Das Start-up gewinnt einen weiteren wichtigen Geldgeber. Neben Volvo und Continental investiert nun auch Daimler Truck. Das Ziel: Ein neues Betriebssystem für Autos.
Autonomes Fahren
Die Digitalisierung des Autos wie durch Assistenzsysteme oder selbstfahrende Fahrtechnik verlangt nach einer Betriebssoftware, die ähnlich wie beim Computer oder Smartphone die Funktionen und Anwendungen schnell, effizient und sicher ermöglicht.
Bild: BOSCH
Düsseldorf Daimler Truck steigt mit einer „strategischen Minderheitsbeteiligung“ bei Apex AI ein. Das verkündete das deutsch-amerikanische Start-up, das bereits eine Reihe von namhaften Investoren besitzt: Continental, ZF, Toyota oder Airbus.
Hinter Apex AI steckt Jan Becker, der lange bei Bosch arbeitete und im Silicon Valley lebt. Sein Ziel: mit der 2017 gegründeten Firma eine Alternative zu Systemen wie Android Auto anzubieten. „Wir arbeiten mit vielen Kunden an einem Betriebssystem, noch dieses Jahr werden wir dazu mehr sagen können“, sagt Becker.
Der Markt und die Nachfrage sind groß, aber auch die Konkurrenz. Volkswagen und andere Hersteller sowie Lieferanten arbeiten an einem „Operating System“, wie auch Tech-Riesen wie Google, Nvidia oder Qualcomm. „Das Betriebssystem ist eines der zentralen Themen der Branche“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management.
Kann Apex AI sich durchsetzen? Das Start-up hat einen Vorteil auf seiner Seite: Es ist anwenderneutral, kann also mit jeder Hardware bei Fahrzeugen wie beispielsweise den Halbleitern von Nvidia oder Qualcomm kommunizieren. Daher können diese beliebig von Fahrzeugherstellern ausgetauscht werden. „Damit vermeiden die Nutzer eine Abhängigkeit, und die Applikationskosten fallen“, sagt Becker.
Das trifft einen Nerv in der Branche: Intel, Nvidia und Qualcomm drängen mit aller Macht in die Autobranche, die Digitalisierung der Fahrzeuge erfordert immer mehr Halbleiter. Die Chiphersteller bieten aber auch verstärkt Software an. So setzen beim autonomen Fahren Mercedes-Benz auf Nvidia und Volkswagen auf Qualcomm. Die neuen Ausstatter verlangen dafür viel Geld, so muss Mercedes-Benz künftig jeden Euro bei Softwarekomponenten mit Nvidia teilen.
Das Argument der Neutralität trifft auch auf die Konkurrenz von Apex wie Volkswagen zu. Die wollen mit dem Projekt Cariad ein eigenes Betriebssystem für die Branche entwickeln. „Cariad hat große Ziele, kommt aber unheimlich langsam voran“, sagt Autoexperte Bratzel. „Auch die Idee, einen Industriestandard bauen zu wollen, ist schwierig. Andere Hersteller zahlen ungern für Lizenzen an einen Wettbewerber.“
Die Finessen der Autobranche kennt Becker aus seinen vielen Jahren bei Bosch. Der gebürtige Hesse leistete grundlegende Arbeit bei Fahrassistenzsystemen und autonomem Fahren, kam 2006 ins Silicon Valley, um für die renommierte Universität Stanford ein Projekt für Roboterfahrzeuge umzusetzen. Dort lehrt er bis heute und hält Vorträge zum Thema. „Becker ist eine Koryphäe“, sagt Peter Fintl, Forschungs- und Entwicklungschef bei der Beratungsfirma Capgemini. „Er treibt nicht nur die Technologie voran, sondern weiß auch um die vielen Abhängigkeiten in der Branche.“
Aus dem Grund machte Apex seine Software auch kompatibel mit Autosar, einer vor fast 20 Jahren von Autoherstellern, Zulieferern und anderen Unternehmen entwickelten Softwarearchitektur für elektronische Steuergeräte. Sie ist ein weltweiter Erfolg und wird von vielen Zulieferern wie Bosch verwendet.
Apex bietet – vereinfacht ausgedrückt – fertige Software-Bestandteile, auf deren Grundlage Auto-Betriebssysteme wie das Einlesen von Daten von Kameras oder anderen Sensoren arbeiten können. Becker spricht von einer „Software-Bibliothek“ für Dutzende Rechenkerne eines Fahrzeugs.
Die Software von Apex AI basiert auf einem in der Fachwelt renommierten Fundament: dem „Robot Operating System“ (ROS), das seit 15 Jahren von Programmierern vor allem an der Universität Stanford gebaut wird. Der Quellcode liegt offen – ebenso wie Android von Google, das ebenfalls auf einer Open-Source-Software beruht.
Becker erkannte das Potenzial von der ROS-Plattform, aber auch seine Schwächen: mangelhafte Echtzeitfähigkeit, Robustheit oder Schnelligkeit. Die Entwickler von Apex beseitigten laut Becker die Probleme. In Deutschland zertifizierte der Tüv Nord bereits vor einem Jahr die Software nach der höchsten Sicherheitsnorm ISO 26262 ASIL D. „Das ist eine enorme Leistung“, sagt Technologieexperte Fintl. „Die Autobranche fordert die Erfüllung funktionaler Sicherheitsanforderungen und entsprechende Zertifizierung, um eine Technologie in Serie einsetzen zu können.“
Becker gründete Apex AI zusammen mit Dejan Pangercic. Die beiden kennen sich seit ihrer Zeit in München, wo der gebürtige Slowene vor 17 Jahren sein Studium begann und später seinen Doktor in Robotik machte. Becker holte als damaliger „Principal Engineer“ für autonomes Fahren bei Bosch Pangercic 2012 ins Silicon Valley.
Pangercic ist heute Technologiechef des Start-ups, das starke Wurzeln in Deutschland hat. Die Hälfte der Entwickler arbeitet in München oder Stuttgart. Insgesamt beschäftigt Apex 90 Mitarbeiter, rund die Hälfte mehr als noch vor einem Jahr.
Das Start-up sammelte insgesamt 74 Millionen Dollar ein, die letzte Finanzierungsrunde war im Herbst. Das Geld erhielt das Start-up von Risikokapitalgebern wie Canaan, Herstellern wie Volvo oder Toyota und Lieferanten wie Continental oder ZF. Laut Becker gibt es keinen Mehrheitsinvestor, auch zusammengenommen kommen die insgesamt elf Risikokapitalgeber und Unternehmen auf keine absolute Mehrheit der Anteile.
Über einen Marktwert der Firma will Becker nichts sagen. Ein Unicorn – also eine Milliardenbewertung – ist aber noch nicht erreicht, ganz klar strebt Apex AI das Ziel aber an. „Unsere Gesamtbewertung ist in den vergangenen fünf Jahren signifikant gewachsen“, sagt Becker.
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