Picus Capital hat mit dem Geld von Unternehmer Alexander Samwer in mehr als 60 Start-ups investiert. Partner Robin Godenrath sieht noch viel Potenzial.
Robin Godenrath
Mit Hilfe von selbst entwickelten Computerprogrammen will Picus Capital so früh wie möglich Unternehmenskandidaten identifizieren.
Bild: Picus Capital
München Bei der Risikokapitalfirma Picus Capital hat Alexander Samwer zwar das Kapital zur Verfügung gestellt – im Kreis der inzwischen sechs Partner hat der jüngste der drei Samwer-Brüder aber nur eine Stimme. „Wir nutzen seinen Erfahrungsschatz“, sagte Gründungspartner Robin Godenrath dem Handelsblatt, „doch bei den Investitionsentscheidungen hat er keine gesonderte Stellung.“ Bei den Investments sei Einstimmigkeit gefragt, jeder habe ein Vetorecht.
Alexander Samwer, einer der drei Rocket-Internet-Gründer, hatte Picus vor fünf Jahren gemeinsam mit Godenrath und Jeremias Heinrich gegründet. Bislang investierte die Firma eher im Verborgenen sehr früh in junge Firmen. Inzwischen wurden bereits rund 80 Millionen Euro in mehr als 60 Start-ups investiert.
Für die nächsten fünf Jahre stehen laut Godenrath weitere 150 bis 200 Millionen Euro zur Verfügung. „Im Grunde sind unsere Möglichkeiten aber unbegrenzt.“ Denn es sollten ja auch die Erlöse aus erfolgreichen Exits reinvestiert werden.
Picus Capital investiert sehr früh in den sogenannten Seed- oder Pre-Seed-Finanzierungsrunden, hat dann aber auch das Kapital, um bei späteren Runden mitzugehen. So war Picus von Anfang an bei der Software-Firma Personio dabei, die zu einer Art SAP für Personaler in mittelständischen Unternehmen werden will. In der jüngsten Finanzierungsrunde wurde Personio mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag bewertet. Picus hält etwa drei Prozent der Anteile.
„Wir wollen als Investor so agil wie ein Business-Angel sein, aber mit einer größeren Finanzkraft“, sagt Godenrath. Mithilfe von selbst entwickelten Computerprogrammen wolle Picus so früh wie möglich die Unternehmenskandidaten identifizieren. Diese suchen zum Beispiel auf dem Karriere-Portal Linkedin nach Gründern, die bereits früher erfolgreich gegründet hatten oder bei spannenden Firmen angestellt waren.
Mithilfe dieses Filters sehe sich das Team etwa 100 Start-ups in der Woche genauer an und spreche mit etwa 50 Gründern, sagt Godenrath. „Manchmal nehmen wir schon Kontakt auf, bevor das Unternehmen überhaupt gegründet ist.“ Picus wolle die „absoluten Top-Unternehmen“ bekommen.
Damit dies gelinge, müsse man sich von der Konkurrenz absetzen, schließlich sei viel Kapital am Markt unterwegs. Picus biete dann Hilfe an – ohne, dass sich das Start-up zu irgendetwas verpflichte. „Wir unterstützen und hoffen, dass die Unternehmen das später honorieren.“
Wenn sich ein Start-up dann für andere Investoren entscheide, habe Picus nicht genug Mehrwert geliefert. Es sei aber bereits mehr als zehn Mal gelungen, im ersten Monat nach der Gründung eines Start-ups einzusteigen.
Für die Start-ups sind finanzkräftige Venture-Capital-Geber derzeit besonders wichtig. Während der Corona-Pandemie hatten sich einige Investoren lieber zurückgehalten. Im jüngsten Deutschen Start-up-Monitor (DSM) erklärten 43 Prozent der Firmen, die Kapitalbeschaffung sei herausfordernd. Im Jahr zuvor waren es nur 38 Prozent.
Godenrath hat früher bei McKinsey gearbeitet. Es sei immer sein Ziel gewesen, selbst zu gründen, sagt er. So habe man, als er Samwer und Heinrich kennenlernte, Picus Capital aus der Taufe gehoben – das sei ja auch eine Art Start-up, mit inzwischen 20 Mitarbeitern.
Die Samwers sind die wohl bekanntesten deutschen Internet-Unternehmer. Oliver Samwer führt den Inkubator noch immer als Vorstandsvorsitzender. Der Rückzug Rocket Internets von der Börse sorgte in diesem Jahr auch für viel Kritik. Das pflichtgemäße Rückkaufangebot von 18,57 Euro lag deutlich unter dem Ausgabekurs von 42,50 Euro aus dem Oktober 2014.
Die Brüder investieren mit verschiedenen Firmen in Start-ups und Immobilien. Alexander Samwer ist mit dem Projektentwickler Pacifico Energy Partners und der Firma Pacifico Renewable Yield auch auf dem Feld der erneuerbaren Energien aktiv.
Der Investmentschwerpunkt von Picus liegt unter anderem in den Bereichen Proptech, Fintech und Insurtech – also auf Digitalspezialisten im Immobilien-, Finanz- und Versicherungsbereich. Zu den mehr als 60 Beteiligungen von Picus gehören zum Beispiel der Künstliche-Intelligenz-Spezialist Genius AI, der Factoring-Dienst Billie, der digitale Immobilien-Spezialist Casavo, die Solarenergie-Firma Enpal und die Job-Suchmaschine Joblift.
Alle der 14 zuletzt getätigten Pre-Seed-Investments seien auf Wachstumskurs, drei davon würden schon mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet, sagt Godenrath. Fehlinvestments will er nicht benennen. Er bereue vor allem, dass Picus nicht bei der Event-Plattform Hopin eingestiegen sei, die derzeit stark von der Coronakrise profitiert. „Da hat unser Früherkennungsradar nicht funktioniert, sodass wir gar nicht erst ins Gespräch gekommen sind.“
Es sei wichtig, dass es in Deutschland auch Investoren mit größerer Kapitalkraft gebe, sagt Godenrath. „Wir wollen unseren Beitrag leisten, das Start-up-Ökosystem in Europa zu stärken.“
Auch eCapital-Gründer Paul-Josef Patt hatte kürzlich beklagt, dass Deutschland noch immer ein „Venture-Capital-Entwicklungsland“ sei. Für junge Unternehmen in der frühen Phase gebe es unter anderem dank des Hightech-Gründerfonds ausreichend Kapital.
Doch danach werde es gerade im Deep-Tech-Bereich, der viel Geduld von Investoren erfordere, immer schwieriger. Kapital für die weitere Expansion in den späteren Runden komme oft aus dem Ausland. Es bestehe bei jungen Firmen die Gefahr, dass die Technologie – oder gleich das ganze Unternehmen – ins Ausland abwandere.
Picus Capital bringe die Geduld für langfristige Investments mit, sagt Godenrath. „Wir müssen nicht schon beim Einstieg an den Exit denken.“ So hat die Risikokapitalfirma von Alexander Samwer noch große Wachstumspläne.
Bei der Vorauswahl der möglichen Investments setzt Picus dabei zwar auf Unterstützung vom Computer. Am Ende aber sei der persönliche Eindruck entscheidend, sagt Godenrath. Der Unternehmer brauche eine Passion, um die besten Talente davon zu überzeugen, zu seiner Firma zu wechseln. „In der ersten halben Stunde im Gespräch mit dem Gründer lernt man mehr als an einem Tag Research.“
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