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21.02.2023

14:19

Sensorik

Hoffen auf den Neuanfang bei AMS Osram – „Handlungsbedarf ist groß“

Von: Axel Höpner

Nach der Übernahme arbeitet der Sensorik-Spezialist weiterhin an der Integration der beiden Unternehmen. Der neue CEO kennt Osram gut. Aber ist er auch der passende Restrukturierer?

Die Übernahme des traditionsreichen Lichtkonzerns Osram durch den kleineren Sensorspezialisten AMS war hochumstritten. Osram

Osram-Mitarbeiter bei der Arbeit im Reinraum der LED-Chipfabrik

Die Übernahme des traditionsreichen Lichtkonzerns Osram durch den kleineren Sensorspezialisten AMS war hochumstritten.

München Als Aldo Kamper vor gut vier Jahren die Führung von Leoni übernahm, sollte er das Wachstum des Autozulieferers vorantreiben. Doch schnell stellte sich sein neuer Arbeitgeber als Sanierungsfall heraus. Anfang April wird er nun CEO von AMS Osram und könnte wieder negativ überrascht werden.

„AMS Osram ist ein Restrukturierungsfall“, sagt ein Insider. Die Geschäfte liefen nicht sonderlich gut, die Integration der beiden Unternehmen sei bislang nicht gelungen, und der Schuldenberg sei hoch. 2019 hatte der kleinere Sensorspezialist AMS den Lichtkonzern Osram übernommen. Vor seinem Wechsel zu Leoni hatte Kamper 22 Jahre für Osram gearbeitet.

Gerade im alten Osram-Teil sehen daher viele den Führungswechsel als Chance. „Das kann ein Neuanfang sein“, sagte ein Arbeitnehmervertreter dem Handelsblatt. Vorgänger Alexander Everke, der AMS in die Übernahme geführt hatte, habe nur selten den Dialog mit den Betriebsräten gesucht. Zudem sei der Konzern zu intransparent gewesen, und viele Osram-Führungskräfte hätten den Konzern verlassen. „Der Handlungsbedarf ist groß.“

Auch im AMS-Osram-Aufsichtsrat um Chefkontrolleurin Margarete Haase wird laut Insidern die Notwendigkeit einer Kurskorrektur gesehen. Ihr Stellvertreter Wolfgang Leitner, der als langjähriger CEO und Miteigentümer den Anlagenbauer Andritz zu einem erfolgreichen, börsennotierten Konzern gemacht hatte, könne seine industrielle Expertise einbringen.

Der neue CEO muss sich eine Hausmacht aufbauen

Doch leicht wird die Mission nicht. In Regensburg, wo er bis 2018 die Chipsparte führte, wird Kamper mit offenen Armen empfangen. „Die werden vom Bahnhof zum Werk den Weg mit Palmwedeln auslegen“, sagt ein Kenner des Unternehmens.

Doch muss sich Kamper eine Hausmacht in vielen Teilen des Konzerns erst aufbauen. Laut Industriekreisen holt er zum Beispiel den Technologieexperten Ulrich Steegmüller zurück zu Osram, einen Vertrauten aus alten Tagen.

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Auch die operativen Herausforderungen sind groß. Im vergangenen Jahr stieg der Nettoverlust von AMS Osram von 32 auf 444 Millionen Euro. Der Umsatz ging, auch durch Portfolioveränderungen, von fünf auf 4,8 Milliarden Euro zurück.

Die Nettoverschuldung lag Ende des Jahres bei 1,7 Milliarden Euro, was dem Zweifachen des bereinigten operativen Ergebnisses entsprach. Eine Dividende zahlt Osram für 2022 nicht, um „sich auf die Stärkung seiner Geschäftsposition im Jahr 2023 zu konzentrieren“.

Laut Industriekreisen muss Kamper auch rasch die Prognosezuverlässigkeit verbessern. Diese war früher bei Osram schlecht, die Kapitalmärkte wurden immer wieder negativ überrascht. AMS sei hier früher besser gewesen, meint ein Ex-Mitarbeiter, doch habe sich die Osram-Krankheit dann auch in den neuen Konzern eingeschlichen. „Wenn er das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückgewinnen will, muss Kamper das in den Griff bekommen.“

CEO Everke hatte die Umsätze von AMS auch mithilfe der Osram-Übernahme seit 2006 verzehnfacht. Seit Führungsstil war aber nicht unumstritten. Er lenkte das Unternehmen aus Premstätten heraus, die Aktie ist in der Schweiz notiert. Everke sagte zu seinem Abschied: „Zwei Jahre nach der vollständigen operativen Übernahme von Osram ist die Integration beider Unternehmen in einen gemeinsamen Konzern weit vorangeschritten.“

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Aufsichtsratschefin Haase begründete die Entscheidung für Kamper als Nachfolger so: „Seine technologische Kompetenz und seine Erfahrung als Manager bilden eine hervorragende Grundlage, um die Chancen aus der Kombination von Sensorik und LED-Technologie auszuschöpfen.“

Kamper wisse, auf welche Herausforderung er sich einlasse, sagt ein Osram-Kenner. Er müsse das Unternehmen einen und die Umsatzbringer der Zukunft identifizieren. Es sei grundsätzlich richtig, außerhalb der Autosparte weg vom sichtbaren Licht zu gehen, wo nur wenig zu verdienen sei. Interessanter sei das Geschäft mit der Sensorik. „Wenn es zum Beispiel gelingt, den Blutzucker zuverlässig mit Infrarot zu messen, könnte das ein Gamechanger sein.“

Nicht alle im Umfeld sind sich sicher, ob Kamper der Richtige ist, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen. „Er ist eigentlich kein Sanierer – und war in dieser Rolle ja auch bei Leoni nicht sonderlich erfolgreich“, sagt ein Berater, der mit dem Unternehmen zu tun hat.

Bei Leoni gab es immer wieder Rückschläge

Leoni war allerdings durch unternehmerische Fehlentscheidungen vor Kampers Zeit in Schwierigkeiten geraten. Der Bordnetzspezialist machte unter der Führung des Niederländers Fortschritte, wurde dann aber in der Coronapandemie zurückgeworfen und musste als eines der ersten Unternehmen in Deutschland Staatshilfe beantragen.

In Regensburg führte Kamper bis 2018 die Chipsparte.

Aldo Kamper

In Regensburg führte Kamper bis 2018 die Chipsparte.

Das Finanzierungskonzept wurde dann im vergangenen Jahr über den Haufen geworfen, als der Verkauf der Kabelsparte überraschend platzte. Nun übernehmen die Banken die Kontrolle, die Anteile der freien Aktionäre werden über einen Kapitalschnitt drastisch verwässert. Dass Kamper in dieser Situation das Unternehmen verlässt, sehen manche kritisch. Der CEO selbst sagt zur Begründung: „Mein Herz schlägt für die Halbleiterei.“

Die Übernahme des traditionsreichen Lichtkonzerns Osram durch den kleineren Sensorspezialisten AMS war hochumstritten. Zwischenzeitlich ermittelte zudem die Börsenaufsicht wegen des Verdachts auf Insiderhandel im AMS-Umfeld.

Das österreichische Unternehmen gilt als wenig kommunikationsfreudig und eher intransparent. Doch CEO Alexander Everke zog die Akquisition gegen alle Widerstände konsequent durch. AMS wäre andernfalls womöglich selbst zum Übernahmeopfer geworden.

Durch die Übernahme machte sich das Unternehmen zudem unabhängiger vom Großkunden Apple, dessen Aufträge teilweise verloren gegangen sein sollen.

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