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18.05.2022

14:56

Playstation-Hersteller

Vom Elektronikhersteller zum Unterhaltungsriesen: So hat sich Sony erfolgreich neu erfunden

Von: Martin Kölling

Noch vor zehn Jahren steckte der Konzern tief in der Krise. Nun macht Sony mit Videospielen, Musik und Filmen Rekordgewinne – und greift im Metaversum an.

Der Sony-Chef hat nicht nur die Sparten für Fernseher und Smartphones wieder profitabel gemacht. Der Fokus auf Unterhaltung treibt die Geschäftszahlen auf neue Höhen. IMAGO/AFLO

Kenichiro Yoshida

Der Sony-Chef hat nicht nur die Sparten für Fernseher und Smartphones wieder profitabel gemacht. Der Fokus auf Unterhaltung treibt die Geschäftszahlen auf neue Höhen.

Tokio Sony spielt gerade auf dem Rasen des Etihad-Stadions in Manchester um seine Zukunft. Im Februar hat Firmenchef Kenichiro Yoshida mit dem englischen Fußballklub Manchester City vereinbart, dessen Heimstadion virtuell im Metaversum nachzubauen, jener immer lebensechter ausgeschmückten digitalen Welt, auf die die Digitalwirtschaft als nächsten Boom setzt. Dort sollen Fans beispielsweise „live“ Spiele nacherleben, in Echtzeit Videospiele spielen und sich mit anderen Fans treffen können.

Für Yoshida ist der auf drei Jahre ausgelegte Versuch ein digitaler Prototyp für die Eroberung eines neuen Markts. „Es gibt die Gelegenheit, ein neues ‚Kando‘ durch Technologie zu schaffen“, erklärte er am Mittwoch auf einer Strategietagung, nur eine Woche nachdem das Unternehmen einen Rekordgewinn von 8,7 Milliarden Euro gemeldet hatte.

Kando, übersetzt etwa Rührung oder Begeisterung, ist der Schlüsselbegriff für Sonys Wiedergeburt nach einer tiefen Krise. Das Wort steht für die Firmenmission, durch Inhalte und Technik Herzen und Gemüter der Kunden zu bewegen und Menschen zu vernetzen. Das hört sich abgehoben an. Aber Yoshidas Rede zeigt, wie sehr der Begriff den rasanten Wandel des einstigen Aushängeschilds der japanischen Elektronikindustrie widerspiegelt.

Vor 20 Jahren war Sony, Erfinder des Transistorradios und des Walkmans, noch Weltmarktführer bei Flachbildfernsehern und eine treibende Kraft bei Notebooks wie Handys. Jetzt finden diese Geräte in der Präsentation gar nicht oder nur noch am Rande statt. Stattdessen widmete Yoshida die meiste Redezeit Videospielen, Musikstudios und dem Filmgeschäft, die er als Wachstumsmotoren auch in der virtuellen Welt sieht. „Das Metaversum ist ein gesellschaftlicher Raum für Live-Events, in dem sich Musik, Filme und Anime-Zeichentrick treffen und gemeinsam expandieren.“

Aus Sicht von Serkan Toto, Gründer der Videospielberatung Kantan Games, ist damit die Wende endgültig geschafft. „Der Sony-Konzern von heute ist nicht mehr der von einst“, sagt der in Tokio ansässige Experte. Sony sei zwar weiterhin ein Mischkonzern, der Finanzdienstleistungen, Sparten der Unterhaltungsindustrie und traditionelle Elektronik vereine. „Im Wesentlichen hat sich Unterhaltung wie Videospiele, Musik oder Filme in der öffentlichen Wahrnehmung als Markenkern durchgesetzt“, sagt Toto.

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Analysten sehen das genauso. Doug Creutz von der US-Investmentbank Cowen beschrieb Sony als „unterschätztes Unterhaltungs-Powerhouse“. Dabei ist die Bedeutung der drei Sparten für Sonys Wiederaufstieg nicht zu übersehen.

Erst Pionier, dann in die Krise und nun endlich erfolgreich

Bereits in den 1990er-Jahren arbeitete Sony unter dem Slogan „Digital Dream Kids“ an einer vernetzten Welt, in der Inhalte wie Videospiele und Filme den Verkauf von Hardware antreiben. Sogar mit ersten Versionen des Metaversums experimentierte der Konzern. Nur waren Software und Hardware noch nicht reif für die Idee.

Stattdessen wurde Sony Anfang des Jahrhunderts durch agilere asiatische Rivalen wie Samsung in seinem traditionellen Kerngeschäft mit Fernsehern oder Mobiltelefonen in die Krise gehetzt. Zwischen 2008 und 2014 machte Sony Verluste oder war gerade eben profitabel.

Nicht einmal harte Schnitte wie der Verkauf der Computersparte oder der Fokus auf Premiummodelle bei Flachbildfernsehern und Smartphones halfen. Erst die Ernennung des Playstation-Fachmanns Kazuo Hirai zum neuen Konzernchef brachte 2012 die Wende.

2013 erklärte der Manager „Kando“ zum Firmenzweck und Unterhaltung zum neuen Motor. Der heutige Firmenchef Yoshida hat diesen Kurs seit 2018 noch beschleunigt. Der 62-jährige frühere Finanzchef hat nicht nur die zurückgestutzten Sparten für Fernseher und Smartphones wieder profitabel gemacht.

Sonys Fokus auf Unterhaltung treibt die Geschäftszahlen auf neue Höhen. Im Ende März abgelaufenen Geschäftsjahr machte die Sparte bereits 51 Prozent des Umsatzes und 64 Prozent des Betriebsgewinns aus.

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Der Konzern sagt zwar wegen steigender Rohstoffpreise für 2022 weniger Gewinn voraus. Aber für Analyst Koto Ezawa von der Citigroup Japan ist das Wachstum noch nicht am Ende: „Wir mögen die langfristigen Wachstumsaussichten von Sony, angetrieben durch die Entwicklung virtueller Welten und das Metaversum.“

Videospiele als Pfeiler, Musik und Filme als Wachstumsmarkt

Der wichtigste Pfeiler ist inzwischen mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro und einem Betriebsgewinn von fast drei Milliarden Euro Sonys Videospielsparte. Mit den mehr als 100 Millionen Kunden des Playstation Network ist sie auch die größte Internetplattform des Konzerns. Das Wachstum hat sie der Playstation-Konsole zu verdanken, die mit der Xbox von Microsoft um Gamer kämpft.

Die Nachfrage nach der Playstation 5 übersteigt selbst in ihrem zweiten Jahr das Angebot bei Weitem, weil die globale Chipkrise die Produktion ausbremst. Sony hat vorige Woche erklärt, für 2022 genügend Chips für 18 Millionen PS5 gesichert zu haben. Analysten gehen von bis zu 22 Millionen Interessenten aus.

Anleger heben allerdings auch das kleinere Musikgeschäft hervor, gerade in den aktuellen Krisenzeiten. „Es kann einem wirtschaftlichen Abschwung am besten widerstehen“, urteilt Yasuo Nakane, Analyst bei Mizuho Securities. Durch das globale Wachstum der Streamingplattformen könne die Musiksparte Sonys Gewinnmotor werden.

Die Nachfrage nach der Konsole übersteigt selbst in ihrem zweiten Jahr das Angebot bei Weitem, Bloomberg

Playstation 5

Die Nachfrage nach der Konsole übersteigt selbst in ihrem zweiten Jahr das Angebot bei Weitem,

Das Filmgeschäft steht dem kaum nach. Sony profitiert davon, selbst keine Streamingplattform wie Netflix zu betreiben, meint Analyst Doug Creutz. Er bezeichnete Sony daher als „Waffenlieferant“, der den Filmhunger aller Plattformen befriedigen kann.

Sony will aber selektiv selbst Plattformen entwickeln. So haben die Japaner Crunchyroll gekauft, einen Vertriebskanal für Anime-Filme. Grundsätzlich wolle sich der Konzern aber auf Inhalte und Künstler konzentrieren, erklärte Konzernchef Yoshida. Dazu gehört auch, Videospiele in Filme umzuwandeln und Konzerte auf der Gamingplattform abzuhalten.

Darüber hinaus lebt Sony weiterhin von seiner frühen Investition in Bildsensoren für Digitalkameras und Smartphones, bei denen die Japaner Weltmarktführer sind. Zudem investiert Sony stark in Künstliche Intelligenz und Robotik.

Durch seine Premiumfernseher, Smartphones und Kameras entwickelt Sony weiter wichtige Software und Hardware, die wiederum die Entwicklung bei digitaler Unterhaltung antreiben. Sony leistet sich sogar wieder einen Ausflug, vor dem selbst Apple wegen geringer Gewinnmargen zurückgeschreckt ist: Mit dem Autohersteller Honda will er ab 2025 Elektroautos bauen, die Yoshida zufolge Unterhaltung auf Rädern neu definieren sollen.

Sonys neuer Reichtum erlaubt Konter gegen alte Konkurrenten

Der Ausflug in die Mobilität wird allerdings auch kritisch gesehen. Tatsächlich wächst die Konkurrenz gerade in Kerngeschäften: Facebook expandiert in virtuelle Welten. Der südkoreanische Erzrivale Samsung will Sony bei Bildsensoren entthronen. Und Xbox-Hersteller Microsoft hat im Januar für 69 Milliarden Dollar den Spieleentwickler Activision Blizzard gekauft, um die Playstation zu schlagen.

Allerdings ist das Unternehmen nun wieder reich genug, um gegenzuhalten. Der Konzern investiert beispielsweise in ein Chipwerk, das der taiwanische Chipkonzern TSMC in Japan baut. Viel verspricht sich Yoshida auch vom geplanten Kauf des Spieleentwicklers Bungie, mit 3,6 Milliarden Dollar geradezu ein Schnäppchen. „Wir wollen von Bungie die Technik für Livedienste lernen“, sagte Yoshida. Die wird besonders im Metaversum wichtig, wo Kommunikation in Echtzeit zählt.

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