Auf der digitalen Hauptversammlung fordern die Anteilseigner eine Nachfolgeregelung für den 78-Jährigen. Der SAP-Gründer beteuert, dass die Übergabe begonnen hat.
SAP-Hauptversammlung
Vorstandssprecher Christian Klein (l.) und Aufsichtsratschef Hasso Plattner stellen sich den Fragen der Aktionäre.
Bild: via REUTERS
Düsseldorf Als die Frage wieder aufkommt, zum dritten oder vierten Mal, schnauft Hasso Plattner in sein Mikrofon. Das Thema nervt ihn, das ist am Mittwoch zu spüren: „Wie wird die Übergabe des Aufsichtsratsvorsitzes in den nächsten 24 Monaten aussehen?“, will ein Aktionärsvertreter auf der digitalen Hauptversammlung wissen. Der Chefaufseher setzt an: „Wie ich bereits in meiner Rede angesprochen habe …“
Als technischer Vordenker prägt er SAP seit 50 Jahren, bis heute hat er als Aufsichtsratschef des Dax-Konzerns eine mächtige Position inne. Mit 78 Jahren ist er allerdings älter, als es die eigene Satzung vorsieht und einige prominente Investoren für akzeptabel halten.
Trotzdem will er sich ein letztes Mal wählen lassen. Für zwei Jahre nur, um den Übergang zu gestalten, wie er betont. Die Aktionäre unterstützen den Plan, aber nicht unisono. Das zeigen die Fragen, das bestätigt die Abstimmung: 90,48 Prozent des Kapitals votieren für ihn. Das Ergebnis ist deutlich, aber schlechter als bei anderen Kandidaten für den Aufsichtsrat. Es ist eine Aufforderung, dass sich SAP vom letzten noch aktiven Mitgründer emanzipieren muss.
Bereits 2019 hatte Plattner erklärt, sich ein letztes Mal und nur für eine verkürzte Amtszeit zur Wahl stellen zu wollen – bis er später in einem Handelsblatt-Interview zu Protokoll gab, dass in der unruhigen Corona-Zeit Kontinuität wichtig sei und es „auf ein paar Jährchen mehr“ auch nicht mehr ankomme.
Nun führt er ähnliche Argumente an: Vorstandssprecher Christian Klein wolle den Softwarehersteller im Zuge einer strategischen Neuausrichtung zum Cloud-Spezialisten machen, zudem erschwere das „wechselhafte globale Umfeld“ das Geschäft.
In dieser Phase, so Plattner, wolle er den Erfolg „nicht durch einen Führungswechsel beeinträchtigen“. Und eine andere denkbare Nachfolgeregelung habe sich „aus Krankheitsgründen“ zerschlagen.
Bei SAP und auch in der Finanzwelt haben dagegen viele den Eindruck, dass Plattner nicht von seinem Lebenswerk lassen kann.
SAP ohne Plattner?
Plattner hat in den vergangenen Monaten zwei Ausschuss-Vorsitze abgegeben.
Bild: dpa
Der Mitgründer ist kein normaler Aufsichtsratschef, er gilt als jemand, der das Gremium dominiert und damit großen Einfluss ausübt. Der regelmäßig die Vorstände anruft. Der in seiner Rolle als „Chief Software Advisor“ auf die technologische Ausrichtung und Strategie Einfluss nimmt. Gegen ihn geht bis heute wenig.
Einige Investoren sind mit der Situation unzufrieden. „Seit Jahren kritisieren wir eine mangelhafte Nachfolgeplanung“, erklärt Ingo Speich, Leiter des Bereichs Corporate Governance bei der Sparkassen-Tochter Deka Investment. „Wir sehen die Machtkonzentration bei Herrn Plattner kritisch und wünschen uns einen unabhängigeren Aufsichtsratsvorsitzenden, der das Managementteam auch über ein Jahrzehnt begleiten kann.“
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Die Ankündigung einer erneuten Kandidatur sei eine Überraschung gewesen, sagt auch Hendrik Schmidt, Experte für die gute Unternehmensführung beim Vermögensverwalter DWS. Man erwarte „für die nun anstehenden 24 Monate eine transparente, nachhaltige Lösung dieser ganz besonderen Nachfolge“.
Immerhin hat sich in den vergangenen Monaten schon etwas getan. Plattner hat den Vorsitz im Personal- und Governance-Ausschuss abgegeben, der für die Vorstandsbesetzung verantwortlich ist. Gleiches gilt für den Nominierungsausschuss, der Kandidaten für den Aufsichtsrat bestimmt.
Zudem hat das Gremium die Funktion des „Lead Independent Director“ (LID) geschaffen. Diese Rolle, die die Interessen unabhängiger Aktionäre gewährleisten soll, hat Friederike Rotsch übernommen. Die Juristin leitet beim Pharmakonzern Merck den Bereich „Legal & Compliance“ und ist bei SAP seit 2018 im Aufsichtsrat.
Ein offensichtlicher Kandidat für die Nachfolge ist indes nicht in Sicht. Idealerweise wäre das jemand, der Erfahrungen im Top-Management hat, über ein tiefes Verständnis der digitalen Technologie verfügt und zugleich die nötige Zeit mitbringt – womit aktive Vorstände anderer Unternehmen ausscheiden.
„Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen“ arbeite er an einer Lösung, sagt Plattner. „Ich hoffe, dass wir ein Mitglied des Aufsichtsrats für diese Aufgabe gewinnen können und nicht jemanden von außen holen müssen.“
Die Aktionäre dürften es genau beobachten – und weiter viele Fragen stellen, solange es keine Regelung gibt.
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