern seinen Marktanteil laut IDC-Zahlen von 1,2 Prozent im Jahr 2021 auf 1,7 Prozent steigern. Damit bleiben Google-Smartphones jedoch ein Nischenprodukt.
IDC-Analyst Francisco Jeronimo zieht eine ernüchternde Bilanz: „Weltweit hat Google seine Umsätze in den letzten Jahren nicht wesentlich verbessert. Trotz größerer Erfahrung in Forschung und Entwicklung, mehr Beziehungen bei den Vertriebskanälen und stärkeren Marketing- und Vertriebsteams.“
Mehr noch: „Nach sechs Jahren im Hardware-Geschäft würde man erwarten, dass jedes Mal, wenn ein neues Pixel-Telefon mit verschiedenen Varianten auf den Markt kommt, die Verkaufszahlen steigen“, sagt Jeronimo. Doch das sei nicht der Fall.
Vergangenes Jahr hatte Osterloh angekündigt, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Google werde mehr Wert auf Marketing und gute Beziehungen zu Vertriebspartnern legen. Gerade Mobilfunkkonzerne haben eine wichtige Rolle beim Verkauf, da sie ihre Verträge oft mit vergünstigten Smartphones kombinieren.
In diesem Bereich sieht Analyst Jeronimo noch immer große Probleme: „Google sieht sich weiterhin mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, vor allem mit der Dominanz von Apple und dem Geld, das Samsung in die Förderung und den Verkauf seiner Produkte investiert.“
Etwas positiver beurteilt Maurice Klähne vom Marktforscher Counterpoint die Situation. „Es gibt sicherlich Raum für Google. Die Netzbetreiber sind sich der Dominanz von Apple und Samsung bewusst“, sagt der Analyst. Google gebe der Kundschaft mehr Wahlmöglichkeiten bei Geräten. Und das liege auch im Interesse der Netzbetreiber.
Allerdings sei der Markt für Smartphones in Europa und Deutschland schon stark besetzt. „Neben Samsung und Apple gibt es eine ganze Reihe chinesischer Hersteller auf dem Markt, darunter Xiaomi, Oppo, Honor, Realme und Vivo“, sagte Klähne. In diesem umkämpften Markt muss sich Google erst behaupten können.
Der Suchmaschinenbetreiber stellt sein Betriebssystem seit Jahren für Smartwatches anderer Hersteller bereit. Nun erweitert Google seine Produktpalette erstmals um ein eigenes Gerät in der Kategorie. Produktchef Sandeep Waraich erläuterte dem Handelsblatt vorab die wesentlichen Funktionen der Pixel Watch. „Wir bieten die Erfahrung von Google in seiner reinsten Form“, sagte er.
Die Smartwatch sei nicht mit Werbung oder anderen Angeboten überladen, sondern fokussiere sich auf die für Nutzer nützliche Funktionen: Sportler erhielten Daten für ihr Training, die Uhr fungiere als Navigationsgerät etwa bei einer Tour mit dem Fahrrad und gleichzeitig sei das Gerät eine erweiterte Informationsfläche für Daten vom Smartphone.
Zudem führt Google die Funktionen des Fitness-Spezialisten Fitbit in der Pixel Watch zusammen. Google hatte das Unternehmen 2021 für rund 2,1 Milliarden Dollar übernommen. „Diese Kombination mit der Leistung von Fitbit existiert bislang noch nicht“, sagte Waraich. Damit wolle sich Google auf dem umkämpften Markt von der Konkurrenz abheben.
Google dürfte es jedoch auch hier schwer haben, schätzt Analyst Jeronimo: „Apple, Samsung und Garmin haben zusammen einen Marktanteil von 75 Prozent. Apple alleine kommt auf 48 Prozent Marktanteil, was es für jede Marke sehr viel schwieriger macht, diese Vorherrschaft zu durchbrechen.“
Analyst Klähne geht davon aus, dass Google die Pixel Watch vor allem dazu nutzen will, die Funktionen des Betriebssystems für Smartwatches zur Schau zu stellen. Das bedeute jedoch nicht, dass Google mit eigenen Geräten in dem Markt keine Rolle spielen werde. Klähne sagte: „Google hat sicherlich die Ressourcen, um in den Markt einzutreten und etwas zu bewirken.“
Offen ist, ob das mit der neuen Smartphone-Generation und der Pixel-Watch nun gelingt. Schließlich baut Google seit Jahren technisch führende Geräte, und das für einen günstigeren Preis: So soll das Pixel 7 in den USA 599 Dollar kosten, das Pixel 7 Pro 899 Dollar. Die iPhones sind deutlich teurer – und dennoch ist Apple scheinbar uneinholbar enteilt.
Warum? Ein Grund könnte in einem Bereich liegen, der nicht direkt mit Googles Hardware-Kompetenz zu tun hat: Minutenlang ging es am Donnerstag nicht um neue Funktionen, sondern um Privatsphäre und Datensparsamkeit. Manager Osterloh betont, wie „sicher und privat“ die Geräte seien, Google sei der „Marktführer beim Datenschutz.“ Im Publikum wird dabei geschmunzelt.
Erstpublikation: 06.10.22, 17:21 Uhr (zuletzt aktualisiert: 07.10.22, 11:17 Uhr).
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