SAP versucht es einmal mehr mit dem Mittelstand: Ein neues Produktpaket soll die Einführung von Cloudprodukten erleichtern. Experten sehen aber Herausforderungen.
SAP-Zentrale in Walldorf
Der Softwarekonzern unternimmt einen neuen Versuch, den Mittelstand für seine Produkte zu gewinnen.
Bild: dpa
Düsseldorf In seiner 51-jährigen Geschichte hat SAP mehrfach versucht, den Mittelstand zu gewinnen – mit durchwachsenem Erfolg. Nun startet der größte deutsche Softwarehersteller eine neue Initiative: Unter dem Namen „Grow with SAP“ vermarktet der Konzern ein Produktpaket, das primär auf Unternehmen mit 500 oder mehr Mitarbeitern zielt.
Die Initiative soll Kunden erleichtern, S/4 Hana Cloud einzuführen, ein betriebswirtschaftliches Programm für Aufgaben wie Rechnungswesen, Logistik oder Beschaffung, das in der Public Cloud läuft, also in Rechenzentren von SAP. Es handle sich um ein „maßgeschneidertes Angebot“, das mittelständischen Unternehmen helfe, „ihr Geschäft auszubauen“, erklärte SAP-Chef Christian Klein.
Der Manager will damit eine neue Zielgruppe für SAP gewinnen. Die Produkte des Softwareriesen für die Steuerung der Geschäftsprozesse – im Fachjargon ERP genannt – gelten in internationalen Konzernen als Standard. Mittelständler und Start-ups verwenden dagegen häufig die Lösungen anderer Hersteller, in diesem Segment ist SAP nur ein Anbieter unter vielen.
Wenn der Softwarehersteller verstärkt mit dem Mittelstand ins Geschäft kommen will, wird er sich jedoch umstellen müssen, beispielsweise im Vertrieb. So mahnt die Anwenderorganisation DSAG an, dass es ausreichend Berater für die Einführung brauche – sonst werde es schwierig, das Angebot am Markt durchzusetzen.
Ein Mittelstandsprodukt hat SAP bereits, das 2007 präsentierte Business By Design, das mehr als 2700 Firmen nutzen. Der Konzern hatte zuletzt die Investitionen in das Altsystem reduziert. Weiter anbieten werde er es trotzdem, und zwar „ohne Enddatum“.
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„Grow with SAP“ richtet sich primär an Neukunden, die S/4 Hana Cloud einführen wollen. Dafür bündelt der Konzern sein Kernprodukt mit anderen Komponenten, etwa der Plattform Build, die Werkzeuge für die einfache Entwicklung von Geschäftsanwendungen und die Automatisierung von Prozessen bietet.
Zudem verspricht SAP Unterstützung bei der Einführung, etwa durch eine vordefinierte Methodik und Schulungsangebote. Im besten Fall soll das neue System innerhalb von vier Wochen zum Laufen gebracht werden – eine Maßgabe, die in Branchenkreisen allerdings als sehr ambitioniert eingeschätzt wird.
Der luftige Name der neuen Initiative ist kein Zufall: Mit „Rise with SAP“ ist seit zwei Jahren ein kommerzielles Paket mit ähnlicher Ausrichtung auf dem Markt. Es soll Bestandskunden, die bereits eine ERP-Lösung von SAP verwenden, die Umstellung auf S/4 Hana Cloud erleichtern. Nach Einschätzung von Marktforschern basierten zuletzt mehr als die Hälfte der Verkäufe des Systems darauf.
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Das Ziel ist in beiden Fällen gleich: das Geschäft mit der Public Cloud stärken – so, wie es viele Anleger und Analysten verlangen. „SAP will mit ‚Grow‘ Traktion gewinnen, es gibt ja auf der Welt deutlich mehr kleine und mittelständische Unternehmen als Konzerne“, sagt Holger Müller, Analyst bei Constellation Research und Kenner des Softwareherstellers.
Potenzial für „Grow with SAP“ sieht Müller bei Firmen mit internationalen Wachstumsambitionen, etwa Mittelständlern auf Expansionskurs oder Start-ups. Die Initiative könne dem Konzern, falls erfolgreich, neue Kunden und zusätzlichen Umsatz bringen.
Müller sieht jedoch Herausforderungen. „Die Frage ist: Gibt es genug dieser Unternehmen? Und wie sieht es mit dem Wettbewerb aus?“ SAP-Rivale Oracle hat für Kunden dieser Größe bereits eine eigene Produktlinie namens Netsuite am Markt und investiert kräftig in die Weiterentwicklung. Zudem gibt es viele kleinere Konkurrenten wie Xentral und Pro Alpha.
Es hat in der Softwarebranche bisher noch keiner geschafft, ein Produkt für Großunternehmen im Mittelstand erfolgreich zu vermarkten. Holger Müller, Analyst Constellation Research
Um im Wettbewerb zu bestehen, hat SAP einige Arbeit zu erledigen. Zum Beispiel in der Produktentwicklung: Es gilt, die Komplexität von S/4 Hana Cloud zu reduzieren. Das sei nicht einfach, betont Analyst Müller: „Es hat in der Softwarebranche bisher noch keiner geschafft, ein Produkt für Großunternehmen im Mittelstand erfolgreich zu vermarkten.“
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Auch im Vertrieb muss sich der Dax-Konzern umstellen. In diesem Marktsegment sei es üblich, Produkte per Videokonferenz zu verkaufen und auch Vorführungen digital zu machen, sagt Müller. Auch die Bestellung müsse vereinfacht werden. „Die Frage ist: Kann SAP Volumengeschäft?“, sagt Müller.
SAP verweist darauf, dass IT-Dienstleister das Produkt vermarkten und um eigene Lösungen erweitern können, etwa für einzelne Branchen. Wie viele dieser Partner in das Geschäft einsteigen, ist unklar, der Konzern nennt nur eine Handvoll. Darunter ist die All for One Group, die im Mittelstandsmarkt zu den führenden deutschen Anbietern zählt.
Viele Details liegen noch nicht vor, die Anwenderorganisation DSAG bewertet das neue Angebot daher zurückhaltend. „Auf Basis der aktuell verfügbaren Informationen“ sei Grow attraktiv, wenn Unternehmen die Public Cloud nutzen wollen. Allerdings dürfe es aber nicht passieren, dass SAP andere Angebote vernachlässige. „Cloud ja, Cloud only nein“, sagte Fachvorstand Thomas Henzler.
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